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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Goethe und Rochlitz.

Leipziger Buchhändlermessen knüpften sich die Bande zwischen den beiden un¬
gleichen Männern fester. Wenn Böttiger einerseits Rochlitz bei Goethe, Wieland,
Herder einführte, wenn er es war, der, als Rochlitz im Jahre 1800 in den
Fall kam, wegen einer gehofften Verbindung mit der Dresdener Malerin und
Harfenvirtuosin Therese aus dem Winkel sich einen Titel verschaffen zu müssen,
ihm geradezu riet, sich mit diesem Anliegen vertraulich an Goethe zu wenden
(was Rochlitz, wie Goethes erste bei Biedermann abgedruckte Zuschrift an ihn
erweist, mit gutem Erfolge that), so verfehlte er auf der andern Seite nicht, den
Leipziger Freund in alle seine Eifersüchteleien, Zwischenträgereien und den
kleinern literarischen Klatsch hineinzuziehen, in welchem ihm so Wohl war, wie
dem Frosch im Sumpfe. Er suchte Rochlitz seine literarischen Geheimnisse ab¬
zulocken, war diensteifrig, gefällig, ja liebenswürdig, warb ihn als Mitarbeiter für den
hinsiechenden "Deutschen Merkur" und das "Journal des Luxus und der Moden,"
schickte ihm eingehende Berichte und erteilte ihm Ratschläge und Warnungen
vor wirklichen oder eingebildeten Gefahren. Namentlich unterrichtete er ihn
fleißig von der Mißstimmung, die bei Herder und gelegentlich auch bei Wieland
über den engen Bund Goethes und Schillers, über Goethes Teilnahme an
den Jenenser Romantikern, den Todfeinden Böttigers und pietätlosen Verspottern
Vater Wielands, obwaltete. Er machte sich zum Träger aller kleinen Geschichten,
welche in der kleinen Residenz an der Ilm wie Wucherpflanzen gediehen. Er
suchte sich Einfluß auf Rochlitz zu verschaffen, indem er abwechselnd Furcht
und Hoffnung in ihm erregte. Gleich nachdem Rochlitz 1798 die Musikalische
Zeitung begonnen hatte, erzählte er ihm, indem er mit seinem geschärften Spür¬
sinn erriet, daß ein in dieser Zeitung enthaltener Aufsatz aus Rochlitzens Feder
stamme, daß der bewußte Aufsatz ihn Wielands Wohlwollen kosten könne. Ruhig
und würdig erwiederte Rochlitz unterm 6. November 1798: "Ich sende
Ihnen, mein verehrter Freund, nur einige Worte vom Komptoir des Herrn
Breitkopf, der Ihnen auf das verbindlichste für Ihre gütige Verwendung für
die musikalische Zeitung dankt. Wer hat Ihnen aber gesagt, daß ich Ver¬
fasser des Aufsatzes über die Oper wäre? Ihnen will ichs gestehen: ich bin es,
glaubte aber meine Maßregeln so genommen zu haben, daß niemand mich er¬
raten würde. Das Wort gegen Wieland thut mir wehe, nicht als sei es un¬
wahr, nicht als wäre ich nicht ein aufrichtiger Verehrer dieses Mannes (ich
zweifle sogar, ob er bei der Menge seiner Anbeter viele solche Verehrer hat,
welche über seine wahren Verdienste so nachgedacht haben wie ich), sondern weil
Sie glauben, daß er empfindlich darüber werden kann und weil, wie ich zu
meiner Beschämung gestehe, der Ton etwas unanständig ist. Doch auch das
ist wahrlich nicht Folge eines kleinen Menschleinchens so gewöhnlichen Ver¬
kleinerungsgeistes großer Männer oder der Albernheit, an ihnen zum Ritter
werden zu wollen: sondern übereilte Äußerung einer Mißbilligung, daß Wieland
die Sammlung seiner Werke, welche ihn unvergeßlich machen sollte, nicht auf


Goethe und Rochlitz.

