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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Gesellschaft knüpfen. Im Frühling dieses Jahres ist beides dnrch Annahme des
neuen Statuts zum Abschluß gekommen, welches alte und zahlreiche neue Mit¬
glieder in einer laudrechtlichen Körperschaft zusammenschließt und, indem es die
Entsendung von drei Vertretern der Reichsbehörde vorschreibt, zugleich ihre
stetige Überwachung durch das Reich regelt und verbürgt.

Fragen wir nun, vor welche Ziele sie sich zur Zeit gestellt sieht, so wäre
es ein müßiges Beginnen, ihre Gesamtaufgabe jetzt schon im einzelnen er¬
schöpfend darlegen zu wollen. Diese Aufgabe kann ihre Lösung erst von einem
langen Zeitraume erwarten und läßt sich überdies zur Zeit selbst von Ein¬
geweihtereu, als der Verfasser es ist, nicht einmal in ihren wichtigsten Teilen
genau abgrenzen, da eine Gestaltung organisch aus der andern hervorwachsen
muß, und gegenwärtig noch gar nicht abzusehen ist, wie sich Land und Leute
gegen die eindringenden deutschen Einflüsse Verhalten werden. Das Endziel
selbst aber liegt ja hell und lockend genug vor Augen. Es gilt aus einem
weiten, ganz oder halb wilden Tropenlande eine fruchtbringende deutsche Kolonie
zu entwickeln und ein tiefstehendes Naturvolk in geduldiger Erziehungsarbeit zu
einer erträglichen Gcsittungsstufe emporzuheben, uns und sich selber zum Nutzen.
Aber wir wollen uns darüber klar sein: der letztangedeutete Zweck steht doch
in zweiter Linie; was uns über die Meere hinausführt, ist an erster Stelle
unser Bedürfnis, unser Vorteil. Wir wollen unserm Volke neue umfassende
Unterhaltsmittel schassen, wollen es dadurch zugleich politisch stärken für die
Kämpfe der Zukunft und ihm ein gesteigertes Selbstgefühl anerziehen, das noch
allen herrschenden Nationen der Geschichte eigen war. Aber glücklich dürfen
wir uns schätzen, daß uus vor den " Conquistadoren " des sechzehnten Jahr¬
hunderts die tiefere Einsicht auszeichnet, daß der wahre Vorteil des koloni-
sirenden Kulturvolkes immer Hand in Hand geht mit dem wahren Vorteil der
zu zivilisirenden Bevölkerung: ich gebrauche absichtlich die Collectiva, da es ja
oft vorkommen mag, daß das Interesse einzelner auf beiden Seiten bei solchem
weitsichtigen Vorgehen leiden mag.

Den nächsten Einzelaufgaben der Gesellschaft aber darf mau füglich nachfragen.
Eine der ersten, dringlichsten ist bereits gelöst. Sie bestand in einem Nachtrag zu
dem Londoner Abkommen, der das Küstenland mit in deutsche Verwaltung ein-
bezog und damit den politischen Querriegel von unsrer Kolonie wegschob. Es ist,
Wie die Zeitungen mit allem Anscheine des thatsächlichen Sachverhaltes berichten
und wie wir trotz des noch ausstehenden förmlichen Abschlusses glauben dürfen,
der diplomatischen Gewandtheit des Dr. Peters gelungen, von dem Sultan die
verwaltungsrechtliche Abtretung des ganzen, an unser Gebiet anstoßenden Küsten¬
striches gegen eine jährliche Pauschsumme zunächst für einen Zeitraum von
5""szig Jahren zu erwirken. Beide Einschränkungen sind ohne besondres Ge¬
wicht: mag der Sultan immerhin dem Namen nach die Oberhoheit weiter aus¬
üben und sich der möglichen Rückforderung nach fünfzig Jahren getrösten.


Gesellschaft knüpfen. Im Frühling dieses Jahres ist beides dnrch Annahme des
neuen Statuts zum Abschluß gekommen, welches alte und zahlreiche neue Mit¬
glieder in einer laudrechtlichen Körperschaft zusammenschließt und, indem es die
Entsendung von drei Vertretern der Reichsbehörde vorschreibt, zugleich ihre
stetige Überwachung durch das Reich regelt und verbürgt.

Fragen wir nun, vor welche Ziele sie sich zur Zeit gestellt sieht, so wäre
es ein müßiges Beginnen, ihre Gesamtaufgabe jetzt schon im einzelnen er¬
schöpfend darlegen zu wollen. Diese Aufgabe kann ihre Lösung erst von einem
langen Zeitraume erwarten und läßt sich überdies zur Zeit selbst von Ein¬
geweihtereu, als der Verfasser es ist, nicht einmal in ihren wichtigsten Teilen
genau abgrenzen, da eine Gestaltung organisch aus der andern hervorwachsen
muß, und gegenwärtig noch gar nicht abzusehen ist, wie sich Land und Leute
gegen die eindringenden deutschen Einflüsse Verhalten werden. Das Endziel
selbst aber liegt ja hell und lockend genug vor Augen. Es gilt aus einem
weiten, ganz oder halb wilden Tropenlande eine fruchtbringende deutsche Kolonie
zu entwickeln und ein tiefstehendes Naturvolk in geduldiger Erziehungsarbeit zu
einer erträglichen Gcsittungsstufe emporzuheben, uns und sich selber zum Nutzen.
Aber wir wollen uns darüber klar sein: der letztangedeutete Zweck steht doch
in zweiter Linie; was uns über die Meere hinausführt, ist an erster Stelle
unser Bedürfnis, unser Vorteil. Wir wollen unserm Volke neue umfassende
Unterhaltsmittel schassen, wollen es dadurch zugleich politisch stärken für die
Kämpfe der Zukunft und ihm ein gesteigertes Selbstgefühl anerziehen, das noch
allen herrschenden Nationen der Geschichte eigen war. Aber glücklich dürfen
wir uns schätzen, daß uus vor den „ Conquistadoren " des sechzehnten Jahr¬
hunderts die tiefere Einsicht auszeichnet, daß der wahre Vorteil des koloni-
sirenden Kulturvolkes immer Hand in Hand geht mit dem wahren Vorteil der
zu zivilisirenden Bevölkerung: ich gebrauche absichtlich die Collectiva, da es ja
oft vorkommen mag, daß das Interesse einzelner auf beiden Seiten bei solchem
weitsichtigen Vorgehen leiden mag.

