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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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in der That als die Vollendung der Wiederaufrichtung der Stadt ans dem
Schutt der Zerstörung begrüßen."

Ein Hauptaugenmerk hat man der Regulirung des Tiberstromes durch
eine Vertiefung und Erweiterung des Flußbettes und durch Errichtung starker
Quaianlagen zugewendet. Auch hierdurch ist ein eigentümlicher Reiz des alten
Roms verschwunden, in Zukunft wird noch mehr dem Untergänge anheimfallen.
Wer von der Engelsbrücke oder von dem Hafen an der Nipetta seine Blicke
flußabwärts schweifen ließ, dem wird der malerische Eindruck der Begrenzung
des Tiber nicht wieder ans dem Gedächtnis verschwinden. Und wer für das
"alte," für das päpstliche Nom schwärmt, wird nur mit großem Bedauern die
jetzigen Uferlmuten untergehen sehen. Der Grund für die hier vorzunehmende
Umgestaltung ist auch hier in erster Linie die Rücksicht auf die öffentliche Wohl¬
fahrt und Sicherheit. Die Klagen über die großen Überschwemmungen des
Tiber mit all ihren Schäden und Gefahren reichen bis in das Altertum zurück,
und die jetzigen Bewohner der Stadt wissen zu erzählen, wenn man von den
Gefahren einer Überschwemmung spricht. An öffentlichen Bauten, an Palästen
und Kirchen ist mehrfach der Stand des Wassers in solcher Not verzeichnet
worden, und man kann sich hier eine Vorstellung von der reißenden Gewalt
des Flusses macheu. Auf der Piazza ti Santa Maria sopra Minerva, deren
Entfernung vom Flusse etwa 800 Meter Luftlinie beträgt, hat das Wasser im
Jahre 1870 (bei der größten Überschwemmung im neunzehnten Jahrhundert)
meterhoch, in der Kirche Santa Maria dell' Anima hat es früher einmal so
hoch gestanden, daß das Gemälde des Hochaltars beschädigt wurde, ja einmal
ist das Wasser bis fast an die Piazza ti Spagna gedrungen, hatte also einen
Weg von etwa 1400 Metern Luftlinie zurückgelegt/') Wenn man die Leute
erzählen hört, wie sie während einer solchen Wassersnot erst ganz ohne Nahrung
waren und wie ihnen dann mühselig von Kähnen aus das notwendigste gereicht
werden mußte, so wird man begreifen, daß man, um solchen Fällen in Zukunft
vorzubeugen, auf Abhilfe denken mußte. Die starken, hoch aufgeführten, aus
großen Travertinqnadern bestehenden Qnaimcmern und die Vertiefung und Er¬
weiterung des Flußbettes an Stellen, wo sich das Hochwasser stauen und mit
Leichtigkeit über die Ufer treten konnte, werden künftig die Gefahren einer
Überschwemmung unmöglich machen. Es soll nicht unbemerkt bleiben, daß durch
die neuen Uferbautcn ein Teil des Gartens der Farnesina zum Opfer gefallen
ist. Das ist, um des herrlichen Baues und seiner kunstgeschichtlichen Bedeutung
willen, höchst bedauerlich. Aber es darf auch nicht vergessen werden, daß bei
dem Abbruch die herrlichen Fresken und Grotesken gefunden worden sind, die



*) Über diese Überschwemmungen vergl. um: außer den einschlagenden Abschnitten in
Gregvrvvins' Geschichte der Stadt Rom besmiders die interessanten Ausfiihrnngen van Brivschi,
l^v ilxmaNiiooi äol Lvvoro in Rom" in der Moon, ^ntoloxia, Florenz, März 1876.

in der That als die Vollendung der Wiederaufrichtung der Stadt ans dem
Schutt der Zerstörung begrüßen."

Ein Hauptaugenmerk hat man der Regulirung des Tiberstromes durch
eine Vertiefung und Erweiterung des Flußbettes und durch Errichtung starker
Quaianlagen zugewendet. Auch hierdurch ist ein eigentümlicher Reiz des alten
Roms verschwunden, in Zukunft wird noch mehr dem Untergänge anheimfallen.
Wer von der Engelsbrücke oder von dem Hafen an der Nipetta seine Blicke
flußabwärts schweifen ließ, dem wird der malerische Eindruck der Begrenzung
des Tiber nicht wieder ans dem Gedächtnis verschwinden. Und wer für das
„alte," für das päpstliche Nom schwärmt, wird nur mit großem Bedauern die
jetzigen Uferlmuten untergehen sehen. Der Grund für die hier vorzunehmende
Umgestaltung ist auch hier in erster Linie die Rücksicht auf die öffentliche Wohl¬
fahrt und Sicherheit. Die Klagen über die großen Überschwemmungen des
Tiber mit all ihren Schäden und Gefahren reichen bis in das Altertum zurück,
und die jetzigen Bewohner der Stadt wissen zu erzählen, wenn man von den
Gefahren einer Überschwemmung spricht. An öffentlichen Bauten, an Palästen
und Kirchen ist mehrfach der Stand des Wassers in solcher Not verzeichnet
worden, und man kann sich hier eine Vorstellung von der reißenden Gewalt
des Flusses macheu. Auf der Piazza ti Santa Maria sopra Minerva, deren
Entfernung vom Flusse etwa 800 Meter Luftlinie beträgt, hat das Wasser im
Jahre 1870 (bei der größten Überschwemmung im neunzehnten Jahrhundert)
meterhoch, in der Kirche Santa Maria dell' Anima hat es früher einmal so
hoch gestanden, daß das Gemälde des Hochaltars beschädigt wurde, ja einmal
ist das Wasser bis fast an die Piazza ti Spagna gedrungen, hatte also einen
Weg von etwa 1400 Metern Luftlinie zurückgelegt/') Wenn man die Leute
erzählen hört, wie sie während einer solchen Wassersnot erst ganz ohne Nahrung
waren und wie ihnen dann mühselig von Kähnen aus das notwendigste gereicht
werden mußte, so wird man begreifen, daß man, um solchen Fällen in Zukunft
vorzubeugen, auf Abhilfe denken mußte. Die starken, hoch aufgeführten, aus
großen Travertinqnadern bestehenden Qnaimcmern und die Vertiefung und Er¬
weiterung des Flußbettes an Stellen, wo sich das Hochwasser stauen und mit
Leichtigkeit über die Ufer treten konnte, werden künftig die Gefahren einer
Überschwemmung unmöglich machen. Es soll nicht unbemerkt bleiben, daß durch
die neuen Uferbautcn ein Teil des Gartens der Farnesina zum Opfer gefallen
ist. Das ist, um des herrlichen Baues und seiner kunstgeschichtlichen Bedeutung
willen, höchst bedauerlich. Aber es darf auch nicht vergessen werden, daß bei
dem Abbruch die herrlichen Fresken und Grotesken gefunden worden sind, die



*) Über diese Überschwemmungen vergl. um: außer den einschlagenden Abschnitten in
Gregvrvvins' Geschichte der Stadt Rom besmiders die interessanten Ausfiihrnngen van Brivschi,
l^v ilxmaNiiooi äol Lvvoro in Rom» in der Moon, ^ntoloxia, Florenz, März 1876.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/379>, abgerufen am 22.07.2024.