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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Vas lvormser volkstheater.

noch nie in der Weltgeschichte. Das Leben, das ist die Antwort auf die ge¬
stellte Lebensfrage, ist gerettet, sobald wir, die Lebenden nur wollen und glauben,
und nimmt einen neuen Anlauf zu höheren Zielen als je, indem es weitere und
größere Kreise zieht als je, die von selbst zu einer Vertiefung des Lebens, auch
des Einzellebens in sich führen und zugleich zu einer Erhöhung in der Richtung
zum Ewigen, Göttlichen, die mit der Vertiefung von selbst gegeben wird. Das
muß der Verlauf der neuen großen Lebensbewegung sein, wie ihn Gott und
Natur zu lenken bereit stehen, wenn sich die Einzelnen ihr freudig, mutig und
gläubig hingeben. Aber auch aufzuräumen giebts mit altem Wust; helfe dazu
jeder, der weiß, was wahres Leben ist.




Das lvormser Volkstheater.
von Richard Löbell.

eit einigen Monaten berichten die Zeitungen von großen Plänen
und Besserungsbestrebungen auf dem Gebiete des deutschen
Theaters. Bestehende Bühnen sollen umgewandelt, neue gegründet
werden, und der leitende Gedanke spricht sich hie und da in der
Bezeichnung Volkstheater aus. So wird in Berlin der Schau¬
spieler Barnciy das Walhallatheater zu einem Volkstheater umschaffen. Ebenso
bereitet man in Wien unter der Leitung Franz von Schönthcms ein Volks¬
theater vor, für welches ein prächtiges Hans gebaut wird, und das kleinere
Worms hat in Fr. Schön, dem Veranstalter des Lutherfestspiels, einen begeisterten
und thatkräftigen Förderer desselben Zweckes gefunden. Was so allgemein sich zeigt
und in weit auseinander liegenden und verschieden gearteten Orten mit denselben
Einsichten und Absichten zu Tage tritt, muß gewissermaßen organisch notwendig
sein, und man könnte es mit der Hoffnung betrachten, welche über das ganze
Luid zu derselben Zeit blühende und schönere Tage verkündende Frühlings¬
blumen erwecken. Diese schönern Tage des deutschen Theaters sollen durch
Volkstümlichkeit und Stil der dramatischen Kunst herbeigeführt werden. Das
Streben nach diesem hohen und trotz Lessing, Schiller und H. von Kleist noch
nicht erreichten Ziele liegt allen angekündigten Reformen zu Grunde, mögen
Ernst, Tiefe und Aufrichtigkeit derselben und Einsicht bei der Ausführung auch
"icht überall gleich sein.

Jedenfalls verdienen solche Bestrebungen, wo immer sie auch auftreten,
unsre Teilnahme, und vorurteilslos müssen wir ihre Ergebnisse abwarten.


Vas lvormser volkstheater.

noch nie in der Weltgeschichte. Das Leben, das ist die Antwort auf die ge¬
stellte Lebensfrage, ist gerettet, sobald wir, die Lebenden nur wollen und glauben,
und nimmt einen neuen Anlauf zu höheren Zielen als je, indem es weitere und
größere Kreise zieht als je, die von selbst zu einer Vertiefung des Lebens, auch
des Einzellebens in sich führen und zugleich zu einer Erhöhung in der Richtung
zum Ewigen, Göttlichen, die mit der Vertiefung von selbst gegeben wird. Das
muß der Verlauf der neuen großen Lebensbewegung sein, wie ihn Gott und
Natur zu lenken bereit stehen, wenn sich die Einzelnen ihr freudig, mutig und
gläubig hingeben. Aber auch aufzuräumen giebts mit altem Wust; helfe dazu
jeder, der weiß, was wahres Leben ist.




