Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Herren so einfältig, dort in Tonking Gold zu vermuten, sie gedachten es vielmehr
unter Vorspiegelung solcher Vermutung aus den Tcischeu leichtgläubiger Fran¬
zosen zu locken, d, h. mit einer Gründung, deren Aktien erst durch allerlei
Manöver emporgetrieben werden sollten, um zuletzt, nachdem die Gründer ihren
Gewinn eingeheimst hatten, zu wertlosen Papieren zu werden. Mit viel Pomp und
Getöse wurde eine Kommission von Ingenieuren eingesetzt, um diese und andre
Konzessionen zu regeln, deren Wert man von einer feilen Presse mit allerhand
Fabelei rühmen ließ. Ein Beispiel war die Müuchhauscnicide, welche der "Ju¬
dependant," ein Journal Ferrhs, damals dem Publikum als Köder vorhielt,
und in welcher es von Tvnking hieß: "Dort ist ein solcher Überfluß an Gold,
daß man in manchen Gegenden Enten nur deshalb aufzieht, weil sie einen kost¬
baren Guano liefern, indem sie in den Bächen schwimmend und tauchend un¬
aufhörlich Gvldtornchcn verschlucken." Ganz anders lautete das Urteil Naoul-
Duvals, der einem Zeituugsbcrichterstatter, der ihn über die Sache befragte,
die Antwort erteilte: "Der wirkliche Ertrag dieser Konzessionen zum Bergbau
wird der sein, daß das Geld ans den Taschen vertrauensseliger Aktionäre in
die der Konzessionäre abfließen wird. Andre Erträge giebt es nicht, weil in
dem von unsern Truppen besetzten Delta des Noten Flusses keine Bergwerke
sind und über diese Linie hinausgehen den Kopf riskiren heißt. Berge mit
Erzen befinden sich nur in den Waldregionen an der chinesischen Grenze, und
Gold in erwünschter Menge giebt es nur auf den Karten des Herrn Dupuis;
was aber die übrigen Metalle betrifft, so gehört eine ungewöhnliche Unkenntnis
des Handels mit ihnen dazu, sich einzubilden, daß die Bergwerke Tonkings, so
reich ihre Adern auch sein mögen, mit Nutzen für uns auszubeuten seien.
Noch nie ist Eisen, Kupfer und Blei so billig gewesen als jetzt." Der Krieg
in Tonking wurde also zwar nicht allein, wohl aber wesentlich für die schwindel-
hafter Zwecke einer Gesellschaft von einflußreichen Börsenmännern unternommen,
zu denen Kammermitglieder und Verwandte des Ministerpräsidenten gehörten.
Er kostete dem Staate ein paar hundert Millionen Franken und wenigstens
:Z0 000 Soldaten, und seine Mißerfolge fegten Fcrry vom Ruder weg, nachdem
vorher das "große Ministerium" Gambettas. vorzüglich weil es mit einer von
seinen Absichten gegen Rothschildsche Interessen verstoßen hatte, zusammen¬
gebrochen war. Auch das Ministerium Brisson, welches dem Ferryschen folgte,
hielt sich nur kurze Zeit und starb ebenfalls an der Tonkingschen Krankheit,
die hier aber, wie bei den andern Ministcrwechseln vorher, nnr zu dem alten
Siechtume trat, welches in der fieberhaften Begier der Kammerparteicn nach
Miuisterstellcn und andern Staatsposten einträglicher und einflußreicher Art
seine Hauptursache hatte, und welches auch Freycinet, den Nachfolger Vrissons,
nicht lange an der Regierung ließ, da seine feierliche Beschwörung in der
Botschaft Grevys selbstverständlich ohne Erfolg war. Der Präsident hatte in
dieser Ansprache die Hoffnung ausgesprochen, das Parlament werde, wie Frank-


Herren so einfältig, dort in Tonking Gold zu vermuten, sie gedachten es vielmehr
