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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Hiddensee,

kürzlich erschienenen Ausgabe des Saxo (Straßburg, bei Trübner, 1886) überall
hergestellt ist. Dem IIMinsos des Saxo entspricht die von der Edda und der
Knhtlingasaga überlieferte Namensform Höäiu8s^.

Hithinus, so berichtet Saxo, ein Jüngling von schmächtiger, aber aus¬
nehmend schöner Gestalt, und Hilda, die Tochter des Jütenkönigs Hoginus,
d. h. Högni, waren, noch ehe sie einander mit Augen gesehen hatten, durch deu
bloßen Ruf ihres Namens in gegenseitiger Liebe entbrannt. Als sie dann aber
einander ansichtig geworden waren, konnten sie nimmer die Blicke von einander
wenden. Hithin erhielt auch die Einwilligung Högnis zur Ehe. Aber bald
sagte man ihm nach, er habe die Verlobte noch vor der Vermählung verführt,
"was damals allen Völkern ein Greuel war." Högni, der solchen Verleum-
dungen Glauben schenkte, überzog den Eidam mit Krieg, wurde jedoch besiegt
und floh in sein Reich nach Jütland zurück. Nun macht der König Frotho
auf Grund der von ihm erlassenen Friedensgebotc einen Sühneversuch; da er
aber sieht, daß der Jütenherzog gegen alle Mahnungen taub bleibt, vielmehr
seine Tochter nur umso heftiger zurückfordert, gestattet er die Fortsetzung der
Fehde als das einzige Mittel, den Streit beizulegen. Nach längerem Kampfe
sinkt Hithin schwer verwundet zu Boden, findet jedoch wider Erwarten Gnade.
Denn der Sieger hat Mitleid mit der Schönheit und der Jugend seines Gegners
"ut scheut sich auch, einen Wehrlosen zu töten, der so wie so dem Tode ver¬
fallen schien. "So sehr, fügt der Autor hinzu, wahrte in alter Zeit die
Tapferkeit der Kämpen alle Gebote der Ritterlichkeit" (crmota. vörsounälas mo-
uieMg.). Aber sieben Jahre später wurde der Friede abermals gebrochen.
Bei der Insel Hithinsö trafen die Gegner aufeinander und schlugen sich gegen¬
seitig die Todeswunde. Hilda aber soll aus Liebe zu dem erschlagenen Gemahl
durch Gebete und Zauberformeln die Gefallenen zum Leben erweckt haben, damit
Ac den Kampf fortsetzten.

Die eben geschilderte Schlacht ist also -- wann, wissen wir nicht -- nach
er westwärts von Rügen gelegenen Insel, die den Dänen bei ihren häufigen
"Ehrten ins Ostmeer wohl bekannt sein mußte, verlegt, und die Insel selbst,
vorher vielleicht namenlos, für alle Zeit darnach benannt worden. Und so hat
cum allerdings Förstemann Recht mit seiner Vermutung, daß der fragliche
ame dänischen Ursprunges sei. Denn dänisch ist nicht nur der erste, eben er-
^te, sondern auch der zweite Bestandteil des Wortes, Ö nämlich ist das
^^ich-schwedische Wort für Ane, althochdeutsch omva, welches, verwandt mit
^ ÄMA, Wasser, eigentlich Wasserland, dann Wiese oder Insel bedeutet.
^ 'se die altnordische Form des Wortes, daher das bereits erwähnte Hsclinse^
^er nordischen Quellen, während das niederdeutsche einmal das jetzt so gut
>e verschollene ovo, anderseits das noch erhaltene Ole aufweist, in welchem
vert ^ ^ nordischen Form ein uraltes, schon dem althochdeutscher Worte
vrenes i erhalten hat. Man kennt die kleine nordwärts von der Peencmündung


'"renzbotcn III. 1837. 78
Hiddensee,

kürzlich erschienenen Ausgabe des Saxo (Straßburg, bei Trübner, 1886) überall
hergestellt ist. Dem IIMinsos des Saxo entspricht die von der Edda und der
Knhtlingasaga überlieferte Namensform Höäiu8s^.

Hithinus, so berichtet Saxo, ein Jüngling von schmächtiger, aber aus¬
nehmend schöner Gestalt, und Hilda, die Tochter des Jütenkönigs Hoginus,
d. h. Högni, waren, noch ehe sie einander mit Augen gesehen hatten, durch deu
bloßen Ruf ihres Namens in gegenseitiger Liebe entbrannt. Als sie dann aber
einander ansichtig geworden waren, konnten sie nimmer die Blicke von einander
wenden. Hithin erhielt auch die Einwilligung Högnis zur Ehe. Aber bald
sagte man ihm nach, er habe die Verlobte noch vor der Vermählung verführt,
«was damals allen Völkern ein Greuel war." Högni, der solchen Verleum-
dungen Glauben schenkte, überzog den Eidam mit Krieg, wurde jedoch besiegt
und floh in sein Reich nach Jütland zurück. Nun macht der König Frotho
auf Grund der von ihm erlassenen Friedensgebotc einen Sühneversuch; da er
aber sieht, daß der Jütenherzog gegen alle Mahnungen taub bleibt, vielmehr
seine Tochter nur umso heftiger zurückfordert, gestattet er die Fortsetzung der
Fehde als das einzige Mittel, den Streit beizulegen. Nach längerem Kampfe
sinkt Hithin schwer verwundet zu Boden, findet jedoch wider Erwarten Gnade.
Denn der Sieger hat Mitleid mit der Schönheit und der Jugend seines Gegners
"ut scheut sich auch, einen Wehrlosen zu töten, der so wie so dem Tode ver¬
fallen schien. „So sehr, fügt der Autor hinzu, wahrte in alter Zeit die
Tapferkeit der Kämpen alle Gebote der Ritterlichkeit" (crmota. vörsounälas mo-
uieMg.). Aber sieben Jahre später wurde der Friede abermals gebrochen.
Bei der Insel Hithinsö trafen die Gegner aufeinander und schlugen sich gegen¬
seitig die Todeswunde. Hilda aber soll aus Liebe zu dem erschlagenen Gemahl
durch Gebete und Zauberformeln die Gefallenen zum Leben erweckt haben, damit
Ac den Kampf fortsetzten.

Die eben geschilderte Schlacht ist also — wann, wissen wir nicht — nach
er westwärts von Rügen gelegenen Insel, die den Dänen bei ihren häufigen
"Ehrten ins Ostmeer wohl bekannt sein mußte, verlegt, und die Insel selbst,
vorher vielleicht namenlos, für alle Zeit darnach benannt worden. Und so hat
cum allerdings Förstemann Recht mit seiner Vermutung, daß der fragliche
ame dänischen Ursprunges sei. Denn dänisch ist nicht nur der erste, eben er-
^te, sondern auch der zweite Bestandteil des Wortes, Ö nämlich ist das
^^ich-schwedische Wort für Ane, althochdeutsch omva, welches, verwandt mit
^ ÄMA, Wasser, eigentlich Wasserland, dann Wiese oder Insel bedeutet.
^ 'se die altnordische Form des Wortes, daher das bereits erwähnte Hsclinse^
^er nordischen Quellen, während das niederdeutsche einmal das jetzt so gut
>e verschollene ovo, anderseits das noch erhaltene Ole aufweist, in welchem
vert ^ ^ nordischen Form ein uraltes, schon dem althochdeutscher Worte
vrenes i erhalten hat. Man kennt die kleine nordwärts von der Peencmündung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/625>, abgerufen am 23.07.2024.