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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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oder wenn es heißt, daß das im Kupferbade befindliche Eisen den Panzer des
Mars ablege und sich mit dem Kleide der Venus schmücke, so könnte man ver¬
sucht sein, hinter dem angewendeten Bilde eine Ahnung der Wahrheit zu ver¬
muten, aber mit Unrecht; es lag die Überzeugung einer wirklichen Metall-
verwandlnng vor: alle Metalle waren nur aus Sulphur und Merkurius
zusammengesetzt, und die verschiednen Körper galten nur als mit verschiednen
Eigenschaften bekleidet. Wurden die einen Adepten durch die ins maßloße ge¬
steigerten Versprechungen eines Lullus angespornt, so mögen andre wieder durch
die bescheidenen Worte eines oft angeführten Alchemisten (Basilius Valentinus)
sympathisch und tröstlich berührt worden sein: "Ich war der Anfänger und
hatte große Mühe gehabt, ehe ich etwas gelernet und profitirt. Wirst du nun
fleißig meine Schriften lesen, so wirst du aus meinen Parabeln der zwölf
Schlüssel die primum, niÄtgrmin. . . merken zu finden." Im zweiten Viertel
des sechzehnten Jahrhunderts lenkte der große Paracelsus die Chemie in andre
Bahnen, er setzte ihr hauptsächlich die Herstellung und Wirkungsweise von
Arzeneien zum Ziel. Er stellte sich vielfach in Gegensatz zu der bisher allein
giltigen Lehre (nach ihm bestehen alle Körper aus drei Grundstoffen: Sulphur,
Merkurius und Seil), aber weder er, noch seine Anhänger verzichteten auf den
Ruf, sich auf die Goldmacherei zu verstehen. Zwar sagt er: "Viel haben sich
der Alchimey geenßcrt, sagen es mach Silber und Gold: so ist doch solches
hie nicht das fürncmmen, sondern allein die bereitung zu tractiren, was tugend
und krefft in der Arzney sey"; aber dennoch fanden sich von nun an gerade
unter seiner Fahne die Alchemisten zusammen. Paracelsus gab auch selbst
mannichfache Belehrungen bezüglich einer ganzen Reihe von Metallvcrwaud-
lnngen, leider sind die wichtigsten Vorschriften wieder verzweifelt undeutlich.
Diesem Geheimthun scheint jedoch die reine Menschenfreundlichkeit zu Grunde
zu liegen: "So es nicht wider Gott wer -- sagt Paracelsus also mein
ichs, daß nit ein jeglicher soll Reich seyn, denn Gott weiß wol, warumb er der
Geyß den Schwantz nit zu lang gelassen hat: So wer da manchem mit kurtzem
wortteu wol zu heissen. Aber dieweil Neichthumb den Armen verfürt, nimpt
ihm Demütigkeit und die Zucht, verwandlet ihn in Hoffart und Übermutt, und
macht auß ihm ein Scharfs Schermesser, ist besser geschwiegen nud sie Arm
bleiben lassen."

Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts begegnen wir den ersten deut¬
lichen Regungen einer zweifelnden Kritik. Sala erkannte und sprach es aus,
daß denn Verweilen von Eisen im Kupferbade nicht etwa Kupfer aus dem
Eisen entsteht, sondern nur aus der dieses Kupfer bereits enthaltenden Flüssigkeit
niedergeschlagen wird. Aber die Zweifel richteten sich weniger gegen das Prinzip
als gegen die Methoden. So versicherte der bedeutende van Helmont wieder,
die Metallveredlnng auf eine eigne Weise selbst ausgeführt zu huben. Und
wenn der um die wissenschaftliche Chemie verdiente Glanber (im Anfang des


Grenzboten IV. 1387. 28

oder wenn es heißt, daß das im Kupferbade befindliche Eisen den Panzer des
Mars ablege und sich mit dem Kleide der Venus schmücke, so könnte man ver¬
sucht sein, hinter dem angewendeten Bilde eine Ahnung der Wahrheit zu ver¬
muten, aber mit Unrecht; es lag die Überzeugung einer wirklichen Metall-
verwandlnng vor: alle Metalle waren nur aus Sulphur und Merkurius
zusammengesetzt, und die verschiednen Körper galten nur als mit verschiednen
Eigenschaften bekleidet. Wurden die einen Adepten durch die ins maßloße ge¬
steigerten Versprechungen eines Lullus angespornt, so mögen andre wieder durch
die bescheidenen Worte eines oft angeführten Alchemisten (Basilius Valentinus)
sympathisch und tröstlich berührt worden sein: „Ich war der Anfänger und
hatte große Mühe gehabt, ehe ich etwas gelernet und profitirt. Wirst du nun
fleißig meine Schriften lesen, so wirst du aus meinen Parabeln der zwölf
Schlüssel die primum, niÄtgrmin. . . merken zu finden." Im zweiten Viertel
des sechzehnten Jahrhunderts lenkte der große Paracelsus die Chemie in andre
Bahnen, er setzte ihr hauptsächlich die Herstellung und Wirkungsweise von
Arzeneien zum Ziel. Er stellte sich vielfach in Gegensatz zu der bisher allein
giltigen Lehre (nach ihm bestehen alle Körper aus drei Grundstoffen: Sulphur,
Merkurius und Seil), aber weder er, noch seine Anhänger verzichteten auf den
Ruf, sich auf die Goldmacherei zu verstehen. Zwar sagt er: „Viel haben sich
der Alchimey geenßcrt, sagen es mach Silber und Gold: so ist doch solches
hie nicht das fürncmmen, sondern allein die bereitung zu tractiren, was tugend
und krefft in der Arzney sey"; aber dennoch fanden sich von nun an gerade
unter seiner Fahne die Alchemisten zusammen. Paracelsus gab auch selbst
mannichfache Belehrungen bezüglich einer ganzen Reihe von Metallvcrwaud-
lnngen, leider sind die wichtigsten Vorschriften wieder verzweifelt undeutlich.
Diesem Geheimthun scheint jedoch die reine Menschenfreundlichkeit zu Grunde
zu liegen: „So es nicht wider Gott wer — sagt Paracelsus also mein
ichs, daß nit ein jeglicher soll Reich seyn, denn Gott weiß wol, warumb er der
Geyß den Schwantz nit zu lang gelassen hat: So wer da manchem mit kurtzem
wortteu wol zu heissen. Aber dieweil Neichthumb den Armen verfürt, nimpt
ihm Demütigkeit und die Zucht, verwandlet ihn in Hoffart und Übermutt, und
macht auß ihm ein Scharfs Schermesser, ist besser geschwiegen nud sie Arm
bleiben lassen."

Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts begegnen wir den ersten deut¬
lichen Regungen einer zweifelnden Kritik. Sala erkannte und sprach es aus,
daß denn Verweilen von Eisen im Kupferbade nicht etwa Kupfer aus dem
Eisen entsteht, sondern nur aus der dieses Kupfer bereits enthaltenden Flüssigkeit
niedergeschlagen wird. Aber die Zweifel richteten sich weniger gegen das Prinzip
als gegen die Methoden. So versicherte der bedeutende van Helmont wieder,
die Metallveredlnng auf eine eigne Weise selbst ausgeführt zu huben. Und
wenn der um die wissenschaftliche Chemie verdiente Glanber (im Anfang des


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[0225] oder wenn es heißt, daß das im Kupferbade befindliche Eisen den Panzer des Mars ablege und sich mit dem Kleide der Venus schmücke, so könnte man ver¬ sucht sein, hinter dem angewendeten Bilde eine Ahnung der Wahrheit zu ver¬ muten, aber mit Unrecht; es lag die Überzeugung einer wirklichen Metall- verwandlnng vor: alle Metalle waren nur aus Sulphur und Merkurius zusammengesetzt, und die verschiednen Körper galten nur als mit verschiednen Eigenschaften bekleidet. Wurden die einen Adepten durch die ins maßloße ge¬ steigerten Versprechungen eines Lullus angespornt, so mögen andre wieder durch die bescheidenen Worte eines oft angeführten Alchemisten (Basilius Valentinus) sympathisch und tröstlich berührt worden sein: „Ich war der Anfänger und hatte große Mühe gehabt, ehe ich etwas gelernet und profitirt. Wirst du nun fleißig meine Schriften lesen, so wirst du aus meinen Parabeln der zwölf Schlüssel die primum, niÄtgrmin. . . merken zu finden." Im zweiten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts lenkte der große Paracelsus die Chemie in andre Bahnen, er setzte ihr hauptsächlich die Herstellung und Wirkungsweise von Arzeneien zum Ziel. Er stellte sich vielfach in Gegensatz zu der bisher allein giltigen Lehre (nach ihm bestehen alle Körper aus drei Grundstoffen: Sulphur, Merkurius und Seil), aber weder er, noch seine Anhänger verzichteten auf den Ruf, sich auf die Goldmacherei zu verstehen. Zwar sagt er: „Viel haben sich der Alchimey geenßcrt, sagen es mach Silber und Gold: so ist doch solches hie nicht das fürncmmen, sondern allein die bereitung zu tractiren, was tugend und krefft in der Arzney sey"; aber dennoch fanden sich von nun an gerade unter seiner Fahne die Alchemisten zusammen. Paracelsus gab auch selbst mannichfache Belehrungen bezüglich einer ganzen Reihe von Metallvcrwaud- lnngen, leider sind die wichtigsten Vorschriften wieder verzweifelt undeutlich. Diesem Geheimthun scheint jedoch die reine Menschenfreundlichkeit zu Grunde zu liegen: „So es nicht wider Gott wer — sagt Paracelsus also mein ichs, daß nit ein jeglicher soll Reich seyn, denn Gott weiß wol, warumb er der Geyß den Schwantz nit zu lang gelassen hat: So wer da manchem mit kurtzem wortteu wol zu heissen. Aber dieweil Neichthumb den Armen verfürt, nimpt ihm Demütigkeit und die Zucht, verwandlet ihn in Hoffart und Übermutt, und macht auß ihm ein Scharfs Schermesser, ist besser geschwiegen nud sie Arm bleiben lassen." Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts begegnen wir den ersten deut¬ lichen Regungen einer zweifelnden Kritik. Sala erkannte und sprach es aus, daß denn Verweilen von Eisen im Kupferbade nicht etwa Kupfer aus dem Eisen entsteht, sondern nur aus der dieses Kupfer bereits enthaltenden Flüssigkeit niedergeschlagen wird. Aber die Zweifel richteten sich weniger gegen das Prinzip als gegen die Methoden. So versicherte der bedeutende van Helmont wieder, die Metallveredlnng auf eine eigne Weise selbst ausgeführt zu huben. Und wenn der um die wissenschaftliche Chemie verdiente Glanber (im Anfang des Grenzboten IV. 1387. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/225>, abgerufen am 25.08.2024.