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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Überproduktion,

sitzen, diese Gebrauchsgegenstände kaufen können. Wenn sie es dennoch unter¬
lasse", so liegt der Grund darin, daß sie keinen Bedarf dafür haben. Es deckt
sich also "icht Bedarf und Kanfkraft. Die eben genannten Personen haben
d>und die Waaren, die sie besitzen, wohl die Kanfkraft. aber sie haben acht das
Bedürfnis, zu kaufen; denjenigen aber, die von den Waaren Gebrauch machen
könnten, fehlt die Kanfkraft. die Möglichkeit, die Waaren zu erwerben. Es
sind wohl alle Produzenten auch Konfmueuten. aber darum sind Produzenten
und Konsumenten doch nicht Größen, welche sich decken. Man kann nicht sagen:
diejenigen, welche Kleiderstoffe verfertigen, werden mit diesen Stoffen den Weizen
kaufen, welchen die Landwirte erzeugen, und die Landleute werden und dem
Weizen die Kleiderstoffe erwerben. Gewiß werden die Leinen- und Baumwvlleu-
verfertiger von den Landwirte" Weizen laufen und die Landwirte von ersteren
Kleiderstoffe: aber ob sie alles laufe", was angeboten wird, ist doch sehr fraglich.
Es hangt das nicht von den, Bedarf ab, sondern vo" der Kanfkraft, "ut auch
nicht von der Kaufkraft der gesamten Klasse", sondern der Einzelnen. Die
Spinner "ut Weber möchten vielleicht viel Weizen fiir sich und ihre Familien
unser. aber ihre Mittel siud beschränkt. und sie können daher ihren Bedarf
nicht völlig befriedigen. Die Fabrikanten aber befinden sich zwar in der Lage,
viel mehr'Weizen z" kaufen. als sie und ihren Familien verzehren, sie unter¬
lassen es aber, weil kein Bedürfnis dafür vorhanden ist. Ebenso kaufen die
Tagelöhner auf dem Lande nur so viel Kleiderstoffe, als sie bezahlen können.
U'ögen ihre Binder auch noch so dürstig bekleidet sein. Der Gutsbesitzer da¬
gegen kauft so viel Kleiderstoffe, als er mit den Seinigen braucht, bei >h>n
bildet das Bedürfnis die Grenze. Wie man sieht, decken sich also Bedürfnis
""d Kanfkraft durchaus nicht. Es kommt bei der Überprodnktio" nicht darauf
a". ob uoch viel Bedarf unbefriedigt ist; Überproduktion ist vorhanden, wenn
die Kaufkraft der 5consnmente" nicht ausreicht, um das Erzeugte zu erwerben
und zu verbrauche,,.

Woher kommt es un" aber, daß die Kaufkraft mit der Produktion nicht
gleichen Schritt hält? Darin hat Sah ja völlig Recht, wenn er behauptet.
daß dnrch die Produktion die Mittel gewonnen "'erden, das Prodnzirte oder
on, dem Prodnzirlen zu taufen. Mau sollte daher einnehmen. daß auch die
Kaufkraft in dem Maße zunehmen müßte, als die Produktion sich erweitert.
Je mehr Zucker die Fabrikanten mit den Rübenbanern und den beim Rüben¬
bau beschäftigten Arbeitern hervorbringen, desto mehr müßten sie in der Lage
sei", andre Erzeugnisse "ut Fabrikate zu erwerben. Wir sehen aber, daß dies
keineswegs der Fall ist. Durch das Übermaß der Produktion ist ihre Lage
nicht verbessert, sondern zurückgegangen, ihre Kanfkraft andern Bedürfnissen
gegenüber ist gesunken.

Die Produktion soll dem Bedürfnis dienen, eine Produktion, die keinem
Bedürfnis dient, ist wertlos, mithin auch die Produktion, welche über das Be-


Überproduktion,

sitzen, diese Gebrauchsgegenstände kaufen können. Wenn sie es dennoch unter¬
lasse», so liegt der Grund darin, daß sie keinen Bedarf dafür haben. Es deckt
sich also „icht Bedarf und Kanfkraft. Die eben genannten Personen haben
d>und die Waaren, die sie besitzen, wohl die Kanfkraft. aber sie haben acht das
Bedürfnis, zu kaufen; denjenigen aber, die von den Waaren Gebrauch machen
könnten, fehlt die Kanfkraft. die Möglichkeit, die Waaren zu erwerben. Es
sind wohl alle Produzenten auch Konfmueuten. aber darum sind Produzenten
und Konsumenten doch nicht Größen, welche sich decken. Man kann nicht sagen:
diejenigen, welche Kleiderstoffe verfertigen, werden mit diesen Stoffen den Weizen
kaufen, welchen die Landwirte erzeugen, und die Landleute werden und dem
Weizen die Kleiderstoffe erwerben. Gewiß werden die Leinen- und Baumwvlleu-
verfertiger von den Landwirte» Weizen laufen und die Landwirte von ersteren
Kleiderstoffe: aber ob sie alles laufe», was angeboten wird, ist doch sehr fraglich.
Es hangt das nicht von den, Bedarf ab, sondern vo» der Kanfkraft, »ut auch
nicht von der Kaufkraft der gesamten Klasse», sondern der Einzelnen. Die
Spinner »ut Weber möchten vielleicht viel Weizen fiir sich und ihre Familien
unser. aber ihre Mittel siud beschränkt. und sie können daher ihren Bedarf
nicht völlig befriedigen. Die Fabrikanten aber befinden sich zwar in der Lage,
viel mehr'Weizen z» kaufen. als sie und ihren Familien verzehren, sie unter¬
lassen es aber, weil kein Bedürfnis dafür vorhanden ist. Ebenso kaufen die
Tagelöhner auf dem Lande nur so viel Kleiderstoffe, als sie bezahlen können.
U'ögen ihre Binder auch noch so dürstig bekleidet sein. Der Gutsbesitzer da¬
gegen kauft so viel Kleiderstoffe, als er mit den Seinigen braucht, bei >h>n
bildet das Bedürfnis die Grenze. Wie man sieht, decken sich also Bedürfnis
»"d Kanfkraft durchaus nicht. Es kommt bei der Überprodnktio» nicht darauf
a». ob uoch viel Bedarf unbefriedigt ist; Überproduktion ist vorhanden, wenn
die Kaufkraft der 5consnmente» nicht ausreicht, um das Erzeugte zu erwerben
und zu verbrauche,,.

