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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Dichterfreundinnen.

bereichert durch die Briefe der B(öhmer) -- schreibt Friedrich --, etwas unbe¬
greiflich bleibt sie mir -- nämlich wie bei der Erhabenheit die leichtbewegliche
Phantasie und die Zartheit des Gefühls sein kann. Du darfst dirs nicht
gereuen lassen (denn wenn du diese heilige Idee entweihest, so würdest du Reue
fühlen). Mit ihrer Erhabenheit sympathisire ich, und das Zartere erreiche ich
mit dem Verstände. Ich glaube nicht, daß ich ihre Zartheit verletzen würde,
auch bei dem freiesten Verhältnisse." Zuweilen traten auch Störungen des
freundschaftlichen Verhältnisses ein, die darauf schließen lassen, daß Karoline
dem ihr schwärmerisch ergebenen jungen Manne bald näher trat, bald ihn von
sich zu entfernen suchte. Wahrscheinlich war dies auch für ihn der Grund, die
Stelle in Amsterdam anzunehmen. Karoline suchte ihn zur Rückkehr nach Deutsch¬
land zu bewegen, aber Schlegel fürchtete ihre Herrschsucht und widerstand ihren
Lockungen. Sein Bruder Friedrich urteilt bei dieser Gelegenheit sehr bitter über
sie: "Schonung verdiente ein Meib nicht, die dir unbesonnen eine Verschreibung
auf dein Glück giebt und bald diese ganz unbefangen zerreißt, aus keinem
Grunde, als weil sie fühlt, daß es so in ihr liegt. . . . Euer Bund ist ganz
zu Ende, und dein Anerbieten der Freundschaft halte ich nicht für Ernst. Euer
Bund ist ganz zu Ende, denn deine Liebe zu ihr war nur Mittel zu einem
hohen Zwecke, den das Mittel zu zerstören droht. Dies zeigst du, indem dir
der Zweck mehr galt als das Mittel, du hast sie nun gebraucht, und mit Recht
wirfst du sie weg, da sie dir schädlich wird. Oder weißt du etwa nicht, daß
du in ihr dein eignes Ideal der Größe liebtest? . . . Mein Lieber, ich verkenne
sie nicht. Und sie hat Recht, wer nichts als die Buhlerin in ihr sieht, der
verdient Verachtung. Sie ist mir noch dieselbe, die sie mir war. Aber ich
frage nur nach dem, was sie für dich ist, nicht was sie an sich ist, und da
hast du vortrefflich entschieden. Wenn sie dich liebte, und dies ist möglich, so
galt ihr ihr Eigendünkel und weibliche Herrschbegierde mehr als du. Einzelne
sehr große Züge verkenne ich nicht an ihr; ich wünschte doch, daß sie mit der
schonungsloser Aufrichtigkeit, deren sie sich rühmt, auch nur einmal in ihr
Inneres blickte. . . . Hinter den Aussprüchen ihres Gefühls, die die Dunkelheit
und die Anmaßung der Omkelsvrüche haben -- es liegt so in mir -- ich sage,
wie es ist, nicht wie es sein sollte -- ich fühle das -- es ist muß -- ich darf,
was ich muß -- nnter diesen scheinbaren Gestalten möchten vielleicht andre
Dinge im Hintergrunde lauern, als sie selbst ahnt. Es ist nicht unmöglich,
daß sie ihren Schritt einmal bereut, sie fühlt deinen Verlust tief." August
Wilhelm wirft dem Bruder Unmenschlichkeit vor, und Friedrich verteidigt sich,
indem er darauf hinweist, daß doch seine ganze Auseinandersetzn",; von Achtung
für Karoline zeuge, und daß nur die Einzelheiten die Färbung einer Übeln
Laune trügen.

