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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Naquet, letzterer mit Rothschildschem Gelde, dabei leisteten, der öffentliche Zank
zwischen den Biedermännern Floquet und Cambon, der darüber entbrannte, daß
einer den andern um seinen Anteil an der Wucherbeute gebracht oder ihm nicht genug
davon abgegeben hatte, werden unvergessen sein. Ein andrer Parlamentsheld,
Charles Ferry, der Bruder des bekannten Exministers, einst ein armer Schlucker,
jetzt zwanzigfachcr Millionär, mußte vor der Entrüstung seiner Wähler über fnnle
Geschäfte, die er betrieben hatte, dem öffentlichen Leben entsagen und treibt jetzt
nur noch Geldhandel, wie Levy Cremieux, der eigentliche Handelsminister des
Opportunismus, der mehrere Jahre hindurch ungeheure Gewinnste einstrich.
Im Einverständnis mit Chalemel-Lacour, einem andern Juden, der später
Frankreichs Botschafter am englischen Hofe war, eröffnete er in der I>'eyn>,U,,ne'
?rkmyg.is<z den großen Baissefeldzug gegen die tunesische Anleihe, der rin einem
Krach endigte; doch war der eigentliche Vvrbereiter des letztern Rothschild,
welcher sich dabei der Unterstützung von Mitgliedern der Negierung erfreute.

Die französisch-ägyptische Bank ist eine jener kolossalen Maschinen, mit
welchen der französische Zweig der goldnen Internationale die Welt auszubeuten
bemüht ist. Sie macht in allerhand, in französischen Brauereien und Waffen-
fabriken, in Konstantinopolitanische" Wasserwerken, in Unterstützung der National-
bank zu Mexiko und in ägyptischen Fellahiu, die sie dadurch zu Grunde richtet,
daß sie ihnen Darlehen aufdringen läßt, die sie am Verfalltage nicht einlösen
können. Das alles ist jedoch bei ihr nur Nebensache. Ihr großes Geschäft
sind die Syndikate, der Börsenwucher und die im Einvernehmen mit der Re¬
gierung in Szene gesetzten Gründcruntcrnehmungen. Eine solche verband sie
mit der Expedition nach Tonking. Zu derselben lag eigentlich kein rechter Be¬
weggrund vor. Nur für Völker, die an Meuschenübcrfluß leiden, ist eine
Kolonialpolitik Bedürfnis. Frankreich ist nicht übervölkert, und seine Auswande¬
rung ist verhältnismäßig gering. Es braucht eher Arbeitskräfte, als daß es
solche abgeben kann. In dem gesunden und naheliegenden Algerien weist das
europäische Element weit mehr Spanier, Italiener und Malteser auf als Fran¬
zosen. Der Handelsumsatz zwischen Frankreich und Südamerika beträgt 920,
der zwischen Frankreich und Algerien nur 306 Millionen Franken. Tonking ist
weit entlegen und sehr ungesund, und seine Bewohner zählen zu den ärmsten
von ganz Asien. Es eignet sich weder für den Handel noch für die Landwirt¬
schaft. "Ich bestreite, daß irgend ein Franzose sich je in Tonking so viel er¬
werben kann, als ihm die Reise dahin kostet," sagte Admiral Duperre, der das
Land als früherer Gouverneur von Cochinchina kannte. Und Alcide Bleton, der
es im Auftrage des Ministers der Marine und der Kolonien bereist und unter¬
sucht hatte, berichtete, er habe hier nichts ermitteln können, was sich zur Ein-
oder Ausfuhr eignen würde. "Aber die Ehre Frankreichs, sein Ausehen, seine
Fahne!" riefen die Herren Levysohn und Tontu in der Deputirtenkammer aus.
"Die Ehre über alles, die Fahne darf nicht zurückweichen, und kostete es uns


Naquet, letzterer mit Rothschildschem Gelde, dabei leisteten, der öffentliche Zank
zwischen den Biedermännern Floquet und Cambon, der darüber entbrannte, daß
einer den andern um seinen Anteil an der Wucherbeute gebracht oder ihm nicht genug
davon abgegeben hatte, werden unvergessen sein. Ein andrer Parlamentsheld,
Charles Ferry, der Bruder des bekannten Exministers, einst ein armer Schlucker,
jetzt zwanzigfachcr Millionär, mußte vor der Entrüstung seiner Wähler über fnnle
Geschäfte, die er betrieben hatte, dem öffentlichen Leben entsagen und treibt jetzt
nur noch Geldhandel, wie Levy Cremieux, der eigentliche Handelsminister des
Opportunismus, der mehrere Jahre hindurch ungeheure Gewinnste einstrich.
Im Einverständnis mit Chalemel-Lacour, einem andern Juden, der später
Frankreichs Botschafter am englischen Hofe war, eröffnete er in der I>'eyn>,U,,ne'
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Krach endigte; doch war der eigentliche Vvrbereiter des letztern Rothschild,
welcher sich dabei der Unterstützung von Mitgliedern der Negierung erfreute.

Die französisch-ägyptische Bank ist eine jener kolossalen Maschinen, mit
welchen der französische Zweig der goldnen Internationale die Welt auszubeuten
bemüht ist. Sie macht in allerhand, in französischen Brauereien und Waffen-
fabriken, in Konstantinopolitanische» Wasserwerken, in Unterstützung der National-
bank zu Mexiko und in ägyptischen Fellahiu, die sie dadurch zu Grunde richtet,
daß sie ihnen Darlehen aufdringen läßt, die sie am Verfalltage nicht einlösen
können. Das alles ist jedoch bei ihr nur Nebensache. Ihr großes Geschäft
sind die Syndikate, der Börsenwucher und die im Einvernehmen mit der Re¬
gierung in Szene gesetzten Gründcruntcrnehmungen. Eine solche verband sie
mit der Expedition nach Tonking. Zu derselben lag eigentlich kein rechter Be¬
weggrund vor. Nur für Völker, die an Meuschenübcrfluß leiden, ist eine
Kolonialpolitik Bedürfnis. Frankreich ist nicht übervölkert, und seine Auswande¬
rung ist verhältnismäßig gering. Es braucht eher Arbeitskräfte, als daß es
solche abgeben kann. In dem gesunden und naheliegenden Algerien weist das
europäische Element weit mehr Spanier, Italiener und Malteser auf als Fran¬
zosen. Der Handelsumsatz zwischen Frankreich und Südamerika beträgt 920,
der zwischen Frankreich und Algerien nur 306 Millionen Franken. Tonking ist
weit entlegen und sehr ungesund, und seine Bewohner zählen zu den ärmsten
von ganz Asien. Es eignet sich weder für den Handel noch für die Landwirt¬
schaft. „Ich bestreite, daß irgend ein Franzose sich je in Tonking so viel er¬
werben kann, als ihm die Reise dahin kostet," sagte Admiral Duperre, der das
Land als früherer Gouverneur von Cochinchina kannte. Und Alcide Bleton, der
es im Auftrage des Ministers der Marine und der Kolonien bereist und unter¬
sucht hatte, berichtete, er habe hier nichts ermitteln können, was sich zur Ein-
oder Ausfuhr eignen würde. „Aber die Ehre Frankreichs, sein Ausehen, seine
Fahne!" riefen die Herren Levysohn und Tontu in der Deputirtenkammer aus.
„Die Ehre über alles, die Fahne darf nicht zurückweichen, und kostete es uns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/260>, abgerufen am 22.07.2024.