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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die Klagen über die Vernichtung Roms.

Ebenso wie die Villa Ludovisi hat die Villa Massimi vor dem Lateran
ihre Parkanlagen für die Stadterweiterung hergeben müssen, und auch hier
kann nur dasselbe schmerzliche Bedauern über die Vernichtung wie bei der Villa
Ludovisi ausgesprochen werden. Wie steht es aber mit den weitern Anklagen,
welche gegen die Vernichtung der römischen Villen von verschiednen Seiten mit
Entrüstung erhoben worden sind, Anklagen, welche ihren Untergang entweder
als vollendete Thatsache oder in düsterer Prophezeiung als ein Werk der Zu¬
kunft hingestellt haben?

Zunächst soll die Villa Borghese vor der Porta del Popolo auf die
Proskriptionslistc gesetzt sein, jener Garten, der wegen seiner Ausdehnung und
seiner schattigen Wege zu den beliebtesten Spaziergängen der vornehmen römischen
Welt gehört und in der That auch in Rom zu den schönsten Erholungspunkten
gerechnet werden muß. Wirklich gab es eine Zeit, wo der Fürst Borghese an
den Verkauf der Anlagen dachte; auf dem Boden der Villa sollten von einer
Gesellschaft Fabriken, Gasthöfe und Mietwohnungen erbaut werden, man wollte
ihn ebenfalls "ausschlachten." Man würde ein derartiges Verfahren mit Recht
als eine That der Barbarei bezeichnen. Damals hat sich jedoch die Stadt¬
verwaltung rechtzeitig ins Mittel gelegt und mit Entschiedenheit ihr Vorkaufs¬
recht betont. Der Fürst verlangte neun Millionen Lire, eine Summe, die durch
den Wert des Bodens als Bcmsläche bedingt war. Die Stadtverwaltung wollte
den Monte Pincio, der im Norden durch eine hohe Brüstungsmauer von der
Villa getrennt ist, mit dieser durch eine große Treppe verbinden und so zwei
der beliebtesten und schönsten Erholungspunkte zu einem großen Park vereinigen.
Die Verhandlungen führten zu keinem Ziele, da man sich über den Preis nicht
einigen konnte. Die Stadt wollte nur fünf Millionen Lire bezahlen. Wir
glauben gern, daß sie über diese Summe nicht Hinausgehen konnte, denn es ist
erklärlich, daß man unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo an Rom infolge
der Neugestaltung der politischen Lage -- ähnlich wie seinerzeit an Florenz,
das den Ruhm, die Hauptstadt des jungen Königreichs zu sein, mit dem finan-
ziellen Ruin bezahlen mußte -- Anforderungen gestellt werden, die seine Kräfte
zu übersteigen drohen, nicht ein Kapital von einer so bedeutenden Höhe einlegen
konnte, ein Kapital, das keine Zinsen trägt, vielmehr infolge der Kosten, die
für die Instandhaltung und Beaufsichtigung der Anlagen nötig gewesen wären,
mit jedem Jahre bedeutend anwachsen würde. Aber man wußte in Rom wohl,
was dem Untergange drohte, und mau suchte ihm mit allen Mitteln vorzu¬
beugen. Und man fand ein Mittel. Die Villa war im Jahre 1603 von
Papst Paul V. dem Kardinal-Nepoten Scipio Borghese geschenkt und in den
folgenden Jahren durch Ankauf verschiedner in der unmittelbaren Nähe liegenden
Vignen erweitert worden. Der Papst hatte hierbei über öffentliche Gelder
verfügt; es war deshalb die Bestimmung gerechtfertigt, daß der Park als ein
Ort der Erholung der Öffentlichkeit zur freien Benutzung überlassen werden


Die Klagen über die Vernichtung Roms.

Ebenso wie die Villa Ludovisi hat die Villa Massimi vor dem Lateran
ihre Parkanlagen für die Stadterweiterung hergeben müssen, und auch hier
kann nur dasselbe schmerzliche Bedauern über die Vernichtung wie bei der Villa
Ludovisi ausgesprochen werden. Wie steht es aber mit den weitern Anklagen,
welche gegen die Vernichtung der römischen Villen von verschiednen Seiten mit
Entrüstung erhoben worden sind, Anklagen, welche ihren Untergang entweder
als vollendete Thatsache oder in düsterer Prophezeiung als ein Werk der Zu¬
kunft hingestellt haben?