Während ihres Aufenthaltes in Göttingen nach dem Tode ihres Mannes
lernte Karoline auch Bürger kennen, der nächst Heyne den größten Einfluß auf


Dichterfreundinnen.

bereichert durch die Briefe der B(öhmer) — schreibt Friedrich —, etwas unbe¬
greiflich bleibt sie mir — nämlich wie bei der Erhabenheit die leichtbewegliche
Phantasie und die Zartheit des Gefühls sein kann. Du darfst dirs nicht
gereuen lassen (denn wenn du diese heilige Idee entweihest, so würdest du Reue
fühlen). Mit ihrer Erhabenheit sympathisire ich, und das Zartere erreiche ich
mit dem Verstände. Ich glaube nicht, daß ich ihre Zartheit verletzen würde,
auch bei dem freiesten Verhältnisse." Zuweilen traten auch Störungen des
freundschaftlichen Verhältnisses ein, die darauf schließen lassen, daß Karoline
dem ihr schwärmerisch ergebenen jungen Manne bald näher trat, bald ihn von
sich zu entfernen suchte. Wahrscheinlich war dies auch für ihn der Grund, die
Stelle in Amsterdam anzunehmen. Karoline suchte ihn zur Rückkehr nach Deutsch¬
land zu bewegen, aber Schlegel fürchtete ihre Herrschsucht und widerstand ihren
Lockungen. Sein Bruder Friedrich urteilt bei dieser Gelegenheit sehr bitter über
sie: „Schonung verdiente ein Meib nicht, die dir unbesonnen eine Verschreibung
auf dein Glück giebt und bald diese ganz unbefangen zerreißt, aus keinem
Grunde, als weil sie fühlt, daß es so in ihr liegt. . . . Euer Bund ist ganz
zu Ende, und dein Anerbieten der Freundschaft halte ich nicht für Ernst. Euer
Bund ist ganz zu Ende, denn deine Liebe zu ihr war nur Mittel zu einem
hohen Zwecke, den das Mittel zu zerstören droht. Dies zeigst du, indem dir
der Zweck mehr galt als das Mittel, du hast sie nun gebraucht, und mit Recht
wirfst du sie weg, da sie dir schädlich wird. Oder weißt du etwa nicht, daß
du in ihr dein eignes Ideal der Größe liebtest? . . . Mein Lieber, ich verkenne
sie nicht. Und sie hat Recht, wer nichts als die Buhlerin in ihr sieht, der
verdient Verachtung. Sie ist mir noch dieselbe, die sie mir war. Aber ich
frage nur nach dem, was sie für dich ist, nicht was sie an sich ist, und da
hast du vortrefflich entschieden. Wenn sie dich liebte, und dies ist möglich, so
galt ihr ihr Eigendünkel und weibliche Herrschbegierde mehr als du. Einzelne
sehr große Züge verkenne ich nicht an ihr; ich wünschte doch, daß sie mit der
schonungsloser Aufrichtigkeit, deren sie sich rühmt, auch nur einmal in ihr
Inneres blickte. . . . Hinter den Aussprüchen ihres Gefühls, die die Dunkelheit
und die Anmaßung der Omkelsvrüche haben — es liegt so in mir — ich sage,
wie es ist, nicht wie es sein sollte — ich fühle das — es ist muß — ich darf,
was ich muß — nnter diesen scheinbaren Gestalten möchten vielleicht andre
Dinge im Hintergrunde lauern, als sie selbst ahnt. Es ist nicht unmöglich,
daß sie ihren Schritt einmal bereut, sie fühlt deinen Verlust tief." August
Wilhelm wirft dem Bruder Unmenschlichkeit vor, und Friedrich verteidigt sich,
indem er darauf hinweist, daß doch seine ganze Auseinandersetzn«,; von Achtung
für Karoline zeuge, und daß nur die Einzelheiten die Färbung einer Übeln
Laune trügen.

