Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Kleinere Mitteilungen. oder -- viel öfter -- aus ihr Geldgewinn ziehen. Wenn nun im deutschen Rechts¬ Die Mehrheit des Reichstages hat bei der Beratung des deutschen Gerichts- Kleinere Mitteilungen. oder — viel öfter — aus ihr Geldgewinn ziehen. Wenn nun im deutschen Rechts¬ Die Mehrheit des Reichstages hat bei der Beratung des deutschen Gerichts- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0610" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202039"/> <fw type="header" place="top"> Kleinere Mitteilungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1768" prev="#ID_1767"> oder — viel öfter — aus ihr Geldgewinn ziehen. Wenn nun im deutschen Rechts¬<lb/> staate die Gleichheit vor dem Gesetz ohne Ausnahme für jeden besteht, wenn weiter<lb/> der Grundsah besteht, daß niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden<lb/> soll, mit welchem Rechte will man diese hinter der Presse stehenden Privatpersonen,<lb/> im Falle sie strafbare Handlungen in der Presse verüben, anders behandeln, als<lb/> die, die ohne dieses Werkzeug handeln?</p><lb/> <p xml:id="ID_1769" next="#ID_1770"> Die Mehrheit des Reichstages hat bei der Beratung des deutschen Gerichts-<lb/> verfassuugsgesetzes im Jahre 1876 die richtige Antwort auf diese Frage gegeben.<lb/> Sie hat, wenn auch nach heftigen Redekämpfen, zwar da, wo Schwurgerichte für<lb/> Preßvergehen bereits bestanden, die „landesgesetzlichen Vorschriften über die Zu¬<lb/> ständigkeit der Schwurgerichte für die durch die Presse begangenen strafbaren<lb/> Handlungen unberührt" gelassen, hat aber gleichzeitig der Landesgcsetzgebung unter¬<lb/> sagt, von dem Zeitpunkte der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes ab die<lb/> Zuständigkeit der Schwurgerichte auf diese Handlungen zu erstrecken. Sie blieb<lb/> also für einen kleinen Teil Deutschlands, für Baiern, Württemberg und Baden,<lb/> bestehen. Interessant ist es, aus den damaligen Reden einzelnes herauszugreifen;<lb/> es wird, da seitdem weder dafür noch dagegen neue Gesichtspunkte in dieser Frage<lb/> sich zeigten, auch heute noch zutreffend sein. So äußerte sich der Abg. Dr. Gneist<lb/> bei der zweiten Lesung des Gerichtsverfassungsgesetzes (Sitzung vom 22. November<lb/> 1876), nachdem er sich als einen warmen Freund des Schwurgerichts vorgestellt<lb/> und ausgeführt hatte, daß die Einsetzung der Schwurgerichte zur Aburteilung von<lb/> Preßvergehen sich als die Schaffung von Ausnahmegerichten darstelle, wie folgt:<lb/> „Liegt die Sache so, so muß ich sagen: das Geschworuengericht bedeutet nicht ein<lb/> und dasselbe, sondern etwas wesentlich andres, wenn wir es einführen, als eine<lb/> besondre Form des Gerichts für Preßvergehen oder für politische Vergehen. Der<lb/> Richter ist als Mensch ein und dieselbe Person und doch ist er als Richter eine<lb/> ganz andre Person, je nachdem Sie ihn als ständiges Mitglied in ein festes<lb/> Kollegium setzen, in seinem festen Berufe, oder je nachdem Sie ihn ,<Uf die andre<lb/> Seite hinsetzen in eine Kommission mit dem begrenzten Auftrage für bestimmte<lb/> Dinge — als einen außerordentlichen Richter, als im „Ausnahmsgerichte."<lb/> Dasselbe Verhältnis bildet sich dann im Geschwornengerichte. Es ist etwas ganz<lb/> andres, ob Sie das Geschwornengericht als ein ständiges ordentliches Element der<lb/> Justiz einführen, oder ob Sie es als ein besondres Gericht für gewisse Favorit¬<lb/> sachen konstruiren wollen. Ich behaupte «ach meiner Erfahrung: keiner der höhern,<lb/> der letzten Zwecke des Schwurgerichts wird erreicht, so lange dies Bestreben dauert,<lb/> die populäre Institution auf gewisse populäre, politisch interessante Gebiete zu<lb/> beschränken. Diese Ausnahmestellung, die man vergeblich ableugnen möchte, halte<lb/> ich zunächst für eine Gefahr für die Presse selber. Denn alle ausnahmsweisen<lb/> Einrichtungen zu Gunsten der Presse schlagen unabänderlich um in Ausnahms¬<lb/> einrichtungen gegen die Presse. . . . Diese Erfahrung hat man nicht bloß in Frank¬<lb/> reich, in Preußen, in Oesterreich gemacht, sondern in allen Staaten, welche ihre<lb/> Geschicke selbständig bestimmen. Sodann erachte ich diese Ausnahmsstellung nach¬<lb/> teilig für den Charakter der Jury selber. Man thut dein Institute keinen Dienst,<lb/> wenn man durch die ausnahmsweise Festsetzung der Kompetenz der Geschwornen<lb/> unmittelbar in ihnen den Glauben veranlaßt, sie hätten das Recht für jeden einzelnen<lb/> Fall zu schaffen, sie hätten sich an kein Gesetz zu binden, sie hätten keiner richter¬<lb/> lichen Anweisung, keiner Autorität zu folgen, als ihrer eignen, sie wären der<lb/> souveräne Herr des Falls für das politisch interessante Sondergebiet. . . . Alle<lb/> Ausnahmsgerichte unter jedem Titel find behaftet mit schweren Gebrechen. Die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0610]
Kleinere Mitteilungen.