Leipziger Buchhändlermessen knüpften sich die Bande zwischen den beiden un¬
gleichen Männern fester. Wenn Böttiger einerseits Rochlitz bei Goethe, Wieland,
Herder einführte, wenn er es war, der, als Rochlitz im Jahre 1800 in den
Fall kam, wegen einer gehofften Verbindung mit der Dresdener Malerin und
Harfenvirtuosin Therese aus dem Winkel sich einen Titel verschaffen zu müssen,
ihm geradezu riet, sich mit diesem Anliegen vertraulich an Goethe zu wenden
(was Rochlitz, wie Goethes erste bei Biedermann abgedruckte Zuschrift an ihn
erweist, mit gutem Erfolge that), so verfehlte er auf der andern Seite nicht, den
Leipziger Freund in alle seine Eifersüchteleien, Zwischenträgereien und den
kleinern literarischen Klatsch hineinzuziehen, in welchem ihm so Wohl war, wie
dem Frosch im Sumpfe. Er suchte Rochlitz seine literarischen Geheimnisse ab¬
zulocken, war diensteifrig, gefällig, ja liebenswürdig, warb ihn als Mitarbeiter für den
hinsiechenden „Deutschen Merkur" und das „Journal des Luxus und der Moden,"
schickte ihm eingehende Berichte und erteilte ihm Ratschläge und Warnungen
vor wirklichen oder eingebildeten Gefahren. Namentlich unterrichtete er ihn
fleißig von der Mißstimmung, die bei Herder und gelegentlich auch bei Wieland
über den engen Bund Goethes und Schillers, über Goethes Teilnahme an
den Jenenser Romantikern, den Todfeinden Böttigers und pietätlosen Verspottern
Vater Wielands, obwaltete. Er machte sich zum Träger aller kleinen Geschichten,
welche in der kleinen Residenz an der Ilm wie Wucherpflanzen gediehen. Er
suchte sich Einfluß auf Rochlitz zu verschaffen, indem er abwechselnd Furcht
und Hoffnung in ihm erregte. Gleich nachdem Rochlitz 1798 die Musikalische
Zeitung begonnen hatte, erzählte er ihm, indem er mit seinem geschärften Spür¬
sinn erriet, daß ein in dieser Zeitung enthaltener Aufsatz aus Rochlitzens Feder
stamme, daß der bewußte Aufsatz ihn Wielands Wohlwollen kosten könne. Ruhig
und würdig erwiederte Rochlitz unterm 6. November 1798: „Ich sende
Ihnen, mein verehrter Freund, nur einige Worte vom Komptoir des Herrn
Breitkopf, der Ihnen auf das verbindlichste für Ihre gütige Verwendung für
die musikalische Zeitung dankt. Wer hat Ihnen aber gesagt, daß ich Ver¬
fasser des Aufsatzes über die Oper wäre? Ihnen will ichs gestehen: ich bin es,
glaubte aber meine Maßregeln so genommen zu haben, daß niemand mich er¬
raten würde. Das Wort gegen Wieland thut mir wehe, nicht als sei es un¬
wahr, nicht als wäre ich nicht ein aufrichtiger Verehrer dieses Mannes (ich
zweifle sogar, ob er bei der Menge seiner Anbeter viele solche Verehrer hat,
welche über seine wahren Verdienste so nachgedacht haben wie ich), sondern weil
Sie glauben, daß er empfindlich darüber werden kann und weil, wie ich zu
meiner Beschämung gestehe, der Ton etwas unanständig ist. Doch auch das
ist wahrlich nicht Folge eines kleinen Menschleinchens so gewöhnlichen Ver¬
kleinerungsgeistes großer Männer oder der Albernheit, an ihnen zum Ritter
werden zu wollen: sondern übereilte Äußerung einer Mißbilligung, daß Wieland
die Sammlung seiner Werke, welche ihn unvergeßlich machen sollte, nicht auf


