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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Englische Feldherren.

Platze ließen und welche die Hauptstadt dieses Teiles von Afghanistan mit einer
Einnahme und Plünderung durch die Sieger bedrohte. Ein Ausfall, den der
hier befestigende General Primrose wagte, wurde abgeschlagen und kostete den
Belagerten wieder 200 Mann, und nur schleuniger Entsatz konnte Kandahar
retten. Roberts, damals in Kabul, zog in Eilmärschen herbei und schlug Ejub
bei Pio Paimal durch eine Umgehung seiner Hanptstellung, worauf der afgha¬
nische Prinz mit dem Reste seiner Truppen nach Herat zurückkehrte. Daß die
Früchte dieser nicht nur kühnen, sondern auch geschickt ausgeführten Operationen
bald darauf verloren gingen, war nicht die Schuld von Roberts, sondern Folge
der Politik Gladstones, der Kandahar und Afghanistan aus kurzsichtiger Furcht
vor Nußland räumen ließ.

Roberts steht nach seinen Leistungen als ein energischer, oft tollkühner
Soldat da, welcher ein verhältnismäßig kleines, aber aus tüchtigen Leuten be¬
stehendes Heer im ganzen mit Geschick zu Siegen über Halbbarbaren zu führen
wußte, bei denen ihm die Natur in Gebirgen und Wüsten mächtige Hindernisse
entgegenstellte. Wolseley zeichnet sich nicht durch Energie und Kühnheit aus.
Er ist mehr eine bedächtige, zögernde, ja ängstlich berechnende Natur, und wenn
er Erfolge aufzuweisen hatte, so waren die ersten auf dem Zeitungspapier viel
größer als in der Wirklichkeit, während die letzten sehr bald durch schweren
Mißerfolg in den Schatten gestellt wurden. Sein Sieg über die Aschantis
und seine Niederwerfung des Aufstandes am Red River sind über alle Gebühr
zu militärischen Großthaten aufgebauscht worden. Mit seinen Leistungen in
Unterägypten und im Sudan aber verhält es sich so.

Die Verschiebung der englischen Operationsbasis, das Abschwenken der
Armee nach Jsmailia, welche nach Wolseleys Eintreffen in Ägypten angeordnet
wurde, war eine geschickte Operation, die indes auf der Hand lag, da es
Tollkühnheit, ja Wahnsinn gewesen wäre, wenn man die Stellung Arabis bei
Kafr Ed Dauar nicht bloß beobachtet und dem Anscheine nach bedroht, sondern
"n't Sturm zu nehmen versucht hätte. Der Hauptangrisf von Jsmailia her schnitt

Führer der Rebellen überdies die Möglichkeit ab, mit seinen Schaaren nach
Oberäghpten zu entweichen und einen langwierigen Guerillakrieg zu beginnen,
>"le ihn Mund Bei 1798 bis 1800 gegen die Franzosen zu führen imstande
war. Der ursprüngliche Plan, die Ägypter bei Kafr Ed Dauar anzugreifen,
den Stier bei den Hörnern zu fassen, entsprach der englischen Tradition, war
^er fast eine ebenso große Thorheit des Vorgängers Wolseleys im Oberbefehl,
wie die falsche Annahme jenes Generals (Alisons) bei der Schätzung der feind¬
lichen Streitkräfte, die nicht, wie er glaubte, bloß 15 000 Mann, sondern we¬
nigstens doppelt so stark waren. Wolseley war vorsichtiger und rechnete richtiger.
Die Operationsbasis wurde an den Suezkanal verlegt, nur eine Division verblieb
in Ramleh. um die Ägypter in Kafr Ed Dauar zu täuschen und dort fest¬
zuhalten, und das Expeditionskorps, bisher nur 22 000 Mann mit 48 Ge-


Englische Feldherren.

Platze ließen und welche die Hauptstadt dieses Teiles von Afghanistan mit einer
Einnahme und Plünderung durch die Sieger bedrohte. Ein Ausfall, den der
hier befestigende General Primrose wagte, wurde abgeschlagen und kostete den
Belagerten wieder 200 Mann, und nur schleuniger Entsatz konnte Kandahar
retten. Roberts, damals in Kabul, zog in Eilmärschen herbei und schlug Ejub
bei Pio Paimal durch eine Umgehung seiner Hanptstellung, worauf der afgha¬
nische Prinz mit dem Reste seiner Truppen nach Herat zurückkehrte. Daß die
Früchte dieser nicht nur kühnen, sondern auch geschickt ausgeführten Operationen
bald darauf verloren gingen, war nicht die Schuld von Roberts, sondern Folge
der Politik Gladstones, der Kandahar und Afghanistan aus kurzsichtiger Furcht
vor Nußland räumen ließ.

Roberts steht nach seinen Leistungen als ein energischer, oft tollkühner
Soldat da, welcher ein verhältnismäßig kleines, aber aus tüchtigen Leuten be¬
stehendes Heer im ganzen mit Geschick zu Siegen über Halbbarbaren zu führen
wußte, bei denen ihm die Natur in Gebirgen und Wüsten mächtige Hindernisse
entgegenstellte. Wolseley zeichnet sich nicht durch Energie und Kühnheit aus.
Er ist mehr eine bedächtige, zögernde, ja ängstlich berechnende Natur, und wenn
er Erfolge aufzuweisen hatte, so waren die ersten auf dem Zeitungspapier viel
größer als in der Wirklichkeit, während die letzten sehr bald durch schweren
Mißerfolg in den Schatten gestellt wurden. Sein Sieg über die Aschantis
und seine Niederwerfung des Aufstandes am Red River sind über alle Gebühr
zu militärischen Großthaten aufgebauscht worden. Mit seinen Leistungen in
Unterägypten und im Sudan aber verhält es sich so.