Zunächst soll die Villa Borghese vor der Porta del Popolo auf die
Proskriptionslistc gesetzt sein, jener Garten, der wegen seiner Ausdehnung und
seiner schattigen Wege zu den beliebtesten Spaziergängen der vornehmen römischen
Welt gehört und in der That auch in Rom zu den schönsten Erholungspunkten
gerechnet werden muß. Wirklich gab es eine Zeit, wo der Fürst Borghese an
den Verkauf der Anlagen dachte; auf dem Boden der Villa sollten von einer
Gesellschaft Fabriken, Gasthöfe und Mietwohnungen erbaut werden, man wollte
ihn ebenfalls „ausschlachten." Man würde ein derartiges Verfahren mit Recht
als eine That der Barbarei bezeichnen. Damals hat sich jedoch die Stadt¬
verwaltung rechtzeitig ins Mittel gelegt und mit Entschiedenheit ihr Vorkaufs¬
recht betont. Der Fürst verlangte neun Millionen Lire, eine Summe, die durch
den Wert des Bodens als Bcmsläche bedingt war. Die Stadtverwaltung wollte
den Monte Pincio, der im Norden durch eine hohe Brüstungsmauer von der
Villa getrennt ist, mit dieser durch eine große Treppe verbinden und so zwei
der beliebtesten und schönsten Erholungspunkte zu einem großen Park vereinigen.
Die Verhandlungen führten zu keinem Ziele, da man sich über den Preis nicht
einigen konnte. Die Stadt wollte nur fünf Millionen Lire bezahlen. Wir
glauben gern, daß sie über diese Summe nicht Hinausgehen konnte, denn es ist
erklärlich, daß man unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo an Rom infolge
der Neugestaltung der politischen Lage — ähnlich wie seinerzeit an Florenz,
das den Ruhm, die Hauptstadt des jungen Königreichs zu sein, mit dem finan-
ziellen Ruin bezahlen mußte — Anforderungen gestellt werden, die seine Kräfte
zu übersteigen drohen, nicht ein Kapital von einer so bedeutenden Höhe einlegen
konnte, ein Kapital, das keine Zinsen trägt, vielmehr infolge der Kosten, die
für die Instandhaltung und Beaufsichtigung der Anlagen nötig gewesen wären,
mit jedem Jahre bedeutend anwachsen würde. Aber man wußte in Rom wohl,
was dem Untergange drohte, und mau suchte ihm mit allen Mitteln vorzu¬
beugen. Und man fand ein Mittel. Die Villa war im Jahre 1603 von
Papst Paul V. dem Kardinal-Nepoten Scipio Borghese geschenkt und in den
folgenden Jahren durch Ankauf verschiedner in der unmittelbaren Nähe liegenden
Vignen erweitert worden. Der Papst hatte hierbei über öffentliche Gelder
verfügt; es war deshalb die Bestimmung gerechtfertigt, daß der Park als ein
Ort der Erholung der Öffentlichkeit zur freien Benutzung überlassen werden


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[0375] Die Klagen über die Vernichtung Roms. Ebenso wie die Villa Ludovisi hat die Villa Massimi vor dem Lateran ihre Parkanlagen für die Stadterweiterung hergeben müssen, und auch hier kann nur dasselbe schmerzliche Bedauern über die Vernichtung wie bei der Villa Ludovisi ausgesprochen werden. Wie steht es aber mit den weitern Anklagen, welche gegen die Vernichtung der römischen Villen von verschiednen Seiten mit Entrüstung erhoben worden sind, Anklagen, welche ihren Untergang entweder als vollendete Thatsache oder in düsterer Prophezeiung als ein Werk der Zu¬ kunft hingestellt haben? Zunächst soll die Villa Borghese vor der Porta del Popolo auf die Proskriptionslistc gesetzt sein, jener Garten, der wegen seiner Ausdehnung und seiner schattigen Wege zu den beliebtesten Spaziergängen der vornehmen römischen Welt gehört und in der That auch in Rom zu den schönsten Erholungspunkten gerechnet werden muß. Wirklich gab es eine Zeit, wo der Fürst Borghese an den Verkauf der Anlagen dachte; auf dem Boden der Villa sollten von einer Gesellschaft Fabriken, Gasthöfe und Mietwohnungen erbaut werden, man wollte ihn ebenfalls „ausschlachten." Man würde ein derartiges Verfahren mit Recht als eine That der Barbarei bezeichnen. Damals hat sich jedoch die Stadt¬ verwaltung rechtzeitig ins Mittel gelegt und mit Entschiedenheit ihr Vorkaufs¬ recht betont. Der Fürst verlangte neun Millionen Lire, eine Summe, die durch den Wert des Bodens als Bcmsläche bedingt war. Die Stadtverwaltung wollte den Monte Pincio, der im Norden durch eine hohe Brüstungsmauer von der Villa getrennt ist, mit dieser durch eine große Treppe verbinden und so zwei der beliebtesten und schönsten Erholungspunkte zu einem großen Park vereinigen. Die Verhandlungen führten zu keinem Ziele, da man sich über den Preis nicht einigen konnte. Die Stadt wollte nur fünf Millionen Lire bezahlen. Wir glauben gern, daß sie über diese Summe nicht Hinausgehen konnte, denn es ist erklärlich, daß man unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo an Rom infolge der Neugestaltung der politischen Lage — ähnlich wie seinerzeit an Florenz, das den Ruhm, die Hauptstadt des jungen Königreichs zu sein, mit dem finan- ziellen Ruin bezahlen mußte — Anforderungen gestellt werden, die seine Kräfte zu übersteigen drohen, nicht ein Kapital von einer so bedeutenden Höhe einlegen konnte, ein Kapital, das keine Zinsen trägt, vielmehr infolge der Kosten, die für die Instandhaltung und Beaufsichtigung der Anlagen nötig gewesen wären, mit jedem Jahre bedeutend anwachsen würde. Aber man wußte in Rom wohl, was dem Untergange drohte, und mau suchte ihm mit allen Mitteln vorzu¬ beugen. Und man fand ein Mittel. Die Villa war im Jahre 1603 von Papst Paul V. dem Kardinal-Nepoten Scipio Borghese geschenkt und in den folgenden Jahren durch Ankauf verschiedner in der unmittelbaren Nähe liegenden Vignen erweitert worden. Der Papst hatte hierbei über öffentliche Gelder verfügt; es war deshalb die Bestimmung gerechtfertigt, daß der Park als ein Ort der Erholung der Öffentlichkeit zur freien Benutzung überlassen werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/375>, abgerufen am 22.07.2024.