Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

vereine für die Ausübung des ständischen Zustimmnngsrcchtes in Zollvereins-
sachen eine Art Parlament einrichten müssen. Die Regierungen werde" schwer
daran gehen; aber wenn wir dreist und konsequent wären, könnten wir viel
durchsetzen. Kanunern und Presse müßten die deutsche Zollpolitik breit und
rücksichtslos vom preußischen Standpunkte diskutiren; dann würde sich ihnen
die ermattete Aufmerksamkeit Deutschlands wieder zuwenden und unser Landtag
eine Macht für Deutschland werden." Ähnliches enthält seine amtliche Denkschrift
für Manteuffel, die im Mürz 1858 diesem vorgelegt wurde, und in der wir
folgenden Stellen begegnen: "Die königliche Gewalt richt in Preußen auf so
sicheren Grundlagen, daß die Regierung sich ohne Gefahr durch eine belebtere
Thätigkeit der Landesvertretung sehr wirksame Mittel der Aktion auf die deutscheu
Verhältnisse schaffen kann. . . . Wenn Preußen seine Stellung zum Bunde, die
Schwierigkeiten, die es in derselben zu überwinden hat, und die Bestrebungen
seiner Gegner offen diskutiren ließe, so würden vielleicht wenige Sitzungen des
preußischen Landtages hinreichen, um den Anmaßungen der Majoritütsherrschaft
am Bunde ein Ende zu machen. ... In der Presse vermag die Wahrheit sich
in der Unklarheit, welche durch die Fälschungen der besoldeten Blätter herbeigeführt
wird ^es gab damals sehr viele in Deutschland, einige selbst in Berlin, die von
Wien her für solche Fälschungen Subventionen bezogen^ nicht Bahn zu brechen,
wenn nicht der preußischen Presse zur Besprechung der gesamten Bundesverhält¬
nisse das volle Material und der höchstmögliche Grad von Freiheit gegeben wird."

Bismarck trat also ans seinen Wanderjahren in die Periode seines Lebens,
in der er sich als Meister bewähren sollte, keineswegs als Gegner verfassungs¬
mäßiger Einrichtungen, und er trat in dieselbe mit großartigen Plänen ein, die
er nicht bloß mit der Kraft des reorganisirten Heeres, wennschon mit dieser
in erster Reihe, sondern auch, falls er bei den Abgeordneten Verständnis und
Entgegenkommen gefunden hätte, mit jene" Einrichtungen durchzuführen versucht
haben würde. Die Volksvertretung und die Presse sollten an seinem Werke mit¬
arbeiten, das Wort neben den? Schwerte. Sie wollten aber nicht, und so mußte
es das Schwert zunächst allein thun. Die im Abgeordnetenhause herrschende
Demokratie, die mit ihr verbündete oder nahe verwandte liberale Professoren-
Weisheit, das rechthaberische Advvkatetttum, dem die Form über den Inhalt
ging und dem das politische Leben im wesentlichen ein juristischer Prozeß
war, hatten nichts besseres zu thun gewußt, als einen sogenannten Verfasfnugs-
kouflikt in Szene zu setzen, bei dem die Professoren ihr doktrinäres Licht leuchten
und die Advokaten mit Plaidoycrs im Brusttöne glänzen konnten. Dieser Konflikt
wurde "zu tragisch aufgefaßt," man geberdete sich auf Seiten der Opposition,
als ob man könnte, was man wollte, als ob man außerhalb des Saales das
Volk hinter sich hätte und nicht bloß die Partei. Vielen guten Leuten erschien
der Streit wie ein Krieg auf Leben und Tod. während in Wahrheit nur unter
viel Gepolter Stroh mit wenig oder gar keinen Ähren gedroschen wurde.


vereine für die Ausübung des ständischen Zustimmnngsrcchtes in Zollvereins-
sachen eine Art Parlament einrichten müssen. Die Regierungen werde» schwer
daran gehen; aber wenn wir dreist und konsequent wären, könnten wir viel
durchsetzen. Kanunern und Presse müßten die deutsche Zollpolitik breit und
rücksichtslos vom preußischen Standpunkte diskutiren; dann würde sich ihnen
die ermattete Aufmerksamkeit Deutschlands wieder zuwenden und unser Landtag
eine Macht für Deutschland werden." Ähnliches enthält seine amtliche Denkschrift
für Manteuffel, die im Mürz 1858 diesem vorgelegt wurde, und in der wir
folgenden Stellen begegnen: „Die königliche Gewalt richt in Preußen auf so
sicheren Grundlagen, daß die Regierung sich ohne Gefahr durch eine belebtere
Thätigkeit der Landesvertretung sehr wirksame Mittel der Aktion auf die deutscheu
Verhältnisse schaffen kann. . . . Wenn Preußen seine Stellung zum Bunde, die
Schwierigkeiten, die es in derselben zu überwinden hat, und die Bestrebungen
seiner Gegner offen diskutiren ließe, so würden vielleicht wenige Sitzungen des
preußischen Landtages hinreichen, um den Anmaßungen der Majoritütsherrschaft
am Bunde ein Ende zu machen. ... In der Presse vermag die Wahrheit sich
in der Unklarheit, welche durch die Fälschungen der besoldeten Blätter herbeigeführt
wird ^es gab damals sehr viele in Deutschland, einige selbst in Berlin, die von
Wien her für solche Fälschungen Subventionen bezogen^ nicht Bahn zu brechen,
wenn nicht der preußischen Presse zur Besprechung der gesamten Bundesverhält¬
nisse das volle Material und der höchstmögliche Grad von Freiheit gegeben wird."

