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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Line Fahrt in den Grient.
von Adam von Lestenberg. (Fortsetzung.)
3. Line jDarade am Bosporus.

is eroberndes Volk, als ein Volk in Waffen sind die Türken in
die Geschichte eingetreten. Im Gegensatz zu derjenigen Lehre,
welche die Friedensbotschaft den Völkern der Erde verkündete,
predigt der Islam Krieg und Ausrottung der Ungläubigen, und
so lange dieser kriegerische Fanatismus vorhielt und die zusammen¬
geballte Macht der Khalifen dem zersplitterten Europa gegenüberstand, war der
Halbmond siegreich und stark. Auch heute noch wird an der alten Überlieferung,
wonach jeder Türke waffenpflichtig ist, festgehalten, aber der stolze Satz, welcher
diese Waffcnehre den ungläubigen Unterthanen der Pforte verweigerte, ist für
das Reich verhängnisvoll geworden. Einerseits verschlingt das Heer fast alle
Erträgnisse des Landes; neben den Palästen der Sultane und den Moscheen
des Propheten giebt es am goldnen Horn nur noch eine Art von Prachtbauten,
das sind die Kasernen. Da ist keine Budgetkommission, welche Abstriche
macht, und kein Parlament, welches die verschwenderischen Baupläne vereinfacht.
Wenn früher jeder Sultan eine Moschee baute, so hielt jeder der letzten Herrscher
es für nötig, mindestens eine neue Kaserne zu errichten, und obwohl gewiß kein
Mangel daran ist, so hat doch der jetzige Sultan beschlossen, in der Nähe seines
Palastes Jildis Kiosk wiederum eine Kaserne zu bauen. Anderseits erschöpft
aber die Armee auch den Menschenbestand. Mehr als zwanzig Prozent der
mohammedanischen Bevölkerung werden ausgehoben und so lange bei den Waffen
gehalten, als Not am Mann ist. Die Rekrutirung geschieht ohne System, je
nach dem Bedarf und durch das Loos, sodaß auch die einzige Stütze der Familie


Grenzboten IV. 1887. 44


Line Fahrt in den Grient.
von Adam von Lestenberg. (Fortsetzung.)
3. Line jDarade am Bosporus.

is eroberndes Volk, als ein Volk in Waffen sind die Türken in
die Geschichte eingetreten. Im Gegensatz zu derjenigen Lehre,
welche die Friedensbotschaft den Völkern der Erde verkündete,
predigt der Islam Krieg und Ausrottung der Ungläubigen, und
so lange dieser kriegerische Fanatismus vorhielt und die zusammen¬
geballte Macht der Khalifen dem zersplitterten Europa gegenüberstand, war der
Halbmond siegreich und stark. Auch heute noch wird an der alten Überlieferung,
wonach jeder Türke waffenpflichtig ist, festgehalten, aber der stolze Satz, welcher
diese Waffcnehre den ungläubigen Unterthanen der Pforte verweigerte, ist für
das Reich verhängnisvoll geworden. Einerseits verschlingt das Heer fast alle
Erträgnisse des Landes; neben den Palästen der Sultane und den Moscheen
des Propheten giebt es am goldnen Horn nur noch eine Art von Prachtbauten,
das sind die Kasernen. Da ist keine Budgetkommission, welche Abstriche
macht, und kein Parlament, welches die verschwenderischen Baupläne vereinfacht.
Wenn früher jeder Sultan eine Moschee baute, so hielt jeder der letzten Herrscher
es für nötig, mindestens eine neue Kaserne zu errichten, und obwohl gewiß kein
Mangel daran ist, so hat doch der jetzige Sultan beschlossen, in der Nähe seines
Palastes Jildis Kiosk wiederum eine Kaserne zu bauen. Anderseits erschöpft
aber die Armee auch den Menschenbestand. Mehr als zwanzig Prozent der
mohammedanischen Bevölkerung werden ausgehoben und so lange bei den Waffen
gehalten, als Not am Mann ist. Die Rekrutirung geschieht ohne System, je
nach dem Bedarf und durch das Loos, sodaß auch die einzige Stütze der Familie


Grenzboten IV. 1887. 44
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[0353] [Abbildung] Line Fahrt in den Grient. von Adam von Lestenberg. (Fortsetzung.) 3. Line jDarade am Bosporus. is eroberndes Volk, als ein Volk in Waffen sind die Türken in die Geschichte eingetreten. Im Gegensatz zu derjenigen Lehre, welche die Friedensbotschaft den Völkern der Erde verkündete, predigt der Islam Krieg und Ausrottung der Ungläubigen, und so lange dieser kriegerische Fanatismus vorhielt und die zusammen¬ geballte Macht der Khalifen dem zersplitterten Europa gegenüberstand, war der Halbmond siegreich und stark. Auch heute noch wird an der alten Überlieferung, wonach jeder Türke waffenpflichtig ist, festgehalten, aber der stolze Satz, welcher diese Waffcnehre den ungläubigen Unterthanen der Pforte verweigerte, ist für das Reich verhängnisvoll geworden. Einerseits verschlingt das Heer fast alle Erträgnisse des Landes; neben den Palästen der Sultane und den Moscheen des Propheten giebt es am goldnen Horn nur noch eine Art von Prachtbauten, das sind die Kasernen. Da ist keine Budgetkommission, welche Abstriche macht, und kein Parlament, welches die verschwenderischen Baupläne vereinfacht. Wenn früher jeder Sultan eine Moschee baute, so hielt jeder der letzten Herrscher es für nötig, mindestens eine neue Kaserne zu errichten, und obwohl gewiß kein Mangel daran ist, so hat doch der jetzige Sultan beschlossen, in der Nähe seines Palastes Jildis Kiosk wiederum eine Kaserne zu bauen. Anderseits erschöpft aber die Armee auch den Menschenbestand. Mehr als zwanzig Prozent der mohammedanischen Bevölkerung werden ausgehoben und so lange bei den Waffen gehalten, als Not am Mann ist. Die Rekrutirung geschieht ohne System, je nach dem Bedarf und durch das Loos, sodaß auch die einzige Stütze der Familie Grenzboten IV. 1887. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/353>, abgerufen am 22.07.2024.