unter Vorspiegelung solcher Vermutung aus den Tcischeu leichtgläubiger Fran¬
zosen zu locken, d, h. mit einer Gründung, deren Aktien erst durch allerlei
Manöver emporgetrieben werden sollten, um zuletzt, nachdem die Gründer ihren
Gewinn eingeheimst hatten, zu wertlosen Papieren zu werden. Mit viel Pomp und
Getöse wurde eine Kommission von Ingenieuren eingesetzt, um diese und andre
Konzessionen zu regeln, deren Wert man von einer feilen Presse mit allerhand
Fabelei rühmen ließ. Ein Beispiel war die Müuchhauscnicide, welche der „Ju¬
dependant," ein Journal Ferrhs, damals dem Publikum als Köder vorhielt,
und in welcher es von Tvnking hieß: „Dort ist ein solcher Überfluß an Gold,
daß man in manchen Gegenden Enten nur deshalb aufzieht, weil sie einen kost¬
baren Guano liefern, indem sie in den Bächen schwimmend und tauchend un¬
aufhörlich Gvldtornchcn verschlucken." Ganz anders lautete das Urteil Naoul-
Duvals, der einem Zeituugsbcrichterstatter, der ihn über die Sache befragte,
die Antwort erteilte: „Der wirkliche Ertrag dieser Konzessionen zum Bergbau
wird der sein, daß das Geld ans den Taschen vertrauensseliger Aktionäre in
die der Konzessionäre abfließen wird. Andre Erträge giebt es nicht, weil in
dem von unsern Truppen besetzten Delta des Noten Flusses keine Bergwerke
sind und über diese Linie hinausgehen den Kopf riskiren heißt. Berge mit
Erzen befinden sich nur in den Waldregionen an der chinesischen Grenze, und
Gold in erwünschter Menge giebt es nur auf den Karten des Herrn Dupuis;
was aber die übrigen Metalle betrifft, so gehört eine ungewöhnliche Unkenntnis
des Handels mit ihnen dazu, sich einzubilden, daß die Bergwerke Tonkings, so
reich ihre Adern auch sein mögen, mit Nutzen für uns auszubeuten seien.
Noch nie ist Eisen, Kupfer und Blei so billig gewesen als jetzt." Der Krieg
in Tonking wurde also zwar nicht allein, wohl aber wesentlich für die schwindel-
hafter Zwecke einer Gesellschaft von einflußreichen Börsenmännern unternommen,
zu denen Kammermitglieder und Verwandte des Ministerpräsidenten gehörten.
Er kostete dem Staate ein paar hundert Millionen Franken und wenigstens
:Z0 000 Soldaten, und seine Mißerfolge fegten Fcrry vom Ruder weg, nachdem
vorher das „große Ministerium" Gambettas. vorzüglich weil es mit einer von
seinen Absichten gegen Rothschildsche Interessen verstoßen hatte, zusammen¬
gebrochen war. Auch das Ministerium Brisson, welches dem Ferryschen folgte,
hielt sich nur kurze Zeit und starb ebenfalls an der Tonkingschen Krankheit,
die hier aber, wie bei den andern Ministcrwechseln vorher, nnr zu dem alten
Siechtume trat, welches in der fieberhaften Begier der Kammerparteicn nach
Miuisterstellcn und andern Staatsposten einträglicher und einflußreicher Art
seine Hauptursache hatte, und welches auch Freycinet, den Nachfolger Vrissons,
nicht lange an der Regierung ließ, da seine feierliche Beschwörung in der
Botschaft Grevys selbstverständlich ohne Erfolg war. Der Präsident hatte in
dieser Ansprache die Hoffnung ausgesprochen, das Parlament werde, wie Frank-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201691"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_606" prev="#ID_605" next="#ID_607"> Herren so einfältig, dort in Tonking Gold zu vermuten, sie gedachten es vielmehr<lb/>