Bismarck trat also ans seinen Wanderjahren in die Periode seines Lebens,
in der er sich als Meister bewähren sollte, keineswegs als Gegner verfassungs¬
mäßiger Einrichtungen, und er trat in dieselbe mit großartigen Plänen ein, die
er nicht bloß mit der Kraft des reorganisirten Heeres, wennschon mit dieser
in erster Reihe, sondern auch, falls er bei den Abgeordneten Verständnis und
Entgegenkommen gefunden hätte, mit jene» Einrichtungen durchzuführen versucht
haben würde. Die Volksvertretung und die Presse sollten an seinem Werke mit¬
arbeiten, das Wort neben den? Schwerte. Sie wollten aber nicht, und so mußte
es das Schwert zunächst allein thun. Die im Abgeordnetenhause herrschende
Demokratie, die mit ihr verbündete oder nahe verwandte liberale Professoren-
Weisheit, das rechthaberische Advvkatetttum, dem die Form über den Inhalt
ging und dem das politische Leben im wesentlichen ein juristischer Prozeß
war, hatten nichts besseres zu thun gewußt, als einen sogenannten Verfasfnugs-
kouflikt in Szene zu setzen, bei dem die Professoren ihr doktrinäres Licht leuchten
und die Advokaten mit Plaidoycrs im Brusttöne glänzen konnten. Dieser Konflikt
wurde „zu tragisch aufgefaßt," man geberdete sich auf Seiten der Opposition,
als ob man könnte, was man wollte, als ob man außerhalb des Saales das
Volk hinter sich hätte und nicht bloß die Partei. Vielen guten Leuten erschien
der Streit wie ein Krieg auf Leben und Tod. während in Wahrheit nur unter
viel Gepolter Stroh mit wenig oder gar keinen Ähren gedroschen wurde.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201548"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_265" prev="#ID_264"> vereine für die Ausübung des ständischen Zustimmnngsrcchtes in Zollvereins-<lb/>
sachen eine Art Parlament einrichten müssen. Die Regierungen werde» schwer<lb/>
daran gehen; aber wenn wir dreist und konsequent wären, könnten wir viel<lb/>
durchsetzen. Kanunern und Presse müßten die deutsche Zollpolitik breit und<lb/>
rücksichtslos vom preußischen Standpunkte diskutiren; dann würde sich ihnen<lb/>
die ermattete Aufmerksamkeit Deutschlands wieder zuwenden und unser Landtag<lb/>
eine Macht für Deutschland werden." Ähnliches enthält seine amtliche Denkschrift<lb/>
für Manteuffel, die im Mürz 1858 diesem vorgelegt wurde, und in der wir<lb/>
folgenden Stellen begegnen: &#x201E;Die königliche Gewalt richt in Preußen auf so<lb/>
sicheren Grundlagen, daß die Regierung sich ohne Gefahr durch eine belebtere<lb/>
Thätigkeit der Landesvertretung sehr wirksame Mittel der Aktion auf die deutscheu<lb/>
Verhältnisse schaffen kann. . . . Wenn Preußen seine Stellung zum Bunde, die<lb/>
Schwierigkeiten, die es in derselben zu überwinden hat, und die Bestrebungen<lb/>
seiner Gegner offen diskutiren ließe, so würden vielleicht wenige Sitzungen des<lb/>
preußischen Landtages hinreichen, um den Anmaßungen der Majoritütsherrschaft<lb/>
am Bunde ein Ende zu machen. ... In der Presse vermag die Wahrheit sich<lb/>
in der Unklarheit, welche durch die Fälschungen der besoldeten Blätter herbeigeführt<lb/>
wird ^es gab damals sehr viele in Deutschland, einige selbst in Berlin, die von<lb/>
Wien her für solche Fälschungen Subventionen bezogen^ nicht Bahn zu brechen,<lb/>
wenn nicht der preußischen Presse zur Besprechung der gesamten Bundesverhält¬<lb/>
nisse das volle Material und der höchstmögliche Grad von Freiheit gegeben wird."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_266"> Bismarck trat also ans seinen Wanderjahren in die Periode seines Lebens,<lb/>
in der er sich als Meister bewähren sollte, keineswegs als Gegner verfassungs¬<lb/>
mäßiger Einrichtungen, und er trat in dieselbe mit großartigen Plänen ein, die<lb/>
er nicht bloß mit der Kraft des reorganisirten Heeres, wennschon mit dieser<lb/>
in erster Reihe, sondern auch, falls er bei den Abgeordneten Verständnis und<lb/>
Entgegenkommen gefunden hätte, mit jene» Einrichtungen durchzuführen versucht<lb/>
haben würde. Die Volksvertretung und die Presse sollten an seinem Werke mit¬<lb/>
arbeiten, das Wort neben den? Schwerte. Sie wollten aber nicht, und so mußte<lb/>
es das Schwert zunächst allein thun. Die im Abgeordnetenhause herrschende<lb/>