Den nächsten Einzelaufgaben der Gesellschaft aber darf mau füglich nachfragen.
Eine der ersten, dringlichsten ist bereits gelöst. Sie bestand in einem Nachtrag zu
dem Londoner Abkommen, der das Küstenland mit in deutsche Verwaltung ein-
bezog und damit den politischen Querriegel von unsrer Kolonie wegschob. Es ist,
Wie die Zeitungen mit allem Anscheine des thatsächlichen Sachverhaltes berichten
und wie wir trotz des noch ausstehenden förmlichen Abschlusses glauben dürfen,
der diplomatischen Gewandtheit des Dr. Peters gelungen, von dem Sultan die
verwaltungsrechtliche Abtretung des ganzen, an unser Gebiet anstoßenden Küsten¬
striches gegen eine jährliche Pauschsumme zunächst für einen Zeitraum von
5""szig Jahren zu erwirken. Beide Einschränkungen sind ohne besondres Ge¬
wicht: mag der Sultan immerhin dem Namen nach die Oberhoheit weiter aus¬
üben und sich der möglichen Rückforderung nach fünfzig Jahren getrösten.


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[0427] Gesellschaft knüpfen. Im Frühling dieses Jahres ist beides dnrch Annahme des neuen Statuts zum Abschluß gekommen, welches alte und zahlreiche neue Mit¬ glieder in einer laudrechtlichen Körperschaft zusammenschließt und, indem es die Entsendung von drei Vertretern der Reichsbehörde vorschreibt, zugleich ihre stetige Überwachung durch das Reich regelt und verbürgt. Fragen wir nun, vor welche Ziele sie sich zur Zeit gestellt sieht, so wäre es ein müßiges Beginnen, ihre Gesamtaufgabe jetzt schon im einzelnen er¬ schöpfend darlegen zu wollen. Diese Aufgabe kann ihre Lösung erst von einem langen Zeitraume erwarten und läßt sich überdies zur Zeit selbst von Ein¬ geweihtereu, als der Verfasser es ist, nicht einmal in ihren wichtigsten Teilen genau abgrenzen, da eine Gestaltung organisch aus der andern hervorwachsen muß, und gegenwärtig noch gar nicht abzusehen ist, wie sich Land und Leute gegen die eindringenden deutschen Einflüsse Verhalten werden. Das Endziel selbst aber liegt ja hell und lockend genug vor Augen. Es gilt aus einem weiten, ganz oder halb wilden Tropenlande eine fruchtbringende deutsche Kolonie zu entwickeln und ein tiefstehendes Naturvolk in geduldiger Erziehungsarbeit zu einer erträglichen Gcsittungsstufe emporzuheben, uns und sich selber zum Nutzen. Aber wir wollen uns darüber klar sein: der letztangedeutete Zweck steht doch in zweiter Linie; was uns über die Meere hinausführt, ist an erster Stelle unser Bedürfnis, unser Vorteil. Wir wollen unserm Volke neue umfassende Unterhaltsmittel schassen, wollen es dadurch zugleich politisch stärken für die Kämpfe der Zukunft und ihm ein gesteigertes Selbstgefühl anerziehen, das noch allen herrschenden Nationen der Geschichte eigen war. Aber glücklich dürfen wir uns schätzen, daß uus vor den „ Conquistadoren " des sechzehnten Jahr¬ hunderts die tiefere Einsicht auszeichnet, daß der wahre Vorteil des koloni- sirenden Kulturvolkes immer Hand in Hand geht mit dem wahren Vorteil der zu zivilisirenden Bevölkerung: ich gebrauche absichtlich die Collectiva, da es ja oft vorkommen mag, daß das Interesse einzelner auf beiden Seiten bei solchem weitsichtigen Vorgehen leiden mag. Den nächsten Einzelaufgaben der Gesellschaft aber darf mau füglich nachfragen. Eine der ersten, dringlichsten ist bereits gelöst. Sie bestand in einem Nachtrag zu dem Londoner Abkommen, der das Küstenland mit in deutsche Verwaltung ein- bezog und damit den politischen Querriegel von unsrer Kolonie wegschob. Es ist, Wie die Zeitungen mit allem Anscheine des thatsächlichen Sachverhaltes berichten und wie wir trotz des noch ausstehenden förmlichen Abschlusses glauben dürfen, der diplomatischen Gewandtheit des Dr. Peters gelungen, von dem Sultan die verwaltungsrechtliche Abtretung des ganzen, an unser Gebiet anstoßenden Küsten¬ striches gegen eine jährliche Pauschsumme zunächst für einen Zeitraum von 5""szig Jahren zu erwirken. Beide Einschränkungen sind ohne besondres Ge¬ wicht: mag der Sultan immerhin dem Namen nach die Oberhoheit weiter aus¬ üben und sich der möglichen Rückforderung nach fünfzig Jahren getrösten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/427>, abgerufen am 22.07.2024.