Woher kommt es un» aber, daß die Kaufkraft mit der Produktion nicht
gleichen Schritt hält? Darin hat Sah ja völlig Recht, wenn er behauptet.
daß dnrch die Produktion die Mittel gewonnen »'erden, das Prodnzirte oder
on, dem Prodnzirlen zu taufen. Mau sollte daher einnehmen. daß auch die
Kaufkraft in dem Maße zunehmen müßte, als die Produktion sich erweitert.
Je mehr Zucker die Fabrikanten mit den Rübenbanern und den beim Rüben¬
bau beschäftigten Arbeitern hervorbringen, desto mehr müßten sie in der Lage
sei», andre Erzeugnisse »ut Fabrikate zu erwerben. Wir sehen aber, daß dies
keineswegs der Fall ist. Durch das Übermaß der Produktion ist ihre Lage
nicht verbessert, sondern zurückgegangen, ihre Kanfkraft andern Bedürfnissen
gegenüber ist gesunken.

Die Produktion soll dem Bedürfnis dienen, eine Produktion, die keinem
Bedürfnis dient, ist wertlos, mithin auch die Produktion, welche über das Be-


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[0019] Überproduktion, sitzen, diese Gebrauchsgegenstände kaufen können. Wenn sie es dennoch unter¬ lasse», so liegt der Grund darin, daß sie keinen Bedarf dafür haben. Es deckt sich also „icht Bedarf und Kanfkraft. Die eben genannten Personen haben d>und die Waaren, die sie besitzen, wohl die Kanfkraft. aber sie haben acht das Bedürfnis, zu kaufen; denjenigen aber, die von den Waaren Gebrauch machen könnten, fehlt die Kanfkraft. die Möglichkeit, die Waaren zu erwerben. Es sind wohl alle Produzenten auch Konfmueuten. aber darum sind Produzenten und Konsumenten doch nicht Größen, welche sich decken. Man kann nicht sagen: diejenigen, welche Kleiderstoffe verfertigen, werden mit diesen Stoffen den Weizen kaufen, welchen die Landwirte erzeugen, und die Landleute werden und dem Weizen die Kleiderstoffe erwerben. Gewiß werden die Leinen- und Baumwvlleu- verfertiger von den Landwirte» Weizen laufen und die Landwirte von ersteren Kleiderstoffe: aber ob sie alles laufe», was angeboten wird, ist doch sehr fraglich. Es hangt das nicht von den, Bedarf ab, sondern vo» der Kanfkraft, »ut auch nicht von der Kaufkraft der gesamten Klasse», sondern der Einzelnen. Die Spinner »ut Weber möchten vielleicht viel Weizen fiir sich und ihre Familien unser. aber ihre Mittel siud beschränkt. und sie können daher ihren Bedarf nicht völlig befriedigen. Die Fabrikanten aber befinden sich zwar in der Lage, viel mehr'Weizen z» kaufen. als sie und ihren Familien verzehren, sie unter¬ lassen es aber, weil kein Bedürfnis dafür vorhanden ist. Ebenso kaufen die Tagelöhner auf dem Lande nur so viel Kleiderstoffe, als sie bezahlen können. U'ögen ihre Binder auch noch so dürstig bekleidet sein. Der Gutsbesitzer da¬ gegen kauft so viel Kleiderstoffe, als er mit den Seinigen braucht, bei >h>n bildet das Bedürfnis die Grenze. Wie man sieht, decken sich also Bedürfnis »"d Kanfkraft durchaus nicht. Es kommt bei der Überprodnktio» nicht darauf a». ob uoch viel Bedarf unbefriedigt ist; Überproduktion ist vorhanden, wenn die Kaufkraft der 5consnmente» nicht ausreicht, um das Erzeugte zu erwerben und zu verbrauche,,. Woher kommt es un» aber, daß die Kaufkraft mit der Produktion nicht gleichen Schritt hält? Darin hat Sah ja völlig Recht, wenn er behauptet. daß dnrch die Produktion die Mittel gewonnen »'erden, das Prodnzirte oder on, dem Prodnzirlen zu taufen. Mau sollte daher einnehmen. daß auch die Kaufkraft in dem Maße zunehmen müßte, als die Produktion sich erweitert. Je mehr Zucker die Fabrikanten mit den Rübenbanern und den beim Rüben¬ bau beschäftigten Arbeitern hervorbringen, desto mehr müßten sie in der Lage sei», andre Erzeugnisse »ut Fabrikate zu erwerben. Wir sehen aber, daß dies keineswegs der Fall ist. Durch das Übermaß der Produktion ist ihre Lage nicht verbessert, sondern zurückgegangen, ihre Kanfkraft andern Bedürfnissen gegenüber ist gesunken. Die Produktion soll dem Bedürfnis dienen, eine Produktion, die keinem Bedürfnis dient, ist wertlos, mithin auch die Produktion, welche über das Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/19>, abgerufen am 22.07.2024.