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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Kolonisationsbestrebungen in Gstafrika.

nicht ungünstigen Handelsvertrages die Zustimmung des Sultans zur Aus¬
gleichung der schwebenden Gebietsstreitigkeiten in Form eines aus einem deutschen,
einem englischen und einem französischen Vertreter zusammengesetzten Schieds¬
gerichts zu erwirken. Dieses führte bekanntlich nach vielfachen, nicht selten
gewaltsam gestörten Ortsuntersuchungen zu dem Londoner Übereinkommen vom
1. November vorigen Jahres, worin entschieden ward, daß dem Sultanat
Sansibar das von der portugiesischen Grenze bis gegen den Äquator hin laufende
schmale Küstenland und darüber hinaus noch einige Küstenplätze, Deutschland
dagegen alles Hinterland bis hin zum Tanganika, nach Norden aber bis zu
einer Linie, die, nur durch den Einschluß des Kilimandscharo gekrümmt, vom
Ukerewesee bis etwa zum vierten Parallelkreise in gerader Richtung verläuft,
zufallen sollte. Die Zugehörigkeit des Somalilandes, wo die Vertreter der
Gesellschaft gleichfalls politische Beziehungen angeknüpft hatten, blieb in der
Schwebe; dagegen wurde England, das in Ermangelung wirklicher Rechtstitel
doch einige moralische Berechtigung bei seinen Landansprüchen geltend machen
konnte, ein breites, wohlgelegenes Zwischenstück zwischen jener deutschen Nord¬
grenze und dem Somalilande zugesprochen. Man sieht, wie nach allen Seiten
die widerstreitenden Interessen einen gerechten Ausgleich fanden, und erkennt
leicht, daß die bis dahin fehlenden Rechtsgründe einer deutschen Aneignung des
bezeichneten Gebietes lediglich durch die Peterssche und die nachfolgenden Ex¬
peditionen geschaffen worden sind.

In Deutschland erfolgte nun auf dieser festen, international gesicherten
Grundlage die endgiltige Begründung der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft.
Man hatte sich aus Maugel an einer vom Gesetz vorgesehenen kolonialgesell¬
schaftlichen Rechtsform bisher mit einem Notbehelf begnügen müssen und diese"
darin gefunden, daß einige wenige von dem Gesamtverein gewählte Mitglieder
zu einer Kommanditgcnvssenschaft zusammentraten und diese wieder mit dem
Neste der Teilhaber gleichlautende Verträge einging, die ihnen zwar alle finan¬
ziellen Rechte sicher stellten, anderseits jedoch jeden Einfluß auf die politische
und wirtschaftliche Thätigkeit jener Gesellschaft entzogen. Diese erreichte so den
einzigen Zweck, den sie damit erreichen konnte und wollte: sie war auf eine"
Rechtsboden gestellt, von wo aus sie ihre nächsten Absichten, weitere Aus¬
dehnung ihres überseeischen Besitzes und die ersten praktischen Einrichtungen
darin, durchführen konnte. Im Vaterlande selbst aber trat nun gebieterisch die
dornenvolle Aufgabe an sie heran, alte und neue Freunde zur Beschaffung
weiterer Geldmittel zu gewinnen. Sie konnte nur mit dem Hinweis auf eine
durchgreifende Verfassungsreform gelöst werden, die allen Beteiligten gleich¬
mäßige Rechte gewährte und doch in sich die Bürgschaft erfolgreichen Handelns,
vornehmlich also eine kräftige Kompetenzausstattung der leitenden Gesellschafts¬
organe, ermöglichte. Auch die Reichsregierung mußte die fernere Unterstützung
des Unternehmens an die Reorganisation und die finanzielle Stärkung der


Die deutschen Kolonisationsbestrebungen in Gstafrika.

nicht ungünstigen Handelsvertrages die Zustimmung des Sultans zur Aus¬
gleichung der schwebenden Gebietsstreitigkeiten in Form eines aus einem deutschen,
einem englischen und einem französischen Vertreter zusammengesetzten Schieds¬
gerichts zu erwirken. Dieses führte bekanntlich nach vielfachen, nicht selten
gewaltsam gestörten Ortsuntersuchungen zu dem Londoner Übereinkommen vom
1. November vorigen Jahres, worin entschieden ward, daß dem Sultanat
Sansibar das von der portugiesischen Grenze bis gegen den Äquator hin laufende
schmale Küstenland und darüber hinaus noch einige Küstenplätze, Deutschland
dagegen alles Hinterland bis hin zum Tanganika, nach Norden aber bis zu
einer Linie, die, nur durch den Einschluß des Kilimandscharo gekrümmt, vom
Ukerewesee bis etwa zum vierten Parallelkreise in gerader Richtung verläuft,
zufallen sollte. Die Zugehörigkeit des Somalilandes, wo die Vertreter der
Gesellschaft gleichfalls politische Beziehungen angeknüpft hatten, blieb in der
Schwebe; dagegen wurde England, das in Ermangelung wirklicher Rechtstitel
doch einige moralische Berechtigung bei seinen Landansprüchen geltend machen
konnte, ein breites, wohlgelegenes Zwischenstück zwischen jener deutschen Nord¬
grenze und dem Somalilande zugesprochen. Man sieht, wie nach allen Seiten
die widerstreitenden Interessen einen gerechten Ausgleich fanden, und erkennt
leicht, daß die bis dahin fehlenden Rechtsgründe einer deutschen Aneignung des
bezeichneten Gebietes lediglich durch die Peterssche und die nachfolgenden Ex¬
peditionen geschaffen worden sind.