Das lvormser Volkstheater.
von Richard Löbell.

eit einigen Monaten berichten die Zeitungen von großen Plänen
und Besserungsbestrebungen auf dem Gebiete des deutschen
Theaters. Bestehende Bühnen sollen umgewandelt, neue gegründet
werden, und der leitende Gedanke spricht sich hie und da in der
Bezeichnung Volkstheater aus. So wird in Berlin der Schau¬
spieler Barnciy das Walhallatheater zu einem Volkstheater umschaffen. Ebenso
bereitet man in Wien unter der Leitung Franz von Schönthcms ein Volks¬
theater vor, für welches ein prächtiges Hans gebaut wird, und das kleinere
Worms hat in Fr. Schön, dem Veranstalter des Lutherfestspiels, einen begeisterten
und thatkräftigen Förderer desselben Zweckes gefunden. Was so allgemein sich zeigt
und in weit auseinander liegenden und verschieden gearteten Orten mit denselben
Einsichten und Absichten zu Tage tritt, muß gewissermaßen organisch notwendig
sein, und man könnte es mit der Hoffnung betrachten, welche über das ganze
Luid zu derselben Zeit blühende und schönere Tage verkündende Frühlings¬
blumen erwecken. Diese schönern Tage des deutschen Theaters sollen durch
Volkstümlichkeit und Stil der dramatischen Kunst herbeigeführt werden. Das
Streben nach diesem hohen und trotz Lessing, Schiller und H. von Kleist noch
nicht erreichten Ziele liegt allen angekündigten Reformen zu Grunde, mögen
Ernst, Tiefe und Aufrichtigkeit derselben und Einsicht bei der Ausführung auch
"icht überall gleich sein.

Jedenfalls verdienen solche Bestrebungen, wo immer sie auch auftreten,
unsre Teilnahme, und vorurteilslos müssen wir ihre Ergebnisse abwarten.


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[0339] Vas lvormser volkstheater. noch nie in der Weltgeschichte. Das Leben, das ist die Antwort auf die ge¬ stellte Lebensfrage, ist gerettet, sobald wir, die Lebenden nur wollen und glauben, und nimmt einen neuen Anlauf zu höheren Zielen als je, indem es weitere und größere Kreise zieht als je, die von selbst zu einer Vertiefung des Lebens, auch des Einzellebens in sich führen und zugleich zu einer Erhöhung in der Richtung zum Ewigen, Göttlichen, die mit der Vertiefung von selbst gegeben wird. Das muß der Verlauf der neuen großen Lebensbewegung sein, wie ihn Gott und Natur zu lenken bereit stehen, wenn sich die Einzelnen ihr freudig, mutig und gläubig hingeben. Aber auch aufzuräumen giebts mit altem Wust; helfe dazu jeder, der weiß, was wahres Leben ist. Das lvormser Volkstheater. von Richard Löbell. eit einigen Monaten berichten die Zeitungen von großen Plänen und Besserungsbestrebungen auf dem Gebiete des deutschen Theaters. Bestehende Bühnen sollen umgewandelt, neue gegründet werden, und der leitende Gedanke spricht sich hie und da in der Bezeichnung Volkstheater aus. So wird in Berlin der Schau¬ spieler Barnciy das Walhallatheater zu einem Volkstheater umschaffen. Ebenso bereitet man in Wien unter der Leitung Franz von Schönthcms ein Volks¬ theater vor, für welches ein prächtiges Hans gebaut wird, und das kleinere Worms hat in Fr. Schön, dem Veranstalter des Lutherfestspiels, einen begeisterten und thatkräftigen Förderer desselben Zweckes gefunden. Was so allgemein sich zeigt und in weit auseinander liegenden und verschieden gearteten Orten mit denselben Einsichten und Absichten zu Tage tritt, muß gewissermaßen organisch notwendig sein, und man könnte es mit der Hoffnung betrachten, welche über das ganze Luid zu derselben Zeit blühende und schönere Tage verkündende Frühlings¬ blumen erwecken. Diese schönern Tage des deutschen Theaters sollen durch Volkstümlichkeit und Stil der dramatischen Kunst herbeigeführt werden. Das Streben nach diesem hohen und trotz Lessing, Schiller und H. von Kleist noch nicht erreichten Ziele liegt allen angekündigten Reformen zu Grunde, mögen Ernst, Tiefe und Aufrichtigkeit derselben und Einsicht bei der Ausführung auch "icht überall gleich sein. Jedenfalls verdienen solche Bestrebungen, wo immer sie auch auftreten, unsre Teilnahme, und vorurteilslos müssen wir ihre Ergebnisse abwarten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/339>, abgerufen am 22.07.2024.