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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Rolonisationsbestrebungen in Gstafrika.

eine zwischen tausend bis zweitausend Metern schwankende Seehöhe aufweisen.
Was für den Anbau durch diese senkrechte Gestaltung an Schwierigkeiten ver¬
ursacht wird, machen die damit gegebenen klimatischen Vorzüge wett. Von
der Bodenart, so mannichfaltig abgestuft sie sein mag, werden nahezu mit Ein¬
stimmigkeit verlockende Schilderungen entworfen. Das unentbehrliche Lebens¬
element, das Wasser, woran es dem schwarzen Erdteil so vielfach gebricht, ist
gleichfalls in ausreichender Fülle vorhanden, wie schon ein Blick auf die Karte
erweist: nicht bloß, daß die Zone der innerafrikanischen Riesenseen unmittelbar
an unsre Kolonie angrenzt, auch ein mannichfaltiges Netz von Flüssen durch¬
ädert das Land, von denen die größeren sich schon als teilweise schiffbar erwiesen
haben. Immerhin mag es sein, daß bei fortgesetzter Untersuchung dieser natür¬
lichen Handelswege ein Mangel hervortreten wird: es würden daraus bei
dem Stande unsrer modernen Verkehrstechnik nicht entfernt solche Hindernisse
entstehen, daß man sich nicht trotzdem zu kolonialen Unternehmungen bewogen
fühlen sollte. In dem Lande sitzt eine wenig dichte und ziemlich armselige
Negerbevölkerung; von Massais und Somalis allenfalls abgesehen durchweg
friedfertiger Natur, entbehrt sie der Fähigkeit, aus eigner Kraft ihre Boden¬
schätze zu gewinnen und zu verwerten, zeigt sich aber nach dem überein¬
stimmenden Urteile der Kenner wohl geeignet, unter einsichtiger europäischer
Anleitung diese für uns und anteilweise für sich selber zu heben, und zwar zu
einem so geringen eignen Anteil, daß die Arbeitslöhne hinter denen andrer
Tropenländer erheblich zurückbleiben. Nun darf man fragen: Was soll denn,
lediglich die Produktionsbedingungen angesehen, welche Ostafrika selber darbietet,
hindern, hier dieselben Produkte zu erzielen, die unter gleichen Breiten in andern
Kolonien gewonnen werden? Mag es sein, daß diese, wie etwa Ostindien, noch
günstiger ausgestattet sind. Aber sollen wir darum mit verschränkten Armen
dastehen und weiterhin aus dem englischen Indien kaufen? Ist nicht auch
Deutschland bodenärmer als Frankreich, und bauen wir uns nicht sehr zu unserm
Nutzen in der Hauptsache unsern Getreidebedarf selber? Im übrigen hängt,
soweit das Kolonialland in Frage kommt, seine Nutzbarkeit nur noch von der
Gunst der Weltverkehrslage und der Brauchbarkeit der Küste ab. Beides be¬
friedigt: wenn die langgedehnte Kiiste ini Vergleich zu andern schon blühenden
Tropengebieten vielleicht an Zahl schöner Häfen zurücksteht, obschon sie deren,
wie sich bei genauerer Besichtigung jetzt immer mehr herausstellt, eine anfangs
durchaus verkannte stattliche Reihe aufweist, so hat sie vor vielen andern die
größere Nähe Europas voraus.

Nun liegt der oft erhobene Einwand nahe genug: Wenn das Land wirklich
so einladend ist, warum haben es denn die bisherigen großen Seestaaten so
gleichgiltig oder stiefmütterlich behandelt? Die Erklärungsgründe dafür sind
aber nicht derart, daß sie die gegenwärtige koloniale Entwicklungsfähigkeit
des Landes in Zweifel stellen. Vor der Einführung der Dampftechnik mußte


Die deutschen Rolonisationsbestrebungen in Gstafrika.

eine zwischen tausend bis zweitausend Metern schwankende Seehöhe aufweisen.
Was für den Anbau durch diese senkrechte Gestaltung an Schwierigkeiten ver¬
ursacht wird, machen die damit gegebenen klimatischen Vorzüge wett. Von
der Bodenart, so mannichfaltig abgestuft sie sein mag, werden nahezu mit Ein¬
stimmigkeit verlockende Schilderungen entworfen. Das unentbehrliche Lebens¬
element, das Wasser, woran es dem schwarzen Erdteil so vielfach gebricht, ist
gleichfalls in ausreichender Fülle vorhanden, wie schon ein Blick auf die Karte
erweist: nicht bloß, daß die Zone der innerafrikanischen Riesenseen unmittelbar
an unsre Kolonie angrenzt, auch ein mannichfaltiges Netz von Flüssen durch¬
ädert das Land, von denen die größeren sich schon als teilweise schiffbar erwiesen
haben. Immerhin mag es sein, daß bei fortgesetzter Untersuchung dieser natür¬
lichen Handelswege ein Mangel hervortreten wird: es würden daraus bei
dem Stande unsrer modernen Verkehrstechnik nicht entfernt solche Hindernisse
entstehen, daß man sich nicht trotzdem zu kolonialen Unternehmungen bewogen
fühlen sollte. In dem Lande sitzt eine wenig dichte und ziemlich armselige
Negerbevölkerung; von Massais und Somalis allenfalls abgesehen durchweg
friedfertiger Natur, entbehrt sie der Fähigkeit, aus eigner Kraft ihre Boden¬
schätze zu gewinnen und zu verwerten, zeigt sich aber nach dem überein¬
stimmenden Urteile der Kenner wohl geeignet, unter einsichtiger europäischer
Anleitung diese für uns und anteilweise für sich selber zu heben, und zwar zu
einem so geringen eignen Anteil, daß die Arbeitslöhne hinter denen andrer
Tropenländer erheblich zurückbleiben. Nun darf man fragen: Was soll denn,
lediglich die Produktionsbedingungen angesehen, welche Ostafrika selber darbietet,
hindern, hier dieselben Produkte zu erzielen, die unter gleichen Breiten in andern
Kolonien gewonnen werden? Mag es sein, daß diese, wie etwa Ostindien, noch
günstiger ausgestattet sind. Aber sollen wir darum mit verschränkten Armen
dastehen und weiterhin aus dem englischen Indien kaufen? Ist nicht auch
Deutschland bodenärmer als Frankreich, und bauen wir uns nicht sehr zu unserm
Nutzen in der Hauptsache unsern Getreidebedarf selber? Im übrigen hängt,
soweit das Kolonialland in Frage kommt, seine Nutzbarkeit nur noch von der
Gunst der Weltverkehrslage und der Brauchbarkeit der Küste ab. Beides be¬
friedigt: wenn die langgedehnte Kiiste ini Vergleich zu andern schon blühenden
Tropengebieten vielleicht an Zahl schöner Häfen zurücksteht, obschon sie deren,
wie sich bei genauerer Besichtigung jetzt immer mehr herausstellt, eine anfangs
durchaus verkannte stattliche Reihe aufweist, so hat sie vor vielen andern die
größere Nähe Europas voraus.

