Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Ein Jubiläum. einsparlament für andre Jnteressenverbände neben dem Bundes so zimperlich Die letzten Sätze dieser Kritik führen uns zur Betrachtung und Charak- Ein Jubiläum. einsparlament für andre Jnteressenverbände neben dem Bundes so zimperlich Die letzten Sätze dieser Kritik führen uns zur Betrachtung und Charak- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201546"/> <fw type="header" place="top"> Ein Jubiläum.</fw><lb/> <p xml:id="ID_262" prev="#ID_261"> einsparlament für andre Jnteressenverbände neben dem Bundes so zimperlich<lb/> zurückschrecken. Eine Institution, die in jedem deutschen Staate legitime Geltung<lb/> hat, die wir Konservative selbst in Preußen nicht entbehren möchten, können wir<lb/> doch nicht als revolutionär bekämpfen."</p><lb/> <p xml:id="ID_263" next="#ID_264"> Die letzten Sätze dieser Kritik führen uns zur Betrachtung und Charak-<lb/> terisirung der Stellung, die Bismarck zur Verfassung einnahm, als er vor<lb/> fünfundzwanzig Jahren an das Nuder Preußens berufen und nun sofort von<lb/> den Demokraten mit dem Verdachte, er beabsichtige einen Staatsstreich und<lb/> Beseitigung des konstitutionellen Systems in Preußen, empfangen wurde. Die<lb/> Herren hielten ihn für so „konsequent" und „gesinnungstüchtig," d. h. so un¬<lb/> belehrbar und verstockt gegen die Erfahrung, wie sie selbst waren und zu sein<lb/> sich rühmten. Sie meinten in ihm noch den „Junker" des Jahres 1848 vor<lb/> sich zu haben, den sie damals obendrein nicht ganz richtig begriffen hatten.<lb/> Freilich hatte er damals, am 8. April, im Vereinigten Landtage geseufzt: „Die<lb/> Vergangenheit ist begraben, und ich bedaure es schmerzlicher als viele von<lb/> Ihnen, daß keine menschliche Macht imstande ist, sie wieder zu erwecken, nach¬<lb/> dem die Krone selbst die Erde auf ihren Sarg geworfen hat. Aber wenn<lb/> ich das, durch die Gewalt der Umstände gezwungen, acceptire, so kann ich doch<lb/> nicht aus meiner Wirksamkeit mit der Lüge scheiden, daß ich für das danken<lb/> und mich über das freuen soll, was ich mindestens für einen irrtümlichen Weg<lb/> halten muß." Das klang wie Klage über den Fall des Absolutismus und die<lb/> Verleihung verfassungsmäßiger Rechte überhaupt. Wir wissen aber aus bester<lb/> Quelle, daß damit nur die zu weit gehenden Zugeständnisse des Königs, die<lb/> .Konstitution nach französischer Schablone gemeint war, und daß der Redner dieser<lb/> eine allmählicher sich vollziehende Reform ans Grundlage des ständischen Rechts,<lb/> welches wog und nicht zählte, vorgezogen Hütte. Freilich hatte er ferner öffent¬<lb/> lich erklärt, daß er vor dem, was die Liberalen Volk nannten, keine große Ach¬<lb/> tung habe, aber solche zu empfinden, war 1848 ganz besonders schwer für an¬<lb/> ständige Leute. Sogar vor der Presse hatte er sehr geringen Respekt, sodaß<lb/> er im Juni 1850 an Wagener schreiben konnte: „Ich kann nicht leugnen, daß<lb/> mir einige Chalif-Omarsche Gelüste beiwohnen, nicht nnr zur Zerstörung der<lb/> Bücher außer dem christlichen »Koran«, sondern auch zur Zerstörung der Mittel,<lb/> neue zu erzeugen. Die Buchdruckerkunst ist des Antichnsten auserlesenes Rüstzeug,<lb/> mehr als das Schießpulver." Indes war das der Eifer des Protestanten, der<lb/> immer übertreibt, und es gab damals in der deutschen Presse noch mehr als<lb/> heute viel, wogegen ein gesunder Verstand und ein ehrliches Herz protestiren<lb/> mußten. Übrigens machte Bismarck damals praktisch eine Ausnahme von seinen<lb/> Gelüsten selbst in Betreff der Tagespresse, indem er sich selbst lebhaft an ihr<lb/> beteiligte. „Während der parlamentarischen Verhandlungen erschien kaum eine<lb/> Nummer der Kreuzzeitung, welche nicht einen längeren oder kürzeren Artikel des<lb/> Herrn v. Bismarck enthalten hätte," schreibt Wagener, der damalige Redakteur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
Ein Jubiläum.