Demokratie, die mit ihr verbündete oder nahe verwandte liberale Professoren-<lb/>
Weisheit, das rechthaberische Advvkatetttum, dem die Form über den Inhalt<lb/>
ging und dem das politische Leben im wesentlichen ein juristischer Prozeß<lb/>
war, hatten nichts besseres zu thun gewußt, als einen sogenannten Verfasfnugs-<lb/>
kouflikt in Szene zu setzen, bei dem die Professoren ihr doktrinäres Licht leuchten<lb/>
und die Advokaten mit Plaidoycrs im Brusttöne glänzen konnten. Dieser Konflikt<lb/>
wurde &#x201E;zu tragisch aufgefaßt," man geberdete sich auf Seiten der Opposition,<lb/>
als ob man könnte, was man wollte, als ob man außerhalb des Saales das<lb/>
Volk hinter sich hätte und nicht bloß die Partei. Vielen guten Leuten erschien<lb/>
der Streit wie ein Krieg auf Leben und Tod. während in Wahrheit nur unter<lb/>
viel Gepolter Stroh mit wenig oder gar keinen Ähren gedroschen wurde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0119] vereine für die Ausübung des ständischen Zustimmnngsrcchtes in Zollvereins- sachen eine Art Parlament einrichten müssen. Die Regierungen werde» schwer daran gehen; aber wenn wir dreist und konsequent wären, könnten wir viel durchsetzen. Kanunern und Presse müßten die deutsche Zollpolitik breit und rücksichtslos vom preußischen Standpunkte diskutiren; dann würde sich ihnen die ermattete Aufmerksamkeit Deutschlands wieder zuwenden und unser Landtag eine Macht für Deutschland werden." Ähnliches enthält seine amtliche Denkschrift für Manteuffel, die im Mürz 1858 diesem vorgelegt wurde, und in der wir folgenden Stellen begegnen: „Die königliche Gewalt richt in Preußen auf so sicheren Grundlagen, daß die Regierung sich ohne Gefahr durch eine belebtere Thätigkeit der Landesvertretung sehr wirksame Mittel der Aktion auf die deutscheu Verhältnisse schaffen kann. . . . Wenn Preußen seine Stellung zum Bunde, die Schwierigkeiten, die es in derselben zu überwinden hat, und die Bestrebungen seiner Gegner offen diskutiren ließe, so würden vielleicht wenige Sitzungen des preußischen Landtages hinreichen, um den Anmaßungen der Majoritütsherrschaft am Bunde ein Ende zu machen. ... In der Presse vermag die Wahrheit sich in der Unklarheit, welche durch die Fälschungen der besoldeten Blätter herbeigeführt wird ^es gab damals sehr viele in Deutschland, einige selbst in Berlin, die von Wien her für solche Fälschungen Subventionen bezogen^ nicht Bahn zu brechen, wenn nicht der preußischen Presse zur Besprechung der gesamten Bundesverhält¬ nisse das volle Material und der höchstmögliche Grad von Freiheit gegeben wird." Bismarck trat also ans seinen Wanderjahren in die Periode seines Lebens, in der er sich als Meister bewähren sollte, keineswegs als Gegner verfassungs¬ mäßiger Einrichtungen, und er trat in dieselbe mit großartigen Plänen ein, die er nicht bloß mit der Kraft des reorganisirten Heeres, wennschon mit dieser in erster Reihe, sondern auch, falls er bei den Abgeordneten Verständnis und Entgegenkommen gefunden hätte, mit jene» Einrichtungen durchzuführen versucht haben würde. Die Volksvertretung und die Presse sollten an seinem Werke mit¬ arbeiten, das Wort neben den? Schwerte. Sie wollten aber nicht, und so mußte es das Schwert zunächst allein thun. Die im Abgeordnetenhause herrschende Demokratie, die mit ihr verbündete oder nahe verwandte liberale Professoren- Weisheit, das rechthaberische Advvkatetttum, dem die Form über den Inhalt ging und dem das politische Leben im wesentlichen ein juristischer Prozeß war, hatten nichts besseres zu thun gewußt, als einen sogenannten Verfasfnugs- kouflikt in Szene zu setzen, bei dem die Professoren ihr doktrinäres Licht leuchten und die Advokaten mit Plaidoycrs im Brusttöne glänzen konnten. Dieser Konflikt wurde „zu tragisch aufgefaßt," man geberdete sich auf Seiten der Opposition, als ob man könnte, was man wollte, als ob man außerhalb des Saales das Volk hinter sich hätte und nicht bloß die Partei. Vielen guten Leuten erschien der Streit wie ein Krieg auf Leben und Tod. während in Wahrheit nur unter viel Gepolter Stroh mit wenig oder gar keinen Ähren gedroschen wurde.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/119
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/119>, abgerufen am 22.07.2024.