Die Verschiebung der englischen Operationsbasis, das Abschwenken der
Armee nach Jsmailia, welche nach Wolseleys Eintreffen in Ägypten angeordnet
wurde, war eine geschickte Operation, die indes auf der Hand lag, da es
Tollkühnheit, ja Wahnsinn gewesen wäre, wenn man die Stellung Arabis bei
Kafr Ed Dauar nicht bloß beobachtet und dem Anscheine nach bedroht, sondern
"n't Sturm zu nehmen versucht hätte. Der Hauptangrisf von Jsmailia her schnitt

Führer der Rebellen überdies die Möglichkeit ab, mit seinen Schaaren nach
Oberäghpten zu entweichen und einen langwierigen Guerillakrieg zu beginnen,
>"le ihn Mund Bei 1798 bis 1800 gegen die Franzosen zu führen imstande
war. Der ursprüngliche Plan, die Ägypter bei Kafr Ed Dauar anzugreifen,
den Stier bei den Hörnern zu fassen, entsprach der englischen Tradition, war
^er fast eine ebenso große Thorheit des Vorgängers Wolseleys im Oberbefehl,
wie die falsche Annahme jenes Generals (Alisons) bei der Schätzung der feind¬
lichen Streitkräfte, die nicht, wie er glaubte, bloß 15 000 Mann, sondern we¬
nigstens doppelt so stark waren. Wolseley war vorsichtiger und rechnete richtiger.
Die Operationsbasis wurde an den Suezkanal verlegt, nur eine Division verblieb
in Ramleh. um die Ägypter in Kafr Ed Dauar zu täuschen und dort fest¬
zuhalten, und das Expeditionskorps, bisher nur 22 000 Mann mit 48 Ge-


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[0603] Englische Feldherren. Platze ließen und welche die Hauptstadt dieses Teiles von Afghanistan mit einer Einnahme und Plünderung durch die Sieger bedrohte. Ein Ausfall, den der hier befestigende General Primrose wagte, wurde abgeschlagen und kostete den Belagerten wieder 200 Mann, und nur schleuniger Entsatz konnte Kandahar retten. Roberts, damals in Kabul, zog in Eilmärschen herbei und schlug Ejub bei Pio Paimal durch eine Umgehung seiner Hanptstellung, worauf der afgha¬ nische Prinz mit dem Reste seiner Truppen nach Herat zurückkehrte. Daß die Früchte dieser nicht nur kühnen, sondern auch geschickt ausgeführten Operationen bald darauf verloren gingen, war nicht die Schuld von Roberts, sondern Folge der Politik Gladstones, der Kandahar und Afghanistan aus kurzsichtiger Furcht vor Nußland räumen ließ. Roberts steht nach seinen Leistungen als ein energischer, oft tollkühner Soldat da, welcher ein verhältnismäßig kleines, aber aus tüchtigen Leuten be¬ stehendes Heer im ganzen mit Geschick zu Siegen über Halbbarbaren zu führen wußte, bei denen ihm die Natur in Gebirgen und Wüsten mächtige Hindernisse entgegenstellte. Wolseley zeichnet sich nicht durch Energie und Kühnheit aus. Er ist mehr eine bedächtige, zögernde, ja ängstlich berechnende Natur, und wenn er Erfolge aufzuweisen hatte, so waren die ersten auf dem Zeitungspapier viel größer als in der Wirklichkeit, während die letzten sehr bald durch schweren Mißerfolg in den Schatten gestellt wurden. Sein Sieg über die Aschantis und seine Niederwerfung des Aufstandes am Red River sind über alle Gebühr zu militärischen Großthaten aufgebauscht worden. Mit seinen Leistungen in Unterägypten und im Sudan aber verhält es sich so. Die Verschiebung der englischen Operationsbasis, das Abschwenken der Armee nach Jsmailia, welche nach Wolseleys Eintreffen in Ägypten angeordnet wurde, war eine geschickte Operation, die indes auf der Hand lag, da es Tollkühnheit, ja Wahnsinn gewesen wäre, wenn man die Stellung Arabis bei Kafr Ed Dauar nicht bloß beobachtet und dem Anscheine nach bedroht, sondern "n't Sturm zu nehmen versucht hätte. Der Hauptangrisf von Jsmailia her schnitt Führer der Rebellen überdies die Möglichkeit ab, mit seinen Schaaren nach Oberäghpten zu entweichen und einen langwierigen Guerillakrieg zu beginnen, >"le ihn Mund Bei 1798 bis 1800 gegen die Franzosen zu führen imstande war. Der ursprüngliche Plan, die Ägypter bei Kafr Ed Dauar anzugreifen, den Stier bei den Hörnern zu fassen, entsprach der englischen Tradition, war ^er fast eine ebenso große Thorheit des Vorgängers Wolseleys im Oberbefehl, wie die falsche Annahme jenes Generals (Alisons) bei der Schätzung der feind¬ lichen Streitkräfte, die nicht, wie er glaubte, bloß 15 000 Mann, sondern we¬ nigstens doppelt so stark waren. Wolseley war vorsichtiger und rechnete richtiger. Die Operationsbasis wurde an den Suezkanal verlegt, nur eine Division verblieb in Ramleh. um die Ägypter in Kafr Ed Dauar zu täuschen und dort fest¬ zuhalten, und das Expeditionskorps, bisher nur 22 000 Mann mit 48 Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/603>, abgerufen am 23.07.2024.