Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Zur Land- und Bodenfrage. reiche Polizeimannschaften, nicht selten unterrichteter Sache, aber mit Verwun¬ Die Dinge sehen so verzweifelt aus, daß man kaum einen andern Ausweg Die großen irischen Grundherren scheinen sich auch keinen Täuschungen hin¬ In England geht die Bewegung, welche die Zerlegung der großen Güter Nach dem Van^ l6l"zKrg.xQ ermächtigt die vom Präsidenten des Lokal¬ Durch solche und ähnliche Vorgänge scheint unser Satz, daß die Boden¬ Zur Land- und Bodenfrage. reiche Polizeimannschaften, nicht selten unterrichteter Sache, aber mit Verwun¬ Die Dinge sehen so verzweifelt aus, daß man kaum einen andern Ausweg Die großen irischen Grundherren scheinen sich auch keinen Täuschungen hin¬ In England geht die Bewegung, welche die Zerlegung der großen Güter Nach dem Van^ l6l«zKrg.xQ ermächtigt die vom Präsidenten des Lokal¬ Durch solche und ähnliche Vorgänge scheint unser Satz, daß die Boden¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0526" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201955"/> <fw type="header" place="top"> Zur Land- und Bodenfrage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1374" prev="#ID_1373"> reiche Polizeimannschaften, nicht selten unterrichteter Sache, aber mit Verwun¬<lb/> deten und Toten, abziehen müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1375"> Die Dinge sehen so verzweifelt aus, daß man kaum einen andern Ausweg<lb/> zu sehen vermag, als den Vorschlag des Herrn Gladstone, der mit einem Auf¬<lb/> wands von 150 bis 200 Mill. Pfd. Sterl. den gesamten irischen Boden expro-<lb/> priiren wollte. Dieser Gedanke, der vor wenigen Jahren, als er zuerst aus¬<lb/> gesprochen wurde, noch überall nur Unwillen oder ironischem Staunen begegnete,<lb/> wird in nicht allzu ferner Zeit als reife Frucht vom Baume fallen. Man wird<lb/> sich der Expropriation der Sklaven als eines Vorganges erinnern, worauf der<lb/> Engländer ja so vieles hält, und man wird sich beglückwünschen, daß in dem<lb/> unermeßlichen Grundbesitze der Kirche, wie schon Gladstone angedeutet hat, Mittel<lb/> zur Verfügung stehen, welche die Ausführung der Maßregel dem Steuerzahler<lb/> weniger fühlbar machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1376"> Die großen irischen Grundherren scheinen sich auch keinen Täuschungen hin¬<lb/> zugeben, wohin die Dinge treiben, und man empfängt zuweilen den Eindruck,<lb/> daß sie nur noch zu retten suchen, was eben zu retten ist. So fasse ich einen<lb/> Bericht des Dubliner LvsninA iLlLssraxd auf, wonach Lord Kilmaine, der in<lb/> der Grafschaft Mayo 11564 Acker Land besitzt, die in kleinen Farmer ausge¬<lb/> geben sind, eingewilligt habe, diese Farmer nach einer Anschlagsbasis zu ver¬<lb/> kaufen, die sich bedeutend unter dem Maximum in Herrn Gladstones Land¬<lb/> ankaufsbill bewege. Bei einem gerichtlich festgestellten Pachtzins von vier<lb/> Pfund Sterling soll das siebzehnfache, in andern Fällen das Achtzehnfache den<lb/> Kaufpreis bilden. Alle Pachtrückstände vom Mai 1885 an werden erlassen.<lb/> Die Verkaufskosten (das will in England viel sagen) trägt der Landlord. Es<lb/> fragt sich eben nur: wird Lord Kilmaine Erfolg haben oder ist es wie ein<lb/> letzter Versuch der Ratte, das Schiff zu verlassen, ehe es untersinkt?</p><lb/> <p xml:id="ID_1377"> In England geht die Bewegung, welche die Zerlegung der großen Güter<lb/> in kleinere Höfe bezweckt, ihren stetigen Gang. Ein Teil der Grundherren folgt<lb/> hierbei ganz selbstsüchtigen Antrieben, indem sie einsehen, daß das Ausgebot ihrer<lb/> Latifundien in kleinen Bauernhöfen bessern Pacht verspricht; andern ist es mit<lb/> der Neuschaffung eines freien Bauernstandes aus politischen und sozialen Gründen<lb/> ehrlicher Ernst. Die Gladstonianer haben es als ihr Glaubensbekenntnis ver¬<lb/> kündigt. Ein Schwiegersohn der Königin, Marquis of Lorne, hat sich im<lb/> Reformklub dafür ausgesprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1378"> Nach dem Van^ l6l«zKrg.xQ ermächtigt die vom Präsidenten des Lokal¬<lb/> regierungsamtes Ritchie entworfene Lvkalregierungsbill die zu errichtenden<lb/> Verwaltungsbehörden, Land zu erwerben und zu Parzelliren; ein ähnliches Gesetz<lb/> soll für Schottland ausgearbeitet werden, mit einer entsprechenden Vorlage für<lb/> Irland will man warten, bis dieses Land etwas zur Ruhe gekommen sein wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1379" next="#ID_1380"> Durch solche und ähnliche Vorgänge scheint unser Satz, daß die Boden¬<lb/> renke auf den Betrieb drücke und die Neigung habe, jeden Nutzen desselben auf-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0526]
Zur Land- und Bodenfrage.