einsparlament für andre Jnteressenverbände neben dem Bundes so zimperlich
zurückschrecken. Eine Institution, die in jedem deutschen Staate legitime Geltung
hat, die wir Konservative selbst in Preußen nicht entbehren möchten, können wir
doch nicht als revolutionär bekämpfen."
Die letzten Sätze dieser Kritik führen uns zur Betrachtung und Charak-
terisirung der Stellung, die Bismarck zur Verfassung einnahm, als er vor
fünfundzwanzig Jahren an das Nuder Preußens berufen und nun sofort von
den Demokraten mit dem Verdachte, er beabsichtige einen Staatsstreich und
Beseitigung des konstitutionellen Systems in Preußen, empfangen wurde. Die
Herren hielten ihn für so „konsequent" und „gesinnungstüchtig," d. h. so un¬
belehrbar und verstockt gegen die Erfahrung, wie sie selbst waren und zu sein
sich rühmten. Sie meinten in ihm noch den „Junker" des Jahres 1848 vor
sich zu haben, den sie damals obendrein nicht ganz richtig begriffen hatten.
Freilich hatte er damals, am 8. April, im Vereinigten Landtage geseufzt: „Die
Vergangenheit ist begraben, und ich bedaure es schmerzlicher als viele von
Ihnen, daß keine menschliche Macht imstande ist, sie wieder zu erwecken, nach¬
dem die Krone selbst die Erde auf ihren Sarg geworfen hat. Aber wenn
ich das, durch die Gewalt der Umstände gezwungen, acceptire, so kann ich doch
nicht aus meiner Wirksamkeit mit der Lüge scheiden, daß ich für das danken
und mich über das freuen soll, was ich mindestens für einen irrtümlichen Weg
halten muß." Das klang wie Klage über den Fall des Absolutismus und die
Verleihung verfassungsmäßiger Rechte überhaupt. Wir wissen aber aus bester
Quelle, daß damit nur die zu weit gehenden Zugeständnisse des Königs, die
.Konstitution nach französischer Schablone gemeint war, und daß der Redner dieser
eine allmählicher sich vollziehende Reform ans Grundlage des ständischen Rechts,
welches wog und nicht zählte, vorgezogen Hütte. Freilich hatte er ferner öffent¬
lich erklärt, daß er vor dem, was die Liberalen Volk nannten, keine große Ach¬
tung habe, aber solche zu empfinden, war 1848 ganz besonders schwer für an¬
ständige Leute. Sogar vor der Presse hatte er sehr geringen Respekt, sodaß
er im Juni 1850 an Wagener schreiben konnte: „Ich kann nicht leugnen, daß
mir einige Chalif-Omarsche Gelüste beiwohnen, nicht nnr zur Zerstörung der
Bücher außer dem christlichen »Koran«, sondern auch zur Zerstörung der Mittel,
neue zu erzeugen. Die Buchdruckerkunst ist des Antichnsten auserlesenes Rüstzeug,
mehr als das Schießpulver." Indes war das der Eifer des Protestanten, der
immer übertreibt, und es gab damals in der deutschen Presse noch mehr als
heute viel, wogegen ein gesunder Verstand und ein ehrliches Herz protestiren
mußten. Übrigens machte Bismarck damals praktisch eine Ausnahme von seinen
Gelüsten selbst in Betreff der Tagespresse, indem er sich selbst lebhaft an ihr
beteiligte. „Während der parlamentarischen Verhandlungen erschien kaum eine
Nummer der Kreuzzeitung, welche nicht einen längeren oder kürzeren Artikel des
Herrn v. Bismarck enthalten hätte," schreibt Wagener, der damalige Redakteur
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