Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Überproduktion, Aufgabe der Produktion darin besteht, dem menschlichen Bedürfnis zu genügen, Überproduktion, Aufgabe der Produktion darin besteht, dem menschlichen Bedürfnis zu genügen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201450"/> <fw type="header" place="top"> Überproduktion,</fw><lb/> <p xml:id="ID_31" prev="#ID_30" next="#ID_32"> Aufgabe der Produktion darin besteht, dem menschlichen Bedürfnis zu genügen,<lb/> und daß diese Aufgabe nicht mehr erfüllt wird, wenn die großen Massen. welche<lb/> stets die Hauptkonsumeuten der Massenartikel bleiben werden, acht mehr im¬<lb/> stande sind, diejenigen Gegenstände zu bezahlen, deren sie bedürfe,,. Diese<lb/> Art der Produktiv,, bewährt sich ans die Länge nicht, weil durch sie das Gle.ch-<lb/> Mvicht zwischen Produktion und Konsumtion gestört wird. Die wirtschaftlichen<lb/> Übelstände, unter denen wir leiden, bestehen der Hauptsache nach lediglich hierin.<lb/> Die großen Kulturstaaten Europas haben jetzt seit siebzehn Jahren Frieden, und<lb/> nichts hat ihre Bevölkerungen gehindert, zu produziren und den Reichtum zu<lb/> vermehren. Es ist überall ein Überfluß an Kräften und Waaren vorhanden,<lb/> wie man ihn früher nicht gekannt hat. Die Befürchtung von Malthus.<lb/> daß die Bevölkerung rascher wachsen möchte, als die Mittel zu ihrer Ernährung,<lb/> hat sich nicht verwirklicht; trotz riesiger Zunahme der Menschenzahl fehlt es<lb/> nirgends an dem notwendigen; nicht Mangel oder Tcnrnug drückt d,e Lander,<lb/> sondern der Überfluß von Gebrauchsgegenständen. die nicht an den Manu<lb/> zu bringen sind, und niedrige Preise trete» vielfach als ein von den Produ¬<lb/> zenten schmerzlich empfundenes Übel auf. Aber nicht nur alle Waare,, sind<lb/> in mehr als genügender Menge vorhanden, auch an Kapital ist ein so großer<lb/> Überfluß, daß der' Zinsfuß in ganz Enropa erheblich heruntergegangen ist. Es<lb/> fehlt an Verwendung für das Kapital, weil die bereits vorhandenen Prvdnktwns-<lb/> nnttel vollständig genügen, um zu erzeugen, was die Menschheit bedarf, d. h,<lb/> bezahlen kann Öder möchte man wohl Kapitalien aufwenden, um neue Kohlen¬<lb/> gruben oder Eisenhütten anzulegen. Zuckerfabriken zu bauen oder landwirt¬<lb/> schaftliche Verbesserungen ius Leben zu rufen? Haben wir mahl durch d,c<lb/> jetzigen Anstalten schon Kohle. Eisen. Zucker und Korn genug? Aber das<lb/> Kapital ist einmal da und es muß irgeud eine Verwendung finden, um einen<lb/> Ertrag zu geben. Denn unbeschäftigtes Kapital bringt keine Zinsen. Es w,rd<lb/> also irgendeine Anlage gesucht, bei welcher auf Absatz des Prodnzlrteu ge¬<lb/> rechnet werden kann und da die Rentabilität in der Regel von der Große der<lb/> Anlage abhängt, so geht das Streben dahin, die Anlage möglichst groß zu<lb/> machen. Sind dann die übrigen Vorbedingungen günstig und kaun die Anlage<lb/> billiger als andre produziren,' so wird der nötige Absatzlwohl gefunden. Ältere<lb/> Anlagen, welche unter weniger günstigen Bedingungen arbeiten, gehen alsdann<lb/> zu Grunde und müssen das Feld räumen. Dabei wird zwar Kapital zerstört<lb/> und Arbeitskraft frei. Aber der Nutzen der menschlichen Gesellschaft war bei<lb/> dem ganzen Unternehmen überhaupt nicht maßgebend, sondern lediglich das Be¬<lb/> dürfnis der Kapitalisten. Kapital nutzbringend anzulegen. Bekanntlich sind<lb/> Milliarden deutschen Kapitals in ausländischen Staatspapieren augelegt. Sie<lb/> haben in diesem Falle in der Regel der Produktion nicht gedient, sondern sind<lb/> in unproduktiver Weise für Kriege, Rüstungen ze. aufgewandt worden. Man<lb/> denke sich, daß diese Milliarde», anstatt ins Ausland zu gehen, im Inlande in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
Überproduktion,
Aufgabe der Produktion darin besteht, dem menschlichen Bedürfnis zu genügen,
und daß diese Aufgabe nicht mehr erfüllt wird, wenn die großen Massen. welche
stets die Hauptkonsumeuten der Massenartikel bleiben werden, acht mehr im¬
stande sind, diejenigen Gegenstände zu bezahlen, deren sie bedürfe,,. Diese
Art der Produktiv,, bewährt sich ans die Länge nicht, weil durch sie das Gle.ch-
Mvicht zwischen Produktion und Konsumtion gestört wird. Die wirtschaftlichen
Übelstände, unter denen wir leiden, bestehen der Hauptsache nach lediglich hierin.