In Deutschland erfolgte nun auf dieser festen, international gesicherten
Grundlage die endgiltige Begründung der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft.
Man hatte sich aus Maugel an einer vom Gesetz vorgesehenen kolonialgesell¬
schaftlichen Rechtsform bisher mit einem Notbehelf begnügen müssen und diese»
darin gefunden, daß einige wenige von dem Gesamtverein gewählte Mitglieder
zu einer Kommanditgcnvssenschaft zusammentraten und diese wieder mit dem
Neste der Teilhaber gleichlautende Verträge einging, die ihnen zwar alle finan¬
ziellen Rechte sicher stellten, anderseits jedoch jeden Einfluß auf die politische
und wirtschaftliche Thätigkeit jener Gesellschaft entzogen. Diese erreichte so den
einzigen Zweck, den sie damit erreichen konnte und wollte: sie war auf eine»
Rechtsboden gestellt, von wo aus sie ihre nächsten Absichten, weitere Aus¬
dehnung ihres überseeischen Besitzes und die ersten praktischen Einrichtungen
darin, durchführen konnte. Im Vaterlande selbst aber trat nun gebieterisch die
dornenvolle Aufgabe an sie heran, alte und neue Freunde zur Beschaffung
weiterer Geldmittel zu gewinnen. Sie konnte nur mit dem Hinweis auf eine
durchgreifende Verfassungsreform gelöst werden, die allen Beteiligten gleich¬
mäßige Rechte gewährte und doch in sich die Bürgschaft erfolgreichen Handelns,
vornehmlich also eine kräftige Kompetenzausstattung der leitenden Gesellschafts¬
organe, ermöglichte. Auch die Reichsregierung mußte die fernere Unterstützung
des Unternehmens an die Reorganisation und die finanzielle Stärkung der


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[0426] Die deutschen Kolonisationsbestrebungen in Gstafrika. nicht ungünstigen Handelsvertrages die Zustimmung des Sultans zur Aus¬ gleichung der schwebenden Gebietsstreitigkeiten in Form eines aus einem deutschen, einem englischen und einem französischen Vertreter zusammengesetzten Schieds¬ gerichts zu erwirken. Dieses führte bekanntlich nach vielfachen, nicht selten gewaltsam gestörten Ortsuntersuchungen zu dem Londoner Übereinkommen vom 1. November vorigen Jahres, worin entschieden ward, daß dem Sultanat Sansibar das von der portugiesischen Grenze bis gegen den Äquator hin laufende schmale Küstenland und darüber hinaus noch einige Küstenplätze, Deutschland dagegen alles Hinterland bis hin zum Tanganika, nach Norden aber bis zu einer Linie, die, nur durch den Einschluß des Kilimandscharo gekrümmt, vom Ukerewesee bis etwa zum vierten Parallelkreise in gerader Richtung verläuft, zufallen sollte. Die Zugehörigkeit des Somalilandes, wo die Vertreter der Gesellschaft gleichfalls politische Beziehungen angeknüpft hatten, blieb in der Schwebe; dagegen wurde England, das in Ermangelung wirklicher Rechtstitel doch einige moralische Berechtigung bei seinen Landansprüchen geltend machen konnte, ein breites, wohlgelegenes Zwischenstück zwischen jener deutschen Nord¬ grenze und dem Somalilande zugesprochen. Man sieht, wie nach allen Seiten die widerstreitenden Interessen einen gerechten Ausgleich fanden, und erkennt leicht, daß die bis dahin fehlenden Rechtsgründe einer deutschen Aneignung des bezeichneten Gebietes lediglich durch die Peterssche und die nachfolgenden Ex¬ peditionen geschaffen worden sind. In Deutschland erfolgte nun auf dieser festen, international gesicherten Grundlage die endgiltige Begründung der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft. Man hatte sich aus Maugel an einer vom Gesetz vorgesehenen kolonialgesell¬ schaftlichen Rechtsform bisher mit einem Notbehelf begnügen müssen und diese» darin gefunden, daß einige wenige von dem Gesamtverein gewählte Mitglieder zu einer Kommanditgcnvssenschaft zusammentraten und diese wieder mit dem Neste der Teilhaber gleichlautende Verträge einging, die ihnen zwar alle finan¬ ziellen Rechte sicher stellten, anderseits jedoch jeden Einfluß auf die politische und wirtschaftliche Thätigkeit jener Gesellschaft entzogen. Diese erreichte so den einzigen Zweck, den sie damit erreichen konnte und wollte: sie war auf eine» Rechtsboden gestellt, von wo aus sie ihre nächsten Absichten, weitere Aus¬ dehnung ihres überseeischen Besitzes und die ersten praktischen Einrichtungen darin, durchführen konnte. Im Vaterlande selbst aber trat nun gebieterisch die dornenvolle Aufgabe an sie heran, alte und neue Freunde zur Beschaffung weiterer Geldmittel zu gewinnen. Sie konnte nur mit dem Hinweis auf eine durchgreifende Verfassungsreform gelöst werden, die allen Beteiligten gleich¬ mäßige Rechte gewährte und doch in sich die Bürgschaft erfolgreichen Handelns, vornehmlich also eine kräftige Kompetenzausstattung der leitenden Gesellschafts¬ organe, ermöglichte. Auch die Reichsregierung mußte die fernere Unterstützung des Unternehmens an die Reorganisation und die finanzielle Stärkung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/426>, abgerufen am 22.07.2024.