reiche Polizeimannschaften, nicht selten unterrichteter Sache, aber mit Verwun¬
deten und Toten, abziehen müssen.
Die Dinge sehen so verzweifelt aus, daß man kaum einen andern Ausweg
zu sehen vermag, als den Vorschlag des Herrn Gladstone, der mit einem Auf¬
wands von 150 bis 200 Mill. Pfd. Sterl. den gesamten irischen Boden expro-
priiren wollte. Dieser Gedanke, der vor wenigen Jahren, als er zuerst aus¬
gesprochen wurde, noch überall nur Unwillen oder ironischem Staunen begegnete,
wird in nicht allzu ferner Zeit als reife Frucht vom Baume fallen. Man wird
sich der Expropriation der Sklaven als eines Vorganges erinnern, worauf der
Engländer ja so vieles hält, und man wird sich beglückwünschen, daß in dem
unermeßlichen Grundbesitze der Kirche, wie schon Gladstone angedeutet hat, Mittel
zur Verfügung stehen, welche die Ausführung der Maßregel dem Steuerzahler
weniger fühlbar machen.
Die großen irischen Grundherren scheinen sich auch keinen Täuschungen hin¬
zugeben, wohin die Dinge treiben, und man empfängt zuweilen den Eindruck,
daß sie nur noch zu retten suchen, was eben zu retten ist. So fasse ich einen
Bericht des Dubliner LvsninA iLlLssraxd auf, wonach Lord Kilmaine, der in
der Grafschaft Mayo 11564 Acker Land besitzt, die in kleinen Farmer ausge¬
geben sind, eingewilligt habe, diese Farmer nach einer Anschlagsbasis zu ver¬
kaufen, die sich bedeutend unter dem Maximum in Herrn Gladstones Land¬
ankaufsbill bewege. Bei einem gerichtlich festgestellten Pachtzins von vier
Pfund Sterling soll das siebzehnfache, in andern Fällen das Achtzehnfache den
Kaufpreis bilden. Alle Pachtrückstände vom Mai 1885 an werden erlassen.
Die Verkaufskosten (das will in England viel sagen) trägt der Landlord. Es
fragt sich eben nur: wird Lord Kilmaine Erfolg haben oder ist es wie ein
letzter Versuch der Ratte, das Schiff zu verlassen, ehe es untersinkt?
In England geht die Bewegung, welche die Zerlegung der großen Güter
in kleinere Höfe bezweckt, ihren stetigen Gang. Ein Teil der Grundherren folgt
hierbei ganz selbstsüchtigen Antrieben, indem sie einsehen, daß das Ausgebot ihrer
Latifundien in kleinen Bauernhöfen bessern Pacht verspricht; andern ist es mit
der Neuschaffung eines freien Bauernstandes aus politischen und sozialen Gründen
ehrlicher Ernst. Die Gladstonianer haben es als ihr Glaubensbekenntnis ver¬
kündigt. Ein Schwiegersohn der Königin, Marquis of Lorne, hat sich im
Reformklub dafür ausgesprochen.
Nach dem Van^ l6l«zKrg.xQ ermächtigt die vom Präsidenten des Lokal¬
regierungsamtes Ritchie entworfene Lvkalregierungsbill die zu errichtenden
Verwaltungsbehörden, Land zu erwerben und zu Parzelliren; ein ähnliches Gesetz
soll für Schottland ausgearbeitet werden, mit einer entsprechenden Vorlage für
Irland will man warten, bis dieses Land etwas zur Ruhe gekommen sein wird.
Durch solche und ähnliche Vorgänge scheint unser Satz, daß die Boden¬
renke auf den Betrieb drücke und die Neigung habe, jeden Nutzen desselben auf-
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