Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Neue Dramen.

für solche Abenteuer, müsse für näherliegende Staatsbedürfnisse sorgen. Förm¬
lich erzürnt scheidet er von der fest auf ihrem Entschluß beharrenden Königin.
Nun will sie aus ihren eignen kastilischen Einkünften des Kolumbus Schiffe aus¬
rüsten. Diesem wird eben, nachdem er willens gewesen war, ganz aus der Welt
zu scheiden, dieser Umschlag in seinem Schicksal von der Königin selbst mitge¬
teilt. Und anstatt, wie ein Höfling erwartete, zunächst ihr zu danken, sinkt er
vom Gefühl bewältigt in die Kniee und betet:


O Gott, mein Gott, mir stammeln kann ich dir;
Und du doch Hast's gethan, du halfest mir,
Verwarfst mich nicht, so sehr ich das verdient,
So sehr beleidigt dich mein feiges Herz.
Vergieb mir, was ich that, was ich gedacht,
O Gott, mein Gott, wie soll ich danken dir,
Für das, was du mir schenkst in deiner Gnade --

eine tief ergreifende Szene. "Mir ists, als wär' ich süßen Weines voll!" sagt
er beim Abgehen.

So weit hat es Columbus gebracht: die Menschen glauben an seine Sache.
Da treten neue Verzögerungen und Schwierigkeiten auf, die teils von ihm selber
verursacht, teils in der allgemeinen menschlichen Natur begründet sind. Der
Lohn, den er für den Fall des Erfolges seiner Fahrt in Anspruch genommen
hat -- er will Vizekönig des zu entdeckenden Laudes sein, sein Sohn Diego
soll mit allen Nachkommen des Geschlechtes den Granden des Reiches gleich¬
gestellt werden --, hat die Königin Jsabella so sehr erschreckt, daß sie nnn fast
verzagt und bedauert, ohne Zustimmung des Gatten gehandelt zu haben. Zu
ihrem Kleinmut kommt die sich unmittelbar vor der großen That einstellende
Mutlosigkeit der Matrosen, die sich zur Fahrt bereit erklärt haben. Der König
giebt, als echter Realpolitiker, der inzwischen wieder versöhnten Königin den
Rat, sich hinter die Matrosen zu stecken, um so den ganzen Plan satten zu
lassen. Doch dazu ist sie zu edel: Columbus selbst soll sich uoch vor ihren
Augen als der Berufene bewähren, der Herr ist über den Willen der Menge.
Ju einer dramatisch bewegten Szene stimmt er dieselben Matrosen, die mit dem
Rufe: Nieder mit Columbus! eingedrungen siud, völlig um, sie wollen nun
mit ihm alle Gefahr teilen, wenn er sie nicht weiter als fünfhundert Meilen
ins Meer hinaus führe. Von diesem politischen Knnststücklein ist nun auch
Ferdinand selbst für Columbus gewonnen, und dieser zieht mit den Segens¬
wünschen aller in die unbekannte Weite. Aber nach fünfhundert Meilen ist uoch
immer kein Land sichtbar. Sie sind schon weiter: siebenhundert Meilen, Co¬
lumbus hat es seinen Leuten verborgen. Diese aber haben den Mut verloren, sie
mentem, wollen heimkehren, sie haben den Admiral auf eiuer Lüge ertappt
und das Vertrauen zu ihm verloren, sie wollen ihn töten -- da ruft der Ma¬
trose vom Mastkorb: "Land! Land!", und der Ruf berührt sie wie ein sicht-


Neue Dramen.

für solche Abenteuer, müsse für näherliegende Staatsbedürfnisse sorgen. Förm¬
lich erzürnt scheidet er von der fest auf ihrem Entschluß beharrenden Königin.
Nun will sie aus ihren eignen kastilischen Einkünften des Kolumbus Schiffe aus¬
rüsten. Diesem wird eben, nachdem er willens gewesen war, ganz aus der Welt
zu scheiden, dieser Umschlag in seinem Schicksal von der Königin selbst mitge¬
teilt. Und anstatt, wie ein Höfling erwartete, zunächst ihr zu danken, sinkt er
vom Gefühl bewältigt in die Kniee und betet:


O Gott, mein Gott, mir stammeln kann ich dir;
Und du doch Hast's gethan, du halfest mir,
Verwarfst mich nicht, so sehr ich das verdient,
So sehr beleidigt dich mein feiges Herz.
Vergieb mir, was ich that, was ich gedacht,
O Gott, mein Gott, wie soll ich danken dir,
Für das, was du mir schenkst in deiner Gnade —

eine tief ergreifende Szene. „Mir ists, als wär' ich süßen Weines voll!" sagt
er beim Abgehen.