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[0437] Goethe und Rochlitz. Leipziger Buchhändlermessen knüpften sich die Bande zwischen den beiden un¬ gleichen Männern fester. Wenn Böttiger einerseits Rochlitz bei Goethe, Wieland, Herder einführte, wenn er es war, der, als Rochlitz im Jahre 1800 in den Fall kam, wegen einer gehofften Verbindung mit der Dresdener Malerin und Harfenvirtuosin Therese aus dem Winkel sich einen Titel verschaffen zu müssen, ihm geradezu riet, sich mit diesem Anliegen vertraulich an Goethe zu wenden (was Rochlitz, wie Goethes erste bei Biedermann abgedruckte Zuschrift an ihn erweist, mit gutem Erfolge that), so verfehlte er auf der andern Seite nicht, den Leipziger Freund in alle seine Eifersüchteleien, Zwischenträgereien und den kleinern literarischen Klatsch hineinzuziehen, in welchem ihm so Wohl war, wie dem Frosch im Sumpfe. Er suchte Rochlitz seine literarischen Geheimnisse ab¬ zulocken, war diensteifrig, gefällig, ja liebenswürdig, warb ihn als Mitarbeiter für den hinsiechenden „Deutschen Merkur" und das „Journal des Luxus und der Moden," schickte ihm eingehende Berichte und erteilte ihm Ratschläge und Warnungen vor wirklichen oder eingebildeten Gefahren. Namentlich unterrichtete er ihn fleißig von der Mißstimmung, die bei Herder und gelegentlich auch bei Wieland über den engen Bund Goethes und Schillers, über Goethes Teilnahme an den Jenenser Romantikern, den Todfeinden Böttigers und pietätlosen Verspottern Vater Wielands, obwaltete. Er machte sich zum Träger aller kleinen Geschichten, welche in der kleinen Residenz an der Ilm wie Wucherpflanzen gediehen. Er suchte sich Einfluß auf Rochlitz zu verschaffen, indem er abwechselnd Furcht und Hoffnung in ihm erregte. Gleich nachdem Rochlitz 1798 die Musikalische Zeitung begonnen hatte, erzählte er ihm, indem er mit seinem geschärften Spür¬ sinn erriet, daß ein in dieser Zeitung enthaltener Aufsatz aus Rochlitzens Feder stamme, daß der bewußte Aufsatz ihn Wielands Wohlwollen kosten könne. Ruhig und würdig erwiederte Rochlitz unterm 6. November 1798: „Ich sende Ihnen, mein verehrter Freund, nur einige Worte vom Komptoir des Herrn Breitkopf, der Ihnen auf das verbindlichste für Ihre gütige Verwendung für die musikalische Zeitung dankt. Wer hat Ihnen aber gesagt, daß ich Ver¬ fasser des Aufsatzes über die Oper wäre? Ihnen will ichs gestehen: ich bin es, glaubte aber meine Maßregeln so genommen zu haben, daß niemand mich er¬ raten würde. Das Wort gegen Wieland thut mir wehe, nicht als sei es un¬ wahr, nicht als wäre ich nicht ein aufrichtiger Verehrer dieses Mannes (ich zweifle sogar, ob er bei der Menge seiner Anbeter viele solche Verehrer hat, welche über seine wahren Verdienste so nachgedacht haben wie ich), sondern weil Sie glauben, daß er empfindlich darüber werden kann und weil, wie ich zu meiner Beschämung gestehe, der Ton etwas unanständig ist. Doch auch das ist wahrlich nicht Folge eines kleinen Menschleinchens so gewöhnlichen Ver¬ kleinerungsgeistes großer Männer oder der Albernheit, an ihnen zum Ritter werden zu wollen: sondern übereilte Äußerung einer Mißbilligung, daß Wieland die Sammlung seiner Werke, welche ihn unvergeßlich machen sollte, nicht auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/437>, abgerufen am 22.07.2024.