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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Neue Dramen.

Und bitterlich sich schämen. Jetzt mich beugen,
Daß Recht behielte diese falsche Welt?
Und hetzt sie mich mit Hunden in den Tod,
Beim Himmel, Recht behalten soll sie nicht.

Dieser unbeugsame Starrsinn, dieser unbändige Stolz, dieses Hochgefühl und
klare Bewußtsein von dem Werte seines Unternehmens gehören auch zum Charakter
des Entdeckers. Denn ohne diesen Starrsinn ließe er sich durch den Wider¬
spruch der Menschen von seinem Plane abbringen, ohne dieses klare Bewußtsein
wäre er eben nur der blinde, ans den Zufall bauende Goldmacher. Und noch
ein Zug unterscheidet einen Columbus von einem Spekulanten. Wie dieser den
Geldbeutel für alle Fälle zu sich steckt, ob nun seine Idee Aufnahme findet
oder nicht, ein Columbus hingegen mit seiner Idee steht und sällt, so sagt der
Goldmacher:


Ja ja! Wir haben Grund, die Welt zu hassen!


Columbus:

Wer darf sie hassen, da sie Gott geliebt!

(Columbus nickt schwermütig.)
Greis:

Du liebst sie?

Freund, laß dir die Wahrheit sagen:
Du bist ein Narr, ganz gründlich bist du toll.

Columbus:

Ein alter Mann mit einem Jünglingshcrzen,
Verliebt in eine Welt, die ihn verschmäht --
Ja, das ist toll!.


Und indes der Goldmacher hingeht, seinem Magen einen Festtag zu bereiten,
bricht Columbus im Schmerz über die erfahrene Ablehnung seiner Pläne ver¬
zweifelt zusammen. Diese seine Schwermut steigert sich (bis in die Mitte des
dritten Aktes, wo der Umschlag eintritt) in einer Weise, daß er an Selbstmord
denkt und sich beinahe mit seinem Sohne Diego in dasselbe Meer gestürzt hätte,
dessen Zauber ihn, den alten Seemann, ganz in Banden hält. Diese Szene
ist von großer Poesie. Aber da geschieht das große Wunder: das Weib mit
seinem nachempfindenden Enthusiasmus, seinem Instinkt tritt ins Spiel. Der
Königin Isabella hat bei jener Audienz der graue Genueser sehr wohl gefallen:
sie hält ihn nicht wie Ferdinand für einen Phantasten, sie ist von seiner Ehrlich¬
keit überzeugt, und jedenfalls hält sie eines solchen Mannes Ideen für bedeutend
genug, daß für sie etwas gewagt werde. Und nun kommen noch die Versicherungen
der fachmännischer Seeleute hinzu, daß Columbus zweifellos im Rechte sei. daß
alle, die die See kennen, überzeugt seien, es müsse drüben festes Land zu finden
sein -- freilich: das Testament solle schon der kühne Mann machen, der hinüber
fahren wolle. Auch die alten Freunde des Columbus wirken mit, und so ge¬
langt Jsabella zu dem Entschlüsse, ihm die nötigen Schiffe zu verschaffen. Nun
aber gilt es, den Widerstand des geliebten und geachteten königlichen Gemahls
zu überwinden. Jsabella erinnert den Widerstrebenden, daß ihr Rat, wenn auch
der eines Weibes, sich oft als vorteilhaft bewährt habe, freilich habe sie ihn
mit Küssen überreden müssen. Doch Ferdinand bleibt kalt, er habe kein Geld


Neue Dramen.

Und bitterlich sich schämen. Jetzt mich beugen,
Daß Recht behielte diese falsche Welt?
Und hetzt sie mich mit Hunden in den Tod,
Beim Himmel, Recht behalten soll sie nicht.

Dieser unbeugsame Starrsinn, dieser unbändige Stolz, dieses Hochgefühl und
klare Bewußtsein von dem Werte seines Unternehmens gehören auch zum Charakter
des Entdeckers. Denn ohne diesen Starrsinn ließe er sich durch den Wider¬
spruch der Menschen von seinem Plane abbringen, ohne dieses klare Bewußtsein
wäre er eben nur der blinde, ans den Zufall bauende Goldmacher. Und noch
ein Zug unterscheidet einen Columbus von einem Spekulanten. Wie dieser den
Geldbeutel für alle Fälle zu sich steckt, ob nun seine Idee Aufnahme findet
oder nicht, ein Columbus hingegen mit seiner Idee steht und sällt, so sagt der
Goldmacher:


Ja ja! Wir haben Grund, die Welt zu hassen!


Columbus:

Wer darf sie hassen, da sie Gott geliebt!

(Columbus nickt schwermütig.)
Greis:

Du liebst sie?

Freund, laß dir die Wahrheit sagen:
Du bist ein Narr, ganz gründlich bist du toll.

Columbus:

Ein alter Mann mit einem Jünglingshcrzen,
Verliebt in eine Welt, die ihn verschmäht —
Ja, das ist toll!.


