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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die politische Lage am Jahresschlusse.

sondern die innere und äußere Macht des Landes zur Sicherheit der schwer
errungenen Einheit stärken. Die Siege Frankreichs hat Italien zu fürchten,
von den Siegen Deutschlands hat es eine Vergrößerung seiner Grenzen und
seines überseeischen Einflusses zu erwarten. Würde Besonnenheit die Welt re¬
gieren, so müßte das Bündnis der drei Mächte den Frieden für immer sichern.
Allein die Weisheit, mit welcher die Welt behandelt wird, ist, wie schon Axel
Oxenstiema meinte, nicht weit her, und bei einer "Neigung zu Überfällen" ist
sie gewiß in nicht hohem Grade vorhanden. Mehr konnte der Reichskanzler
nicht thun, als ein Friedensbündnis dreier Großmächte schaffen, dafür kann er
nicht einstehen, daß auch die Gegner des Friedens sich durch dieses Bündnis
vom Krieg abhalten lassen. Und diese Gegner sind recht zahlreich, dahin ge¬
hören die Dänen mit ihrem vrleanistisch-welfischen Anhang, dahin gehören auch
die Jesuiten, denen nach einem bekannten Ausspruch "nur die Revolution helfen
kann," dahin gehören die Sozialdemokraten und sonstige Revolutionäre jeder
Richtung. Dänemark hat zuerst die Spione gegen Deutschland großgezogen
und im französischen Interesse verwendet; in Dänemark findet die welfische
Propaganda ihre Unterstützung, die orlcanistische Gegenrevolution eine Anlehnung,
und die bekannten diplomatischen, zur Täuschung des Zaren bestimmten Fälschungen
sollen zum Teil den Weg über Kopenhagen gefunden haben. Den Jesuiten mißfällt
das Friedensbündnis, weil sie in starken Staaten nicht mehr zur Herrschaft
gelangen können und das protestantische deutsche Reich das Haupthindernis
derselben abgiebt. Deshalb sind jetzt die Jesuiten auf allen Seiten thätig, um
die Volksmassen zu Kundgebungen für die weltliche Herrschaft des Papsttums
zu erregen. Hierdurch glauben sie am besten das Bündnis zwischen Berlin,
Wien und Rom erschüttern und Italien in die Arme Frankreichs, d. h. der
Revolution, treiben zu können. Diese ist ihr Ziel, und dies Ziel zu erreichen,
sind ihnen alle Mittel recht. Die Sozialdemokratie und der Anarchismus in
ihren internationalen Verzweigungen haben nichts mehr als das monarchisch
starke deutsche Bollwerk zu fürchten; ist dieses zertrümmert, dann wird die
ganze Weltordnung nicht mehr lauge widerstehen können.

Seit einigen Jahren ist die Kriegsgefahr chronisch geworden, und allmählich
hat man sich bei uns an die Gefahr, wenn auch nicht an ihre Verwirklichung,
gewöhnt. Jetzt aber hat sich der Zündstoff von allen Seiten gehäuft, immer
näher rücken die explodirenden Kräfte, und es läßt sich nicht mehr übersehen, ob
es gelingen wird, auch das kommende Jahr in den Segnungen des -- wenn
auch bedrohten -- Friedens zu verleben. Man wird ihn so lange sicher haben,
als man uns fürchtet, und deshalb ist es geboten, daß wir stets in voller
Rüstung Wacht halten, und daß wir einig zusammenstehen in der Bekämpfung
der äußern und innern Feinde des Reiches. Diese Kraft und Stärke ist es,
welche uns die größte Zuversicht gewährt gegenüber allen schweren Wechsel¬
fällen, die über uns hereinbrechen mögen.


Die politische Lage am Jahresschlusse.

sondern die innere und äußere Macht des Landes zur Sicherheit der schwer
errungenen Einheit stärken. Die Siege Frankreichs hat Italien zu fürchten,
von den Siegen Deutschlands hat es eine Vergrößerung seiner Grenzen und
seines überseeischen Einflusses zu erwarten. Würde Besonnenheit die Welt re¬
gieren, so müßte das Bündnis der drei Mächte den Frieden für immer sichern.
Allein die Weisheit, mit welcher die Welt behandelt wird, ist, wie schon Axel
Oxenstiema meinte, nicht weit her, und bei einer „Neigung zu Überfällen" ist
sie gewiß in nicht hohem Grade vorhanden. Mehr konnte der Reichskanzler
nicht thun, als ein Friedensbündnis dreier Großmächte schaffen, dafür kann er
nicht einstehen, daß auch die Gegner des Friedens sich durch dieses Bündnis
vom Krieg abhalten lassen. Und diese Gegner sind recht zahlreich, dahin ge¬
hören die Dänen mit ihrem vrleanistisch-welfischen Anhang, dahin gehören auch
die Jesuiten, denen nach einem bekannten Ausspruch „nur die Revolution helfen
kann," dahin gehören die Sozialdemokraten und sonstige Revolutionäre jeder
Richtung. Dänemark hat zuerst die Spione gegen Deutschland großgezogen
und im französischen Interesse verwendet; in Dänemark findet die welfische
Propaganda ihre Unterstützung, die orlcanistische Gegenrevolution eine Anlehnung,
und die bekannten diplomatischen, zur Täuschung des Zaren bestimmten Fälschungen
sollen zum Teil den Weg über Kopenhagen gefunden haben. Den Jesuiten mißfällt
das Friedensbündnis, weil sie in starken Staaten nicht mehr zur Herrschaft
gelangen können und das protestantische deutsche Reich das Haupthindernis
derselben abgiebt. Deshalb sind jetzt die Jesuiten auf allen Seiten thätig, um
die Volksmassen zu Kundgebungen für die weltliche Herrschaft des Papsttums
zu erregen. Hierdurch glauben sie am besten das Bündnis zwischen Berlin,
Wien und Rom erschüttern und Italien in die Arme Frankreichs, d. h. der
Revolution, treiben zu können. Diese ist ihr Ziel, und dies Ziel zu erreichen,
sind ihnen alle Mittel recht. Die Sozialdemokratie und der Anarchismus in
ihren internationalen Verzweigungen haben nichts mehr als das monarchisch
starke deutsche Bollwerk zu fürchten; ist dieses zertrümmert, dann wird die
ganze Weltordnung nicht mehr lauge widerstehen können.

Seit einigen Jahren ist die Kriegsgefahr chronisch geworden, und allmählich
hat man sich bei uns an die Gefahr, wenn auch nicht an ihre Verwirklichung,
gewöhnt. Jetzt aber hat sich der Zündstoff von allen Seiten gehäuft, immer
näher rücken die explodirenden Kräfte, und es läßt sich nicht mehr übersehen, ob
es gelingen wird, auch das kommende Jahr in den Segnungen des — wenn
auch bedrohten — Friedens zu verleben. Man wird ihn so lange sicher haben,
als man uns fürchtet, und deshalb ist es geboten, daß wir stets in voller
Rüstung Wacht halten, und daß wir einig zusammenstehen in der Bekämpfung
der äußern und innern Feinde des Reiches. Diese Kraft und Stärke ist es,
welche uns die größte Zuversicht gewährt gegenüber allen schweren Wechsel¬
fällen, die über uns hereinbrechen mögen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/621>, abgerufen am 22.07.2024.