unter Vorspiegelung solcher Vermutung aus den Tcischeu leichtgläubiger Fran¬<lb/>
zosen zu locken, d, h. mit einer Gründung, deren Aktien erst durch allerlei<lb/>
Manöver emporgetrieben werden sollten, um zuletzt, nachdem die Gründer ihren<lb/>
Gewinn eingeheimst hatten, zu wertlosen Papieren zu werden. Mit viel Pomp und<lb/>
Getöse wurde eine Kommission von Ingenieuren eingesetzt, um diese und andre<lb/>
Konzessionen zu regeln, deren Wert man von einer feilen Presse mit allerhand<lb/>
Fabelei rühmen ließ. Ein Beispiel war die Müuchhauscnicide, welche der &#x201E;Ju¬<lb/>
dependant," ein Journal Ferrhs, damals dem Publikum als Köder vorhielt,<lb/>
und in welcher es von Tvnking hieß: &#x201E;Dort ist ein solcher Überfluß an Gold,<lb/>
daß man in manchen Gegenden Enten nur deshalb aufzieht, weil sie einen kost¬<lb/>
baren Guano liefern, indem sie in den Bächen schwimmend und tauchend un¬<lb/>
aufhörlich Gvldtornchcn verschlucken." Ganz anders lautete das Urteil Naoul-<lb/>
Duvals, der einem Zeituugsbcrichterstatter, der ihn über die Sache befragte,<lb/>
die Antwort erteilte: &#x201E;Der wirkliche Ertrag dieser Konzessionen zum Bergbau<lb/>
wird der sein, daß das Geld ans den Taschen vertrauensseliger Aktionäre in<lb/>
die der Konzessionäre abfließen wird. Andre Erträge giebt es nicht, weil in<lb/>
dem von unsern Truppen besetzten Delta des Noten Flusses keine Bergwerke<lb/>
sind und über diese Linie hinausgehen den Kopf riskiren heißt. Berge mit<lb/>
Erzen befinden sich nur in den Waldregionen an der chinesischen Grenze, und<lb/>
Gold in erwünschter Menge giebt es nur auf den Karten des Herrn Dupuis;<lb/>
was aber die übrigen Metalle betrifft, so gehört eine ungewöhnliche Unkenntnis<lb/>
des Handels mit ihnen dazu, sich einzubilden, daß die Bergwerke Tonkings, so<lb/>
reich ihre Adern auch sein mögen, mit Nutzen für uns auszubeuten seien.<lb/>
Noch nie ist Eisen, Kupfer und Blei so billig gewesen als jetzt." Der Krieg<lb/>
in Tonking wurde also zwar nicht allein, wohl aber wesentlich für die schwindel-<lb/>
hafter Zwecke einer Gesellschaft von einflußreichen Börsenmännern unternommen,<lb/>
zu denen Kammermitglieder und Verwandte des Ministerpräsidenten gehörten.<lb/>
Er kostete dem Staate ein paar hundert Millionen Franken und wenigstens<lb/>
:Z0 000 Soldaten, und seine Mißerfolge fegten Fcrry vom Ruder weg, nachdem<lb/>
vorher das &#x201E;große Ministerium" Gambettas. vorzüglich weil es mit einer von<lb/>
seinen Absichten gegen Rothschildsche Interessen verstoßen hatte, zusammen¬<lb/>
gebrochen war. Auch das Ministerium Brisson, welches dem Ferryschen folgte,<lb/>
hielt sich nur kurze Zeit und starb ebenfalls an der Tonkingschen Krankheit,<lb/>
die hier aber, wie bei den andern Ministcrwechseln vorher, nnr zu dem alten<lb/>
Siechtume trat, welches in der fieberhaften Begier der Kammerparteicn nach<lb/>
Miuisterstellcn und andern Staatsposten einträglicher und einflußreicher Art<lb/>
seine Hauptursache hatte, und welches auch Freycinet, den Nachfolger Vrissons,<lb/>
nicht lange an der Regierung ließ, da seine feierliche Beschwörung in der<lb/>
Botschaft Grevys selbstverständlich ohne Erfolg war. Der Präsident hatte in<lb/>