Und indes der Goldmacher hingeht, seinem Magen einen Festtag zu bereiten,
bricht Columbus im Schmerz über die erfahrene Ablehnung seiner Pläne ver¬
zweifelt zusammen. Diese seine Schwermut steigert sich (bis in die Mitte des
dritten Aktes, wo der Umschlag eintritt) in einer Weise, daß er an Selbstmord
denkt und sich beinahe mit seinem Sohne Diego in dasselbe Meer gestürzt hätte,
dessen Zauber ihn, den alten Seemann, ganz in Banden hält. Diese Szene
ist von großer Poesie. Aber da geschieht das große Wunder: das Weib mit
seinem nachempfindenden Enthusiasmus, seinem Instinkt tritt ins Spiel. Der
Königin Isabella hat bei jener Audienz der graue Genueser sehr wohl gefallen:
sie hält ihn nicht wie Ferdinand für einen Phantasten, sie ist von seiner Ehrlich¬
keit überzeugt, und jedenfalls hält sie eines solchen Mannes Ideen für bedeutend
genug, daß für sie etwas gewagt werde. Und nun kommen noch die Versicherungen
der fachmännischer Seeleute hinzu, daß Columbus zweifellos im Rechte sei. daß
alle, die die See kennen, überzeugt seien, es müsse drüben festes Land zu finden
sein — freilich: das Testament solle schon der kühne Mann machen, der hinüber
fahren wolle. Auch die alten Freunde des Columbus wirken mit, und so ge¬
langt Jsabella zu dem Entschlüsse, ihm die nötigen Schiffe zu verschaffen. Nun
aber gilt es, den Widerstand des geliebten und geachteten königlichen Gemahls
zu überwinden. Jsabella erinnert den Widerstrebenden, daß ihr Rat, wenn auch
der eines Weibes, sich oft als vorteilhaft bewährt habe, freilich habe sie ihn
mit Küssen überreden müssen. Doch Ferdinand bleibt kalt, er habe kein Geld


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[0279] Neue Dramen. Und bitterlich sich schämen. Jetzt mich beugen, Daß Recht behielte diese falsche Welt? Und hetzt sie mich mit Hunden in den Tod, Beim Himmel, Recht behalten soll sie nicht. Dieser unbeugsame Starrsinn, dieser unbändige Stolz, dieses Hochgefühl und klare Bewußtsein von dem Werte seines Unternehmens gehören auch zum Charakter des Entdeckers. Denn ohne diesen Starrsinn ließe er sich durch den Wider¬ spruch der Menschen von seinem Plane abbringen, ohne dieses klare Bewußtsein wäre er eben nur der blinde, ans den Zufall bauende Goldmacher. Und noch ein Zug unterscheidet einen Columbus von einem Spekulanten. Wie dieser den Geldbeutel für alle Fälle zu sich steckt, ob nun seine Idee Aufnahme findet oder nicht, ein Columbus hingegen mit seiner Idee steht und sällt, so sagt der Goldmacher: Ja ja! Wir haben Grund, die Welt zu hassen! Columbus: Wer darf sie hassen, da sie Gott geliebt! (Columbus nickt schwermütig.) Greis: Du liebst sie? Freund, laß dir die Wahrheit sagen: Du bist ein Narr, ganz gründlich bist du toll. Columbus: Ein alter Mann mit einem Jünglingshcrzen, Verliebt in eine Welt, die ihn verschmäht — Ja, das ist toll!. Und indes der Goldmacher hingeht, seinem Magen einen Festtag zu bereiten, bricht Columbus im Schmerz über die erfahrene Ablehnung seiner Pläne ver¬ zweifelt zusammen. Diese seine Schwermut steigert sich (bis in die Mitte des dritten Aktes, wo der Umschlag eintritt) in einer Weise, daß er an Selbstmord denkt und sich beinahe mit seinem Sohne Diego in dasselbe Meer gestürzt hätte, dessen Zauber ihn, den alten Seemann, ganz in Banden hält. Diese Szene ist von großer Poesie. Aber da geschieht das große Wunder: das Weib mit seinem nachempfindenden Enthusiasmus, seinem Instinkt tritt ins Spiel. Der Königin Isabella hat bei jener Audienz der graue Genueser sehr wohl gefallen: sie hält ihn nicht wie Ferdinand für einen Phantasten, sie ist von seiner Ehrlich¬ keit überzeugt, und jedenfalls hält sie eines solchen Mannes Ideen für bedeutend genug, daß für sie etwas gewagt werde. Und nun kommen noch die Versicherungen der fachmännischer Seeleute hinzu, daß Columbus zweifellos im Rechte sei. daß alle, die die See kennen, überzeugt seien, es müsse drüben festes Land zu finden sein — freilich: das Testament solle schon der kühne Mann machen, der hinüber fahren wolle. Auch die alten Freunde des Columbus wirken mit, und so ge¬ langt Jsabella zu dem Entschlüsse, ihm die nötigen Schiffe zu verschaffen. Nun aber gilt es, den Widerstand des geliebten und geachteten königlichen Gemahls zu überwinden. Jsabella erinnert den Widerstrebenden, daß ihr Rat, wenn auch der eines Weibes, sich oft als vorteilhaft bewährt habe, freilich habe sie ihn mit Küssen überreden müssen. Doch Ferdinand bleibt kalt, er habe kein Geld

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/279>, abgerufen am 22.07.2024.