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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die Klagen über die Vernichtung Roms.

Beweis dieser zwingenden Notwendigkeit für Rom zu erbringen. Hier spricht
noch mehr als anderwärts die allgemeine Lage zu Gunsten einer Neugestaltung
der bestehenden Ordnung. Die Gesundheitsverhältnisse sind, wie bekannt, gegen¬
wärtig in Italien nicht die besten; Rom ist glücklicherweise von der sonst überall
in Italie" zahlreiche Opfer fordernden Choleraepidemie im ganzen verschont
geblieben. Daß früher und so auch jüngst wieder einzelne Erkrankungen und
Todesfälle vorgekommen sind, ist eine Thatsache, die nicht verheimlicht werden
konnte, wenn auch amtliche Angaben -- aus Gründen, die nicht hierher ge¬
hören -- darüber fehlen. Nach Mitteilungen aus Trieft sollen zwischen dem
4. und 11. September 77 Fälle, darunter 43 mit tötlichen Ausgange, vom
12. bis 19. September 105 Fälle, darunter 33 mit tötlichen Ausgange, vor¬
gekommen sein. Man frage doch nur, wo diese vahl sosxotti zu verzeichnen
gewesen sind und wo im Falle einer stark um sich greifenden Epidemie die
Krankheit ihren Herd haben würde. Mit der Niederlegung der alten dumpfigen
Quartiere trägt man also nicht ausschließlich der Eitelkeit der Bevölkerung
Rechnung, es andern Großstädten gleichthun zu wollen, vielmehr ist die Stadt¬
verwaltung im Interesse der Gesundheitspflege, im Interesse des Verkehrs und
der Tausende von Fremden, die jährlich nach Rom kommen, gezwungen und
verpflichtet, kräftig einzuschreiten. Wir betonen geflissentlich: im Interesse des
Verkehrs. Dieser hat sich in den letzten Jahren wegen des starken Zudranges
von außen und infolge der großen Eisenbahnverbindungen immer mehr ge¬
steigert. Wie sehr er durch die engen Straßen beeinträchtigt wurde, in welchem
Grade Menschenleben gefährdet waren, davon kann man sich jetzt noch teilweise,
z. B. auf der schmalen Engelsbrücke, eine Vorstellung machen. Um namentlich
den Verkehr von dem Bahnhofe aus zu erleichtern, wurde beschlossen, diesen
mit der innern Stadt durch eine breite, allen Anforderungen genügende Straße
zu verbinden. Es ist die schone Via Nazionale. Wenn man erwägt, an welchen
Palästen und Villen die neue Straße vorübergeführt werden mußte, und wenn
man sieht, welche Windungen sie, um jene zu schonen, einschlagen mußte, so
ist die Ausführung des Planes nicht nur, wie von berufener Seite zugestanden
wird, als ein Meisterwerk der italienischen Architekten zu preisen, sondern es
verdient auch die Pietät, mit der man vorgegangen ist, unbedingte Anerkennung.
Wir können hier dem verstorbenen Jordan das Wort lassen, der über die neue
Straße in seiner "Topographie der Stadt Rom im Altertum" bemerkt: "Man
darf dabei feci dem Zerstörungswerk Sixtus des Fürsten^ nicht vergessen, daß
die Zerstörung des Alten einem lebendigen Neuen die notwendigen Wege be¬
reiten sollte, und kann daher die mit gleicher Kühnheit und gleichem Erfolg,
aber mit größerer Schonung und größerem Nutzen für die Wissenschaft unter¬
nommene Vollendung seines Werkes seit dem Jahre 1870 -- die Herstellung
einer direkten und bequemen Verbindung des Ausgangspunktes der Eisenbahnen
mit dem Herzen der Stadt durch die Via Nazionale, den Anbau des Exquilin --


Die Klagen über die Vernichtung Roms.

Beweis dieser zwingenden Notwendigkeit für Rom zu erbringen. Hier spricht
noch mehr als anderwärts die allgemeine Lage zu Gunsten einer Neugestaltung
der bestehenden Ordnung. Die Gesundheitsverhältnisse sind, wie bekannt, gegen¬
wärtig in Italien nicht die besten; Rom ist glücklicherweise von der sonst überall
in Italie» zahlreiche Opfer fordernden Choleraepidemie im ganzen verschont
geblieben. Daß früher und so auch jüngst wieder einzelne Erkrankungen und
Todesfälle vorgekommen sind, ist eine Thatsache, die nicht verheimlicht werden
konnte, wenn auch amtliche Angaben — aus Gründen, die nicht hierher ge¬
hören — darüber fehlen. Nach Mitteilungen aus Trieft sollen zwischen dem
4. und 11. September 77 Fälle, darunter 43 mit tötlichen Ausgange, vom
12. bis 19. September 105 Fälle, darunter 33 mit tötlichen Ausgange, vor¬
gekommen sein. Man frage doch nur, wo diese vahl sosxotti zu verzeichnen
gewesen sind und wo im Falle einer stark um sich greifenden Epidemie die
Krankheit ihren Herd haben würde. Mit der Niederlegung der alten dumpfigen
Quartiere trägt man also nicht ausschließlich der Eitelkeit der Bevölkerung
Rechnung, es andern Großstädten gleichthun zu wollen, vielmehr ist die Stadt¬
verwaltung im Interesse der Gesundheitspflege, im Interesse des Verkehrs und
der Tausende von Fremden, die jährlich nach Rom kommen, gezwungen und
verpflichtet, kräftig einzuschreiten. Wir betonen geflissentlich: im Interesse des
Verkehrs. Dieser hat sich in den letzten Jahren wegen des starken Zudranges
von außen und infolge der großen Eisenbahnverbindungen immer mehr ge¬
steigert. Wie sehr er durch die engen Straßen beeinträchtigt wurde, in welchem
Grade Menschenleben gefährdet waren, davon kann man sich jetzt noch teilweise,
z. B. auf der schmalen Engelsbrücke, eine Vorstellung machen. Um namentlich
den Verkehr von dem Bahnhofe aus zu erleichtern, wurde beschlossen, diesen
mit der innern Stadt durch eine breite, allen Anforderungen genügende Straße
zu verbinden. Es ist die schone Via Nazionale. Wenn man erwägt, an welchen
Palästen und Villen die neue Straße vorübergeführt werden mußte, und wenn
man sieht, welche Windungen sie, um jene zu schonen, einschlagen mußte, so
ist die Ausführung des Planes nicht nur, wie von berufener Seite zugestanden
wird, als ein Meisterwerk der italienischen Architekten zu preisen, sondern es
verdient auch die Pietät, mit der man vorgegangen ist, unbedingte Anerkennung.
Wir können hier dem verstorbenen Jordan das Wort lassen, der über die neue
Straße in seiner „Topographie der Stadt Rom im Altertum" bemerkt: „Man
darf dabei feci dem Zerstörungswerk Sixtus des Fürsten^ nicht vergessen, daß
die Zerstörung des Alten einem lebendigen Neuen die notwendigen Wege be¬
reiten sollte, und kann daher die mit gleicher Kühnheit und gleichem Erfolg,
aber mit größerer Schonung und größerem Nutzen für die Wissenschaft unter¬
nommene Vollendung seines Werkes seit dem Jahre 1870 — die Herstellung
einer direkten und bequemen Verbindung des Ausgangspunktes der Eisenbahnen
mit dem Herzen der Stadt durch die Via Nazionale, den Anbau des Exquilin —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/378>, abgerufen am 22.07.2024.