Die großen Kulturstaaten Europas haben jetzt seit siebzehn Jahren Frieden, und
nichts hat ihre Bevölkerungen gehindert, zu produziren und den Reichtum zu
vermehren. Es ist überall ein Überfluß an Kräften und Waaren vorhanden,
wie man ihn früher nicht gekannt hat. Die Befürchtung von Malthus.
daß die Bevölkerung rascher wachsen möchte, als die Mittel zu ihrer Ernährung,
hat sich nicht verwirklicht; trotz riesiger Zunahme der Menschenzahl fehlt es
nirgends an dem notwendigen; nicht Mangel oder Tcnrnug drückt d,e Lander,
sondern der Überfluß von Gebrauchsgegenständen. die nicht an den Manu
zu bringen sind, und niedrige Preise trete» vielfach als ein von den Produ¬
zenten schmerzlich empfundenes Übel auf. Aber nicht nur alle Waare,, sind
in mehr als genügender Menge vorhanden, auch an Kapital ist ein so großer
Überfluß, daß der' Zinsfuß in ganz Enropa erheblich heruntergegangen ist. Es
fehlt an Verwendung für das Kapital, weil die bereits vorhandenen Prvdnktwns-
nnttel vollständig genügen, um zu erzeugen, was die Menschheit bedarf, d. h,
bezahlen kann Öder möchte man wohl Kapitalien aufwenden, um neue Kohlen¬
gruben oder Eisenhütten anzulegen. Zuckerfabriken zu bauen oder landwirt¬
schaftliche Verbesserungen ius Leben zu rufen? Haben wir mahl durch d,c
jetzigen Anstalten schon Kohle. Eisen. Zucker und Korn genug? Aber das
Kapital ist einmal da und es muß irgeud eine Verwendung finden, um einen
Ertrag zu geben. Denn unbeschäftigtes Kapital bringt keine Zinsen. Es w,rd
also irgendeine Anlage gesucht, bei welcher auf Absatz des Prodnzlrteu ge¬
rechnet werden kann und da die Rentabilität in der Regel von der Große der
Anlage abhängt, so geht das Streben dahin, die Anlage möglichst groß zu
machen. Sind dann die übrigen Vorbedingungen günstig und kaun die Anlage
billiger als andre produziren,' so wird der nötige Absatzlwohl gefunden. Ältere
Anlagen, welche unter weniger günstigen Bedingungen arbeiten, gehen alsdann
zu Grunde und müssen das Feld räumen. Dabei wird zwar Kapital zerstört
und Arbeitskraft frei. Aber der Nutzen der menschlichen Gesellschaft war bei
dem ganzen Unternehmen überhaupt nicht maßgebend, sondern lediglich das Be¬
dürfnis der Kapitalisten. Kapital nutzbringend anzulegen. Bekanntlich sind
Milliarden deutschen Kapitals in ausländischen Staatspapieren augelegt. Sie
haben in diesem Falle in der Regel der Produktion nicht gedient, sondern sind
in unproduktiver Weise für Kriege, Rüstungen ze. aufgewandt worden. Man
denke sich, daß diese Milliarde», anstatt ins Ausland zu gehen, im Inlande in
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