Während ihres Aufenthaltes in Göttingen nach dem Tode ihres Mannes
lernte Karoline auch Bürger kennen, der nächst Heyne den größten Einfluß auf


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[0143] Dichterfreundinnen. bereichert durch die Briefe der B(öhmer) — schreibt Friedrich —, etwas unbe¬ greiflich bleibt sie mir — nämlich wie bei der Erhabenheit die leichtbewegliche Phantasie und die Zartheit des Gefühls sein kann. Du darfst dirs nicht gereuen lassen (denn wenn du diese heilige Idee entweihest, so würdest du Reue fühlen). Mit ihrer Erhabenheit sympathisire ich, und das Zartere erreiche ich mit dem Verstände. Ich glaube nicht, daß ich ihre Zartheit verletzen würde, auch bei dem freiesten Verhältnisse." Zuweilen traten auch Störungen des freundschaftlichen Verhältnisses ein, die darauf schließen lassen, daß Karoline dem ihr schwärmerisch ergebenen jungen Manne bald näher trat, bald ihn von sich zu entfernen suchte. Wahrscheinlich war dies auch für ihn der Grund, die Stelle in Amsterdam anzunehmen. Karoline suchte ihn zur Rückkehr nach Deutsch¬ land zu bewegen, aber Schlegel fürchtete ihre Herrschsucht und widerstand ihren Lockungen. Sein Bruder Friedrich urteilt bei dieser Gelegenheit sehr bitter über sie: „Schonung verdiente ein Meib nicht, die dir unbesonnen eine Verschreibung auf dein Glück giebt und bald diese ganz unbefangen zerreißt, aus keinem Grunde, als weil sie fühlt, daß es so in ihr liegt. . . . Euer Bund ist ganz zu Ende, und dein Anerbieten der Freundschaft halte ich nicht für Ernst. Euer Bund ist ganz zu Ende, denn deine Liebe zu ihr war nur Mittel zu einem hohen Zwecke, den das Mittel zu zerstören droht. Dies zeigst du, indem dir der Zweck mehr galt als das Mittel, du hast sie nun gebraucht, und mit Recht wirfst du sie weg, da sie dir schädlich wird. Oder weißt du etwa nicht, daß du in ihr dein eignes Ideal der Größe liebtest? . . . Mein Lieber, ich verkenne sie nicht. Und sie hat Recht, wer nichts als die Buhlerin in ihr sieht, der verdient Verachtung. Sie ist mir noch dieselbe, die sie mir war. Aber ich frage nur nach dem, was sie für dich ist, nicht was sie an sich ist, und da hast du vortrefflich entschieden. Wenn sie dich liebte, und dies ist möglich, so galt ihr ihr Eigendünkel und weibliche Herrschbegierde mehr als du. Einzelne sehr große Züge verkenne ich nicht an ihr; ich wünschte doch, daß sie mit der schonungsloser Aufrichtigkeit, deren sie sich rühmt, auch nur einmal in ihr Inneres blickte. . . . Hinter den Aussprüchen ihres Gefühls, die die Dunkelheit und die Anmaßung der Omkelsvrüche haben — es liegt so in mir — ich sage, wie es ist, nicht wie es sein sollte — ich fühle das — es ist muß — ich darf, was ich muß — nnter diesen scheinbaren Gestalten möchten vielleicht andre Dinge im Hintergrunde lauern, als sie selbst ahnt. Es ist nicht unmöglich, daß sie ihren Schritt einmal bereut, sie fühlt deinen Verlust tief." August Wilhelm wirft dem Bruder Unmenschlichkeit vor, und Friedrich verteidigt sich, indem er darauf hinweist, daß doch seine ganze Auseinandersetzn«,; von Achtung für Karoline zeuge, und daß nur die Einzelheiten die Färbung einer Übeln Laune trügen. Während ihres Aufenthaltes in Göttingen nach dem Tode ihres Mannes lernte Karoline auch Bürger kennen, der nächst Heyne den größten Einfluß auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/143>, abgerufen am 22.07.2024.