Nun liegt der oft erhobene Einwand nahe genug: Wenn das Land wirklich
so einladend ist, warum haben es denn die bisherigen großen Seestaaten so
gleichgiltig oder stiefmütterlich behandelt? Die Erklärungsgründe dafür sind
aber nicht derart, daß sie die gegenwärtige koloniale Entwicklungsfähigkeit
des Landes in Zweifel stellen. Vor der Einführung der Dampftechnik mußte


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[0365] Die deutschen Rolonisationsbestrebungen in Gstafrika. eine zwischen tausend bis zweitausend Metern schwankende Seehöhe aufweisen. Was für den Anbau durch diese senkrechte Gestaltung an Schwierigkeiten ver¬ ursacht wird, machen die damit gegebenen klimatischen Vorzüge wett. Von der Bodenart, so mannichfaltig abgestuft sie sein mag, werden nahezu mit Ein¬ stimmigkeit verlockende Schilderungen entworfen. Das unentbehrliche Lebens¬ element, das Wasser, woran es dem schwarzen Erdteil so vielfach gebricht, ist gleichfalls in ausreichender Fülle vorhanden, wie schon ein Blick auf die Karte erweist: nicht bloß, daß die Zone der innerafrikanischen Riesenseen unmittelbar an unsre Kolonie angrenzt, auch ein mannichfaltiges Netz von Flüssen durch¬ ädert das Land, von denen die größeren sich schon als teilweise schiffbar erwiesen haben. Immerhin mag es sein, daß bei fortgesetzter Untersuchung dieser natür¬ lichen Handelswege ein Mangel hervortreten wird: es würden daraus bei dem Stande unsrer modernen Verkehrstechnik nicht entfernt solche Hindernisse entstehen, daß man sich nicht trotzdem zu kolonialen Unternehmungen bewogen fühlen sollte. In dem Lande sitzt eine wenig dichte und ziemlich armselige Negerbevölkerung; von Massais und Somalis allenfalls abgesehen durchweg friedfertiger Natur, entbehrt sie der Fähigkeit, aus eigner Kraft ihre Boden¬ schätze zu gewinnen und zu verwerten, zeigt sich aber nach dem überein¬ stimmenden Urteile der Kenner wohl geeignet, unter einsichtiger europäischer Anleitung diese für uns und anteilweise für sich selber zu heben, und zwar zu einem so geringen eignen Anteil, daß die Arbeitslöhne hinter denen andrer Tropenländer erheblich zurückbleiben. Nun darf man fragen: Was soll denn, lediglich die Produktionsbedingungen angesehen, welche Ostafrika selber darbietet, hindern, hier dieselben Produkte zu erzielen, die unter gleichen Breiten in andern Kolonien gewonnen werden? Mag es sein, daß diese, wie etwa Ostindien, noch günstiger ausgestattet sind. Aber sollen wir darum mit verschränkten Armen dastehen und weiterhin aus dem englischen Indien kaufen? Ist nicht auch Deutschland bodenärmer als Frankreich, und bauen wir uns nicht sehr zu unserm Nutzen in der Hauptsache unsern Getreidebedarf selber? Im übrigen hängt, soweit das Kolonialland in Frage kommt, seine Nutzbarkeit nur noch von der Gunst der Weltverkehrslage und der Brauchbarkeit der Küste ab. Beides be¬ friedigt: wenn die langgedehnte Kiiste ini Vergleich zu andern schon blühenden Tropengebieten vielleicht an Zahl schöner Häfen zurücksteht, obschon sie deren, wie sich bei genauerer Besichtigung jetzt immer mehr herausstellt, eine anfangs durchaus verkannte stattliche Reihe aufweist, so hat sie vor vielen andern die größere Nähe Europas voraus. Nun liegt der oft erhobene Einwand nahe genug: Wenn das Land wirklich so einladend ist, warum haben es denn die bisherigen großen Seestaaten so gleichgiltig oder stiefmütterlich behandelt? Die Erklärungsgründe dafür sind aber nicht derart, daß sie die gegenwärtige koloniale Entwicklungsfähigkeit des Landes in Zweifel stellen. Vor der Einführung der Dampftechnik mußte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/365>, abgerufen am 04.07.2024.