Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

denkende Maler, welche ihre Handfertigkeit so ausgebildet haben, daß sie imstande
sind, Ölskizzen vor der Natur in fünfzehn bis zwanzig Minuten soweit auszu¬
führen, als es ihrem Zwecke der Festhaltung eines gewissen Augenblicks ent¬
spricht. Aber eine solche Fertigkeit steht nur vereinzelt da und kann auch leicht
zu hohlen Virtnosenknnststücken ausarten, wie wir sie zu unserm Schrecken
von den sogenannten "Konzertmalern" gesehen haben. Die Aquarellmalerei ist
schon wegen ihrer leichten, flüssigen Darstellungsmittel weit besser imstande, ge¬
wisse Phänomene der Natur, wie eilig vorüberziehende Wolken, flüchtige Sonnen¬
blicke, plötzliche Mondscheineffekte, seltsame Dämmerungserschcinungen und Fär¬
bungen des Horizontes festzuhalten, und ein gleiches gilt natürlich auch für
Studien nach Mensche" und Tieren, mögen sie nun als Einzelfiguren heraus-
gegriffen oder gleich bildmäßig zu Gruppen geordnet werden. Mit der Absicht,
möglichst schnell und möglichst bequem ein farbiges Abbild der Natur zu ge¬
winnen, hängt die sorgsame Pflege zusammen, welche seit einigen Jahren der
Pastelltcchnik gewidmet worden ist, wenigstens zum Teil. Denn zum andern
Teil ist auch das Streben nach Hellmalcrci von Einfluß auf die Aufnahme
dieses flüchtigste" und in seinen Wirkungen vergänglichsten aller Darstellungs'
Mittel gewesen. Man sieht, wie sich hier alle Bestrebungen vereinige!?, welche
man am besten unter dem Namen Naturalismus, aber in der eigentlichen Be¬
deutung des Wortes ohne tadelnden Nebensinn, zusammenfaßt. Indem man
jetzt statt auf Papier auf einer feinen präparirten Leinwand mit den farbigen
Stiften zeichnet, sucht man der Technik eine größere Dauerhaftigkeit zu ver¬
leihen, aber man ist nach wie vor genötigt, die Pastellbilder unter Glas zu
bringen, damit die Farben nicht zerstäuben. Blaß werden sie mit der Zeit
trotzdem werden; doch entspricht der lichte Gesamtton gerade den Absichten der
Maler. Die Berliner Ausstellung hat etwa zwei Dutzend Pastellzeichnungcn
auszuweisen, meist Bildnisse, Studienköpfe und Halbfiguren. Die Technik ist
jedoch keineswegs an das Pvrträtgcnre gebunden, wie man etwa nach den
Leistungen des vorigen Jahrhunderts glauben könnte. Der französirte Italiener
Nittis hat während der letzten Jahre seines Lebens ziemlich figurenreiche
Genrebilder aus dem Pariser Leben gezeichnet, und in München haben Pigl-
hein und Koppay nach ihm ein gleiches gethan. Piglhein hat freilich durch die
Wahl frivoler Motive die Technik in Mißkredit gebracht, und Koppah, der eine
Reihe vortrefflicher Pastellbildnisse in ganzer Figur ausgeführt hat. hat sich
leider verführen lassen, mit einigen Genrebildern aus dem Kinderleben, deren
eines er ebenso frivol als geschmacklos "Adam und Eva" genannt hat, jenem
auf das schlüpfrige Gebiet zu folgen. Die Technik darf natürlich nicht für
die Ausschreitungen einzelner büßen. Die Leichtigkeit ihrer Handhabung ist nicht
auch notwendig mit Leichtfertigkeit des Inhalts verbunden, wenn auch die Pastcll-
Mchuuugeu des vorigen Jahrhundes meist keine andre Erklärung zulassen. Ein
w Berlin ansässiger, freilich in der Münchner Schule gebildeter Künstler, Konrad