dieser Ansprache die Hoffnung ausgesprochen, das Parlament werde, wie Frank-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0262] Herren so einfältig, dort in Tonking Gold zu vermuten, sie gedachten es vielmehr unter Vorspiegelung solcher Vermutung aus den Tcischeu leichtgläubiger Fran¬ zosen zu locken, d, h. mit einer Gründung, deren Aktien erst durch allerlei Manöver emporgetrieben werden sollten, um zuletzt, nachdem die Gründer ihren Gewinn eingeheimst hatten, zu wertlosen Papieren zu werden. Mit viel Pomp und Getöse wurde eine Kommission von Ingenieuren eingesetzt, um diese und andre Konzessionen zu regeln, deren Wert man von einer feilen Presse mit allerhand Fabelei rühmen ließ. Ein Beispiel war die Müuchhauscnicide, welche der „Ju¬ dependant," ein Journal Ferrhs, damals dem Publikum als Köder vorhielt, und in welcher es von Tvnking hieß: „Dort ist ein solcher Überfluß an Gold, daß man in manchen Gegenden Enten nur deshalb aufzieht, weil sie einen kost¬ baren Guano liefern, indem sie in den Bächen schwimmend und tauchend un¬ aufhörlich Gvldtornchcn verschlucken." Ganz anders lautete das Urteil Naoul- Duvals, der einem Zeituugsbcrichterstatter, der ihn über die Sache befragte, die Antwort erteilte: „Der wirkliche Ertrag dieser Konzessionen zum Bergbau wird der sein, daß das Geld ans den Taschen vertrauensseliger Aktionäre in die der Konzessionäre abfließen wird. Andre Erträge giebt es nicht, weil in dem von unsern Truppen besetzten Delta des Noten Flusses keine Bergwerke sind und über diese Linie hinausgehen den Kopf riskiren heißt. Berge mit Erzen befinden sich nur in den Waldregionen an der chinesischen Grenze, und Gold in erwünschter Menge giebt es nur auf den Karten des Herrn Dupuis; was aber die übrigen Metalle betrifft, so gehört eine ungewöhnliche Unkenntnis des Handels mit ihnen dazu, sich einzubilden, daß die Bergwerke Tonkings, so reich ihre Adern auch sein mögen, mit Nutzen für uns auszubeuten seien. Noch nie ist Eisen, Kupfer und Blei so billig gewesen als jetzt." Der Krieg in Tonking wurde also zwar nicht allein, wohl aber wesentlich für die schwindel- hafter Zwecke einer Gesellschaft von einflußreichen Börsenmännern unternommen, zu denen Kammermitglieder und Verwandte des Ministerpräsidenten gehörten. Er kostete dem Staate ein paar hundert Millionen Franken und wenigstens :Z0 000 Soldaten, und seine Mißerfolge fegten Fcrry vom Ruder weg, nachdem vorher das „große Ministerium" Gambettas. vorzüglich weil es mit einer von seinen Absichten gegen Rothschildsche Interessen verstoßen hatte, zusammen¬ gebrochen war. Auch das Ministerium Brisson, welches dem Ferryschen folgte, hielt sich nur kurze Zeit und starb ebenfalls an der Tonkingschen Krankheit, die hier aber, wie bei den andern Ministcrwechseln vorher, nnr zu dem alten Siechtume trat, welches in der fieberhaften Begier der Kammerparteicn nach Miuisterstellcn und andern Staatsposten einträglicher und einflußreicher Art seine Hauptursache hatte, und welches auch Freycinet, den Nachfolger Vrissons, nicht lange an der Regierung ließ, da seine feierliche Beschwörung in der Botschaft Grevys selbstverständlich ohne Erfolg war. Der Präsident hatte in dieser Ansprache die Hoffnung ausgesprochen, das Parlament werde, wie Frank-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/262
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/262>, abgerufen am 22.07.2024.