So weit hat es Columbus gebracht: die Menschen glauben an seine Sache.
Da treten neue Verzögerungen und Schwierigkeiten auf, die teils von ihm selber
verursacht, teils in der allgemeinen menschlichen Natur begründet sind. Der
Lohn, den er für den Fall des Erfolges seiner Fahrt in Anspruch genommen
hat — er will Vizekönig des zu entdeckenden Laudes sein, sein Sohn Diego
soll mit allen Nachkommen des Geschlechtes den Granden des Reiches gleich¬
gestellt werden —, hat die Königin Jsabella so sehr erschreckt, daß sie nnn fast
verzagt und bedauert, ohne Zustimmung des Gatten gehandelt zu haben. Zu
ihrem Kleinmut kommt die sich unmittelbar vor der großen That einstellende
Mutlosigkeit der Matrosen, die sich zur Fahrt bereit erklärt haben. Der König
giebt, als echter Realpolitiker, der inzwischen wieder versöhnten Königin den
Rat, sich hinter die Matrosen zu stecken, um so den ganzen Plan satten zu
lassen. Doch dazu ist sie zu edel: Columbus selbst soll sich uoch vor ihren
Augen als der Berufene bewähren, der Herr ist über den Willen der Menge.
Ju einer dramatisch bewegten Szene stimmt er dieselben Matrosen, die mit dem
Rufe: Nieder mit Columbus! eingedrungen siud, völlig um, sie wollen nun
mit ihm alle Gefahr teilen, wenn er sie nicht weiter als fünfhundert Meilen
ins Meer hinaus führe. Von diesem politischen Knnststücklein ist nun auch
Ferdinand selbst für Columbus gewonnen, und dieser zieht mit den Segens¬
wünschen aller in die unbekannte Weite. Aber nach fünfhundert Meilen ist uoch
immer kein Land sichtbar. Sie sind schon weiter: siebenhundert Meilen, Co¬
lumbus hat es seinen Leuten verborgen. Diese aber haben den Mut verloren, sie
mentem, wollen heimkehren, sie haben den Admiral auf eiuer Lüge ertappt
und das Vertrauen zu ihm verloren, sie wollen ihn töten — da ruft der Ma¬
trose vom Mastkorb: „Land! Land!", und der Ruf berührt sie wie ein sicht-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201709"/>
          <fw type="header" place="top"> Neue Dramen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_655" prev="#ID_654"> für solche Abenteuer, müsse für näherliegende Staatsbedürfnisse sorgen. Förm¬<lb/>
lich erzürnt scheidet er von der fest auf ihrem Entschluß beharrenden Königin.<lb/>
Nun will sie aus ihren eignen kastilischen Einkünften des Kolumbus Schiffe aus¬<lb/>
rüsten. Diesem wird eben, nachdem er willens gewesen war, ganz aus der Welt<lb/>
zu scheiden, dieser Umschlag in seinem Schicksal von der Königin selbst mitge¬<lb/>
teilt. Und anstatt, wie ein Höfling erwartete, zunächst ihr zu danken, sinkt er<lb/>
vom Gefühl bewältigt in die Kniee und betet:</p><lb/>
          <quote> O Gott, mein Gott, mir stammeln kann ich dir;<lb/>
Und du doch Hast's gethan, du halfest mir,<lb/>
Verwarfst mich nicht, so sehr ich das verdient,<lb/>
So sehr beleidigt dich mein feiges Herz.<lb/>
Vergieb mir, was ich that, was ich gedacht,<lb/>
O Gott, mein Gott, wie soll ich danken dir,<lb/>
Für das, was du mir schenkst in deiner Gnade &#x2014;</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_656"> eine tief ergreifende Szene. &#x201E;Mir ists, als wär' ich süßen Weines voll!" sagt<lb/>
er beim Abgehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_657" next="#ID_658"> So weit hat es Columbus gebracht: die Menschen glauben an seine Sache.<lb/>
Da treten neue Verzögerungen und Schwierigkeiten auf, die teils von ihm selber<lb/>
verursacht, teils in der allgemeinen menschlichen Natur begründet sind. Der<lb/>
Lohn, den er für den Fall des Erfolges seiner Fahrt in Anspruch genommen<lb/>
hat &#x2014; er will Vizekönig des zu entdeckenden Laudes sein, sein Sohn Diego<lb/>
soll mit allen Nachkommen des Geschlechtes den Granden des Reiches gleich¬<lb/>
gestellt werden &#x2014;, hat die Königin Jsabella so sehr erschreckt, daß sie nnn fast<lb/>
verzagt und bedauert, ohne Zustimmung des Gatten gehandelt zu haben. Zu<lb/>
ihrem Kleinmut kommt die sich unmittelbar vor der großen That einstellende<lb/>
Mutlosigkeit der Matrosen, die sich zur Fahrt bereit erklärt haben. Der König<lb/>
giebt, als echter Realpolitiker, der inzwischen wieder versöhnten Königin den<lb/>
