Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Ein Jubiläum. Vismarck trat in der Sache gleich anfangs sehr versöhnlich auf und setzte Die Berliner Demokratie fand in diesen Worten nur eine Bestätigung der Ein Jubiläum. Vismarck trat in der Sache gleich anfangs sehr versöhnlich auf und setzte Die Berliner Demokratie fand in diesen Worten nur eine Bestätigung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201549"/> <fw type="header" place="top"> Ein Jubiläum.</fw><lb/> <p xml:id="ID_267"> Vismarck trat in der Sache gleich anfangs sehr versöhnlich auf und setzte<lb/> dies später nach Möglichkeit fort. In der Sitzung vom 29. September erschien<lb/> er zum ersten male am Ministertische des Hauses am Dönhoffsplatze, um zu<lb/> erklären, da zu vermuten sei, die Kammer werde wie im Etat für 1862 so auch<lb/> in dein für 1863 die für die Reorganisation des Heeres geforderten Ausgaben<lb/> streichen, so ziehe die Regierung diese Position zurück, „um die Hindernisse der<lb/> Verständigung nicht höher anschwellen zu lassen, als sie ohnehin sind." Zu<lb/> gleicher Zeit versprach er zu Beginn der nächsten Session das Budget für 1863<lb/> „in Verbindung mit einem die Lebensbedingungen der eingetretenen Heeres¬<lb/> reform aufrecht erhaltenden Gesetzentwurfe zur Regelung der allgemeinen Wehr¬<lb/> pflicht" vorzulegen. Die Kammer überwies diese Erklärung an die Budget¬<lb/> kommission zu schleuniger Berichterstattung. In der Sitzung derselben stellte<lb/> sich auch der Ministerpräsident ein, um hinsichtlich der ohne Genehmigung des<lb/> Abgeordnetenhauses bereits für die Reform verausgabten Summen eine Verein¬<lb/> barung anzubahnen. Er sagte zu dem Zwecke zunächst in Betreff der inneren<lb/> Krisis: „Die Negierung sucht keinen Kampf. Kann die Krisis mit Ehren be¬<lb/> seitigt werden, so bietet sie gern die Hand dazu. ... Wir sind vielleicht zu ge¬<lb/> bildet, um eine Verfassung zu ertragen, wir sind zu kritisch. Die öffentliche<lb/> Meinung wechselt, die Presse ist nicht die öffentliche Meinung, man weiß, wie<lb/> die Presse entsteht. Es giebt zi: viel katilinarische Existenzen, die ein Interesse<lb/> an Umwälzungen haben. Es ist die Aufgabe der Abgeordneten, die Stimmung<lb/> zu leiten, über ihr zu stehen." Dann ging der Redner zu Andeutungen über<lb/> den Zweck der Heercsorganisation über, die in ganz Europa wiederhallten, und<lb/> nur von der Opposition nicht verstanden wurden, weil sie, wie man zu feigen<lb/> pflegt, ihr nicht in den Kram paßten. Wir haben — bemerkte der Minister —<lb/> die Vorliebe, eine zu große Rüstung für unsern schmalen Leib zu tragen;<lb/> nur sollten wir sie auch nützen. . . . Preußen muß seine Kraft zusammen halten<lb/> auf den günstigen Augenblick. . . . Seine Grenzen sind zu einem gesunden<lb/> Staatskörper nicht günstig. Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden<lb/> die großen Fragen der Zeit entschieden — das ist der Fehler von 1848 und<lb/> 1849 gewesen —, sondern durch Eisen und Blut.</p><lb/> <p xml:id="ID_268" next="#ID_269"> Die Berliner Demokratie fand in diesen Worten nur eine Bestätigung der<lb/> vom Koburger Hofe ausgegangenen, damals schon eine Weile im Umlaufe be¬<lb/> findlichen Verleumdung, Bismarck wolle mit Frankreich einen Handel zur Ver¬<lb/> breiterung des schmalen preußische» Leibes eingehen, jenem die demokratisch<lb/> gesinnten Provinzen des linken Rheinufers überlassen, um rechts davon unge¬<lb/> hindert zugreifen zu können. Die Budgetkommission aber nahm auf die Winke<lb/> des Ministerpräsidenten nach anßen hin so wenig Rücksicht wie auf die ver¬<lb/> söhnlichen Mahnungen und Zusage», die er in Bezug auf den inneren Konflikt<lb/> ausgesprochen hatte, und beantragte beim Hause, zu beschließen: „Die Regierung<lb/> wird aufgefordert, den Etat für 1863 dem Hause der Abgeordneten zur ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
Ein Jubiläum.
