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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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fassungsmäßigen Veschlußnahme so schleunig vorzulegen, daß die Feststellung
desselben noch vor dem 1. Januar 1863 erfolgen kann. Das Abgeordneten¬
haus erklärt: Es ist verfassungswidrig, wenn die Negierung eine Ausgabe
verfügt, welche durch einen Beschluß des Hauses der Abgeordneten definitiv
und ausdrücklich abgelehnt ist." Der Abgeordnete von Vincke schlug zur Ver¬
mittelung vor, zu erklären, daß die Regierung, falls sich die Feststellung des
Etats für das nächste Jahr nicht vor dem 1. Januar 1863 herbeiführen lasse,
zur Aufrechthaltung verfassungsmäßiger Zustände verpflichtet sei, noch vor
Ablauf des Jahres 1862 die Bewilligung eines vorläufigen außerordentlichen
Kredits bei der Landesvertretung zu beantragen. Die Debatte über den von
der Budgetkommission empfohlenen Beschluß begaun am 6. Oktober und wurde
am 7. fortgesetzt und geschlossen. Bismarck erklärte am 7. in Betreff dieser
Resolution, sie beantworte sein Anerbieten eines Waffenstillstandes mit einer
Herausforderung zu schleuniger Fortsetzung des Streites, und fuhr dann, immer
noch versöhnlich, fort: "Die Regierung nimmt von dieser Thatsache Akt, ohne
sich durch dieselbe in ihren Entschließungen zur Herstellung des Einvernehmens
der verfassungsmäßigen Gewalten beirren zu lassen. Sie wird die von ihr am
29. v. Mes. gegebenen Zusagen innehalten und befindet sich hinsichtlich der
regelmüßigen Vorlagen des Etats in keiner prinzipiellen Meinungsverschieden¬
heit mit dem Hause. . . . Die Streitfrage, welche uns beschäftigt, enthält zwei
nicht notwendig zusammenhängende Momente, das der Militürvorlage und das
der Verfassungsfrage, über die Kompetenz der verschiednen Staatsgewalten bei
Feststellung des Budgets. Die letztere wurde vor zwölf Jahren in und zwischen
den beiden Häusern und der Negierung verhandelt, ohne ausgetragen zu werden,
und ich glaube, daß die Lösung dieser Prinzipienfrage auch jetzt weder im Wege
dialektischen Streites und persönlicher Vorwürfe gelingen, noch durch die bean¬
tragte Resolution gefördert werden wird. Rechtsfragen der Art pflegen nicht
durch Gegenüberstellung widerstreitender Theorien, sondern nur allmählich durch
die staatsrechtliche Praxis erledigt zu werden." Schließlich erklärte der Minister,
die Regierung werde "in der Annahme des Vinckeschen Amendements ein Unter¬
pfand für die entgegenkommende Aufnahme ihrer Bemühungen um eine Ver¬
ständigung erblicken" und "Vorschläge machen, welche auf den Antrag eingingen,
ohne sich dessen Motive anzueignen und ohne die Frage wegen der verfassungs¬
mäßigen Verpflichtung zu Präjudiziren." Auch hier fand ein gutes Wort keine
gute Statt, und das Ende war, daß der Nesolutiousantrag der Kommission von
der Kammer mit 251 gegen 36 Stimmen angenommen wurde. Das Herren¬
haus aber stellte sich vier Tage später entschieden aus die Seite der Regierung,
indem es am 11. Oktober mit 127 gegen 39 Stimmen den Kommissivnsantmg
verwarf, mit 150 gegen 17 das Budget, wie es vom andern Hause beschlossen
worden war, ablehnte'und mit 114 gegen 44 das ursprünglich von der Negierung
vorgelegte annahm. Das Abgeordnetenhaus erklärte hierauf am 13. September:


Grenzboten IV. 1837. 16

fassungsmäßigen Veschlußnahme so schleunig vorzulegen, daß die Feststellung
desselben noch vor dem 1. Januar 1863 erfolgen kann. Das Abgeordneten¬
haus erklärt: Es ist verfassungswidrig, wenn die Negierung eine Ausgabe
verfügt, welche durch einen Beschluß des Hauses der Abgeordneten definitiv
und ausdrücklich abgelehnt ist." Der Abgeordnete von Vincke schlug zur Ver¬
mittelung vor, zu erklären, daß die Regierung, falls sich die Feststellung des
Etats für das nächste Jahr nicht vor dem 1. Januar 1863 herbeiführen lasse,
zur Aufrechthaltung verfassungsmäßiger Zustände verpflichtet sei, noch vor
Ablauf des Jahres 1862 die Bewilligung eines vorläufigen außerordentlichen
Kredits bei der Landesvertretung zu beantragen. Die Debatte über den von
der Budgetkommission empfohlenen Beschluß begaun am 6. Oktober und wurde
am 7. fortgesetzt und geschlossen. Bismarck erklärte am 7. in Betreff dieser
Resolution, sie beantworte sein Anerbieten eines Waffenstillstandes mit einer
Herausforderung zu schleuniger Fortsetzung des Streites, und fuhr dann, immer
noch versöhnlich, fort: „Die Regierung nimmt von dieser Thatsache Akt, ohne
sich durch dieselbe in ihren Entschließungen zur Herstellung des Einvernehmens
der verfassungsmäßigen Gewalten beirren zu lassen. Sie wird die von ihr am
29. v. Mes. gegebenen Zusagen innehalten und befindet sich hinsichtlich der
regelmüßigen Vorlagen des Etats in keiner prinzipiellen Meinungsverschieden¬
heit mit dem Hause. . . . Die Streitfrage, welche uns beschäftigt, enthält zwei
nicht notwendig zusammenhängende Momente, das der Militürvorlage und das
der Verfassungsfrage, über die Kompetenz der verschiednen Staatsgewalten bei
Feststellung des Budgets. Die letztere wurde vor zwölf Jahren in und zwischen
den beiden Häusern und der Negierung verhandelt, ohne ausgetragen zu werden,
und ich glaube, daß die Lösung dieser Prinzipienfrage auch jetzt weder im Wege
dialektischen Streites und persönlicher Vorwürfe gelingen, noch durch die bean¬
tragte Resolution gefördert werden wird. Rechtsfragen der Art pflegen nicht
durch Gegenüberstellung widerstreitender Theorien, sondern nur allmählich durch
die staatsrechtliche Praxis erledigt zu werden." Schließlich erklärte der Minister,
die Regierung werde „in der Annahme des Vinckeschen Amendements ein Unter¬
pfand für die entgegenkommende Aufnahme ihrer Bemühungen um eine Ver¬
ständigung erblicken" und „Vorschläge machen, welche auf den Antrag eingingen,
ohne sich dessen Motive anzueignen und ohne die Frage wegen der verfassungs¬
mäßigen Verpflichtung zu Präjudiziren." Auch hier fand ein gutes Wort keine
gute Statt, und das Ende war, daß der Nesolutiousantrag der Kommission von
der Kammer mit 251 gegen 36 Stimmen angenommen wurde. Das Herren¬
haus aber stellte sich vier Tage später entschieden aus die Seite der Regierung,
indem es am 11. Oktober mit 127 gegen 39 Stimmen den Kommissivnsantmg
verwarf, mit 150 gegen 17 das Budget, wie es vom andern Hause beschlossen
worden war, ablehnte'und mit 114 gegen 44 das ursprünglich von der Negierung
vorgelegte annahm. Das Abgeordnetenhaus erklärte hierauf am 13. September:


Grenzboten IV. 1837. 16
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[0121] fassungsmäßigen Veschlußnahme so schleunig vorzulegen, daß die Feststellung desselben noch vor dem 1. Januar 1863 erfolgen kann. Das Abgeordneten¬ haus erklärt: Es ist verfassungswidrig, wenn die Negierung eine Ausgabe verfügt, welche durch einen Beschluß des Hauses der Abgeordneten definitiv und ausdrücklich abgelehnt ist." Der Abgeordnete von Vincke schlug zur Ver¬ mittelung vor, zu erklären, daß die Regierung, falls sich die Feststellung des Etats für das nächste Jahr nicht vor dem 1. Januar 1863 herbeiführen lasse, zur Aufrechthaltung verfassungsmäßiger Zustände verpflichtet sei, noch vor Ablauf des Jahres 1862 die Bewilligung eines vorläufigen außerordentlichen Kredits bei der Landesvertretung zu beantragen. Die Debatte über den von der Budgetkommission empfohlenen Beschluß begaun am 6. Oktober und wurde am 7. fortgesetzt und geschlossen. Bismarck erklärte am 7. in Betreff dieser Resolution, sie beantworte sein Anerbieten eines Waffenstillstandes mit einer Herausforderung zu schleuniger Fortsetzung des Streites, und fuhr dann, immer noch versöhnlich, fort: „Die Regierung nimmt von dieser Thatsache Akt, ohne sich durch dieselbe in ihren Entschließungen zur Herstellung des Einvernehmens der verfassungsmäßigen Gewalten beirren zu lassen. Sie wird die von ihr am 29. v. Mes. gegebenen Zusagen innehalten und befindet sich hinsichtlich der regelmüßigen Vorlagen des Etats in keiner prinzipiellen Meinungsverschieden¬ heit mit dem Hause. . . . Die Streitfrage, welche uns beschäftigt, enthält zwei nicht notwendig zusammenhängende Momente, das der Militürvorlage und das der Verfassungsfrage, über die Kompetenz der verschiednen Staatsgewalten bei Feststellung des Budgets. Die letztere wurde vor zwölf Jahren in und zwischen den beiden Häusern und der Negierung verhandelt, ohne ausgetragen zu werden, und ich glaube, daß die Lösung dieser Prinzipienfrage auch jetzt weder im Wege dialektischen Streites und persönlicher Vorwürfe gelingen, noch durch die bean¬ tragte Resolution gefördert werden wird. Rechtsfragen der Art pflegen nicht durch Gegenüberstellung widerstreitender Theorien, sondern nur allmählich durch die staatsrechtliche Praxis erledigt zu werden." Schließlich erklärte der Minister, die Regierung werde „in der Annahme des Vinckeschen Amendements ein Unter¬ pfand für die entgegenkommende Aufnahme ihrer Bemühungen um eine Ver¬ ständigung erblicken" und „Vorschläge machen, welche auf den Antrag eingingen, ohne sich dessen Motive anzueignen und ohne die Frage wegen der verfassungs¬ mäßigen Verpflichtung zu Präjudiziren." Auch hier fand ein gutes Wort keine gute Statt, und das Ende war, daß der Nesolutiousantrag der Kommission von der Kammer mit 251 gegen 36 Stimmen angenommen wurde. Das Herren¬ haus aber stellte sich vier Tage später entschieden aus die Seite der Regierung, indem es am 11. Oktober mit 127 gegen 39 Stimmen den Kommissivnsantmg verwarf, mit 150 gegen 17 das Budget, wie es vom andern Hause beschlossen worden war, ablehnte'und mit 114 gegen 44 das ursprünglich von der Negierung vorgelegte annahm. Das Abgeordnetenhaus erklärte hierauf am 13. September: Grenzboten IV. 1837. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/121>, abgerufen am 22.07.2024.