Rat, sich hinter die Matrosen zu stecken, um so den ganzen Plan satten zu<lb/>
lassen. Doch dazu ist sie zu edel: Columbus selbst soll sich uoch vor ihren<lb/>
Augen als der Berufene bewähren, der Herr ist über den Willen der Menge.<lb/>
Ju einer dramatisch bewegten Szene stimmt er dieselben Matrosen, die mit dem<lb/>
Rufe: Nieder mit Columbus! eingedrungen siud, völlig um, sie wollen nun<lb/>
mit ihm alle Gefahr teilen, wenn er sie nicht weiter als fünfhundert Meilen<lb/>
ins Meer hinaus führe. Von diesem politischen Knnststücklein ist nun auch<lb/>
Ferdinand selbst für Columbus gewonnen, und dieser zieht mit den Segens¬<lb/>
wünschen aller in die unbekannte Weite. Aber nach fünfhundert Meilen ist uoch<lb/>
immer kein Land sichtbar. Sie sind schon weiter: siebenhundert Meilen, Co¬<lb/>
lumbus hat es seinen Leuten verborgen. Diese aber haben den Mut verloren, sie<lb/>
mentem, wollen heimkehren, sie haben den Admiral auf eiuer Lüge ertappt<lb/>
und das Vertrauen zu ihm verloren, sie wollen ihn töten &#x2014; da ruft der Ma¬<lb/>
trose vom Mastkorb: &#x201E;Land! Land!", und der Ruf berührt sie wie ein sicht-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0280] Neue Dramen. für solche Abenteuer, müsse für näherliegende Staatsbedürfnisse sorgen. Förm¬ lich erzürnt scheidet er von der fest auf ihrem Entschluß beharrenden Königin. Nun will sie aus ihren eignen kastilischen Einkünften des Kolumbus Schiffe aus¬ rüsten. Diesem wird eben, nachdem er willens gewesen war, ganz aus der Welt zu scheiden, dieser Umschlag in seinem Schicksal von der Königin selbst mitge¬ teilt. Und anstatt, wie ein Höfling erwartete, zunächst ihr zu danken, sinkt er vom Gefühl bewältigt in die Kniee und betet: O Gott, mein Gott, mir stammeln kann ich dir; Und du doch Hast's gethan, du halfest mir, Verwarfst mich nicht, so sehr ich das verdient, So sehr beleidigt dich mein feiges Herz. Vergieb mir, was ich that, was ich gedacht, O Gott, mein Gott, wie soll ich danken dir, Für das, was du mir schenkst in deiner Gnade — eine tief ergreifende Szene. „Mir ists, als wär' ich süßen Weines voll!" sagt er beim Abgehen. So weit hat es Columbus gebracht: die Menschen glauben an seine Sache. Da treten neue Verzögerungen und Schwierigkeiten auf, die teils von ihm selber verursacht, teils in der allgemeinen menschlichen Natur begründet sind. Der Lohn, den er für den Fall des Erfolges seiner Fahrt in Anspruch genommen hat — er will Vizekönig des zu entdeckenden Laudes sein, sein Sohn Diego soll mit allen Nachkommen des Geschlechtes den Granden des Reiches gleich¬ gestellt werden —, hat die Königin Jsabella so sehr erschreckt, daß sie nnn fast verzagt und bedauert, ohne Zustimmung des Gatten gehandelt zu haben. Zu ihrem Kleinmut kommt die sich unmittelbar vor der großen That einstellende Mutlosigkeit der Matrosen, die sich zur Fahrt bereit erklärt haben. Der König giebt, als echter Realpolitiker, der inzwischen wieder versöhnten Königin den Rat, sich hinter die Matrosen zu stecken, um so den ganzen Plan satten zu lassen. Doch dazu ist sie zu edel: Columbus selbst soll sich uoch vor ihren Augen als der Berufene bewähren, der Herr ist über den Willen der Menge. Ju einer dramatisch bewegten Szene stimmt er dieselben Matrosen, die mit dem Rufe: Nieder mit Columbus! eingedrungen siud, völlig um, sie wollen nun mit ihm alle Gefahr teilen, wenn er sie nicht weiter als fünfhundert Meilen ins Meer hinaus führe. Von diesem politischen Knnststücklein ist nun auch Ferdinand selbst für Columbus gewonnen, und dieser zieht mit den Segens¬ wünschen aller in die unbekannte Weite. Aber nach fünfhundert Meilen ist uoch immer kein Land sichtbar. Sie sind schon weiter: siebenhundert Meilen, Co¬ lumbus hat es seinen Leuten verborgen. Diese aber haben den Mut verloren, sie mentem, wollen heimkehren, sie haben den Admiral auf eiuer Lüge ertappt und das Vertrauen zu ihm verloren, sie wollen ihn töten — da ruft der Ma¬ trose vom Mastkorb: „Land! Land!", und der Ruf berührt sie wie ein sicht-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/280
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/280>, abgerufen am 22.07.2024.