Vismarck trat in der Sache gleich anfangs sehr versöhnlich auf und setzte
dies später nach Möglichkeit fort. In der Sitzung vom 29. September erschien
er zum ersten male am Ministertische des Hauses am Dönhoffsplatze, um zu
erklären, da zu vermuten sei, die Kammer werde wie im Etat für 1862 so auch
in dein für 1863 die für die Reorganisation des Heeres geforderten Ausgaben
streichen, so ziehe die Regierung diese Position zurück, „um die Hindernisse der
Verständigung nicht höher anschwellen zu lassen, als sie ohnehin sind." Zu
gleicher Zeit versprach er zu Beginn der nächsten Session das Budget für 1863
„in Verbindung mit einem die Lebensbedingungen der eingetretenen Heeres¬
reform aufrecht erhaltenden Gesetzentwurfe zur Regelung der allgemeinen Wehr¬
pflicht" vorzulegen. Die Kammer überwies diese Erklärung an die Budget¬
kommission zu schleuniger Berichterstattung. In der Sitzung derselben stellte
sich auch der Ministerpräsident ein, um hinsichtlich der ohne Genehmigung des
Abgeordnetenhauses bereits für die Reform verausgabten Summen eine Verein¬
barung anzubahnen. Er sagte zu dem Zwecke zunächst in Betreff der inneren
Krisis: „Die Negierung sucht keinen Kampf. Kann die Krisis mit Ehren be¬
seitigt werden, so bietet sie gern die Hand dazu. ... Wir sind vielleicht zu ge¬
bildet, um eine Verfassung zu ertragen, wir sind zu kritisch. Die öffentliche
Meinung wechselt, die Presse ist nicht die öffentliche Meinung, man weiß, wie
die Presse entsteht. Es giebt zi: viel katilinarische Existenzen, die ein Interesse
an Umwälzungen haben. Es ist die Aufgabe der Abgeordneten, die Stimmung
zu leiten, über ihr zu stehen." Dann ging der Redner zu Andeutungen über
den Zweck der Heercsorganisation über, die in ganz Europa wiederhallten, und
nur von der Opposition nicht verstanden wurden, weil sie, wie man zu feigen
pflegt, ihr nicht in den Kram paßten. Wir haben — bemerkte der Minister —
die Vorliebe, eine zu große Rüstung für unsern schmalen Leib zu tragen;
nur sollten wir sie auch nützen. . . . Preußen muß seine Kraft zusammen halten
auf den günstigen Augenblick. . . . Seine Grenzen sind zu einem gesunden
Staatskörper nicht günstig. Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden
die großen Fragen der Zeit entschieden — das ist der Fehler von 1848 und
1849 gewesen —, sondern durch Eisen und Blut.
Die Berliner Demokratie fand in diesen Worten nur eine Bestätigung der
vom Koburger Hofe ausgegangenen, damals schon eine Weile im Umlaufe be¬
findlichen Verleumdung, Bismarck wolle mit Frankreich einen Handel zur Ver¬
breiterung des schmalen preußische» Leibes eingehen, jenem die demokratisch
gesinnten Provinzen des linken Rheinufers überlassen, um rechts davon unge¬
hindert zugreifen zu können. Die Budgetkommission aber nahm auf die Winke
des Ministerpräsidenten nach anßen hin so wenig Rücksicht wie auf die ver¬
söhnlichen Mahnungen und Zusage», die er in Bezug auf den inneren Konflikt
ausgesprochen hatte, und beantragte beim Hause, zu beschließen: „Die Regierung
wird aufgefordert, den Etat für 1863 dem Hause der Abgeordneten zur ver-
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