oder — viel öfter — aus ihr Geldgewinn ziehen. Wenn nun im deutschen Rechts¬
staate die Gleichheit vor dem Gesetz ohne Ausnahme für jeden besteht, wenn weiter
der Grundsah besteht, daß niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden
soll, mit welchem Rechte will man diese hinter der Presse stehenden Privatpersonen,
im Falle sie strafbare Handlungen in der Presse verüben, anders behandeln, als
die, die ohne dieses Werkzeug handeln?
Die Mehrheit des Reichstages hat bei der Beratung des deutschen Gerichts-
verfassuugsgesetzes im Jahre 1876 die richtige Antwort auf diese Frage gegeben.
Sie hat, wenn auch nach heftigen Redekämpfen, zwar da, wo Schwurgerichte für
Preßvergehen bereits bestanden, die „landesgesetzlichen Vorschriften über die Zu¬
ständigkeit der Schwurgerichte für die durch die Presse begangenen strafbaren
Handlungen unberührt" gelassen, hat aber gleichzeitig der Landesgcsetzgebung unter¬
sagt, von dem Zeitpunkte der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes ab die
Zuständigkeit der Schwurgerichte auf diese Handlungen zu erstrecken. Sie blieb
also für einen kleinen Teil Deutschlands, für Baiern, Württemberg und Baden,
bestehen. Interessant ist es, aus den damaligen Reden einzelnes herauszugreifen;
es wird, da seitdem weder dafür noch dagegen neue Gesichtspunkte in dieser Frage
sich zeigten, auch heute noch zutreffend sein. So äußerte sich der Abg. Dr. Gneist
bei der zweiten Lesung des Gerichtsverfassungsgesetzes (Sitzung vom 22. November
1876), nachdem er sich als einen warmen Freund des Schwurgerichts vorgestellt
und ausgeführt hatte, daß die Einsetzung der Schwurgerichte zur Aburteilung von
Preßvergehen sich als die Schaffung von Ausnahmegerichten darstelle, wie folgt:
„Liegt die Sache so, so muß ich sagen: das Geschworuengericht bedeutet nicht ein
und dasselbe, sondern etwas wesentlich andres, wenn wir es einführen, als eine
besondre Form des Gerichts für Preßvergehen oder für politische Vergehen. Der
Richter ist als Mensch ein und dieselbe Person und doch ist er als Richter eine
ganz andre Person, je nachdem Sie ihn als ständiges Mitglied in ein festes
Kollegium setzen, in seinem festen Berufe, oder je nachdem Sie ihn ,<Uf die andre
Seite hinsetzen in eine Kommission mit dem begrenzten Auftrage für bestimmte
Dinge — als einen außerordentlichen Richter, als im „Ausnahmsgerichte."
Dasselbe Verhältnis bildet sich dann im Geschwornengerichte. Es ist etwas ganz
andres, ob Sie das Geschwornengericht als ein ständiges ordentliches Element der
Justiz einführen, oder ob Sie es als ein besondres Gericht für gewisse Favorit¬
sachen konstruiren wollen. Ich behaupte «ach meiner Erfahrung: keiner der höhern,
der letzten Zwecke des Schwurgerichts wird erreicht, so lange dies Bestreben dauert,
die populäre Institution auf gewisse populäre, politisch interessante Gebiete zu
beschränken. Diese Ausnahmestellung, die man vergeblich ableugnen möchte, halte
ich zunächst für eine Gefahr für die Presse selber. Denn alle ausnahmsweisen
Einrichtungen zu Gunsten der Presse schlagen unabänderlich um in Ausnahms¬
einrichtungen gegen die Presse. . . . Diese Erfahrung hat man nicht bloß in Frank¬
reich, in Preußen, in Oesterreich gemacht, sondern in allen Staaten, welche ihre
Geschicke selbständig bestimmen. Sodann erachte ich diese Ausnahmsstellung nach¬
teilig für den Charakter der Jury selber. Man thut dein Institute keinen Dienst,
wenn man durch die ausnahmsweise Festsetzung der Kompetenz der Geschwornen
unmittelbar in ihnen den Glauben veranlaßt, sie hätten das Recht für jeden einzelnen
Fall zu schaffen, sie hätten sich an kein Gesetz zu binden, sie hätten keiner richter¬
lichen Anweisung, keiner Autorität zu folgen, als ihrer eignen, sie wären der
souveräne Herr des Falls für das politisch interessante Sondergebiet. . . . Alle
Ausnahmsgerichte unter jedem Titel find behaftet mit schweren Gebrechen. Die
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