denkende Maler, welche ihre Handfertigkeit so ausgebildet haben, daß sie imstande
sind, Ölskizzen vor der Natur in fünfzehn bis zwanzig Minuten soweit auszu¬
führen, als es ihrem Zwecke der Festhaltung eines gewissen Augenblicks ent¬
spricht. Aber eine solche Fertigkeit steht nur vereinzelt da und kann auch leicht
zu hohlen Virtnosenknnststücken ausarten, wie wir sie zu unserm Schrecken
von den sogenannten „Konzertmalern" gesehen haben. Die Aquarellmalerei ist
schon wegen ihrer leichten, flüssigen Darstellungsmittel weit besser imstande, ge¬
wisse Phänomene der Natur, wie eilig vorüberziehende Wolken, flüchtige Sonnen¬
blicke, plötzliche Mondscheineffekte, seltsame Dämmerungserschcinungen und Fär¬
bungen des Horizontes festzuhalten, und ein gleiches gilt natürlich auch für
Studien nach Mensche» und Tieren, mögen sie nun als Einzelfiguren heraus-
gegriffen oder gleich bildmäßig zu Gruppen geordnet werden. Mit der Absicht,
möglichst schnell und möglichst bequem ein farbiges Abbild der Natur zu ge¬
winnen, hängt die sorgsame Pflege zusammen, welche seit einigen Jahren der
Pastelltcchnik gewidmet worden ist, wenigstens zum Teil. Denn zum andern
Teil ist auch das Streben nach Hellmalcrci von Einfluß auf die Aufnahme
dieses flüchtigste» und in seinen Wirkungen vergänglichsten aller Darstellungs'
Mittel gewesen. Man sieht, wie sich hier alle Bestrebungen vereinige!?, welche
man am besten unter dem Namen Naturalismus, aber in der eigentlichen Be¬
deutung des Wortes ohne tadelnden Nebensinn, zusammenfaßt. Indem man
jetzt statt auf Papier auf einer feinen präparirten Leinwand mit den farbigen
Stiften zeichnet, sucht man der Technik eine größere Dauerhaftigkeit zu ver¬
leihen, aber man ist nach wie vor genötigt, die Pastellbilder unter Glas zu
bringen, damit die Farben nicht zerstäuben. Blaß werden sie mit der Zeit
trotzdem werden; doch entspricht der lichte Gesamtton gerade den Absichten der
Maler. Die Berliner Ausstellung hat etwa zwei Dutzend Pastellzeichnungcn
auszuweisen, meist Bildnisse, Studienköpfe und Halbfiguren. Die Technik ist
jedoch keineswegs an das Pvrträtgcnre gebunden, wie man etwa nach den
Leistungen des vorigen Jahrhunderts glauben könnte. Der französirte Italiener
Nittis hat während der letzten Jahre seines Lebens ziemlich figurenreiche
Genrebilder aus dem Pariser Leben gezeichnet, und in München haben Pigl-
hein und Koppay nach ihm ein gleiches gethan. Piglhein hat freilich durch die
Wahl frivoler Motive die Technik in Mißkredit gebracht, und Koppah, der eine
Reihe vortrefflicher Pastellbildnisse in ganzer Figur ausgeführt hat. hat sich
leider verführen lassen, mit einigen Genrebildern aus dem Kinderleben, deren
eines er ebenso frivol als geschmacklos „Adam und Eva" genannt hat, jenem
auf das schlüpfrige Gebiet zu folgen. Die Technik darf natürlich nicht für
die Ausschreitungen einzelner büßen. Die Leichtigkeit ihrer Handhabung ist nicht
auch notwendig mit Leichtfertigkeit des Inhalts verbunden, wenn auch die Pastcll-
Mchuuugeu des vorigen Jahrhundes meist keine andre Erklärung zulassen. Ein
w Berlin ansässiger, freilich in der Münchner Schule gebildeter Künstler, Konrad


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0591" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201370"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1946" prev="#ID_1945" next="#ID_1947"> denkende Maler, welche ihre Handfertigkeit so ausgebildet haben, daß sie imstande<lb/>
sind, Ölskizzen vor der Natur in fünfzehn bis zwanzig Minuten soweit auszu¬<lb/>
führen, als es ihrem Zwecke der Festhaltung eines gewissen Augenblicks ent¬<lb/>
spricht. Aber eine solche Fertigkeit steht nur vereinzelt da und kann auch leicht<lb/>
zu hohlen Virtnosenknnststücken ausarten, wie wir sie zu unserm Schrecken<lb/>
von den sogenannten &#x201E;Konzertmalern" gesehen haben. Die Aquarellmalerei ist<lb/>
schon wegen ihrer leichten, flüssigen Darstellungsmittel weit besser imstande, ge¬<lb/>
wisse Phänomene der Natur, wie eilig vorüberziehende Wolken, flüchtige Sonnen¬<lb/>
blicke, plötzliche Mondscheineffekte, seltsame Dämmerungserschcinungen und Fär¬<lb/>
bungen des Horizontes festzuhalten, und ein gleiches gilt natürlich auch für<lb/>
Studien nach Mensche» und Tieren, mögen sie nun als Einzelfiguren heraus-<lb/>
gegriffen oder gleich bildmäßig zu Gruppen geordnet werden. Mit der Absicht,<lb/>
möglichst schnell und möglichst bequem ein farbiges Abbild der Natur zu ge¬<lb/>
winnen, hängt die sorgsame Pflege zusammen, welche seit einigen Jahren der<lb/>
Pastelltcchnik gewidmet worden ist, wenigstens zum Teil. Denn zum andern<lb/>
Teil ist auch das Streben nach Hellmalcrci von Einfluß auf die Aufnahme<lb/>
dieses flüchtigste» und in seinen Wirkungen vergänglichsten aller Darstellungs'<lb/>
Mittel gewesen. Man sieht, wie sich hier alle Bestrebungen vereinige!?, welche<lb/>
man am besten unter dem Namen Naturalismus, aber in der eigentlichen Be¬<lb/>
deutung des Wortes ohne tadelnden Nebensinn, zusammenfaßt. Indem man<lb/>
jetzt statt auf Papier auf einer feinen präparirten Leinwand mit den farbigen<lb/>
Stiften zeichnet, sucht man der Technik eine größere Dauerhaftigkeit zu ver¬<lb/>
leihen, aber man ist nach wie vor genötigt, die Pastellbilder unter Glas zu<lb/>
bringen, damit die Farben nicht zerstäuben. Blaß werden sie mit der Zeit<lb/>
trotzdem werden; doch entspricht der lichte Gesamtton gerade den Absichten der<lb/>
Maler. Die Berliner Ausstellung hat etwa zwei Dutzend Pastellzeichnungcn<lb/>
auszuweisen, meist Bildnisse, Studienköpfe und Halbfiguren. Die Technik ist<lb/>
jedoch keineswegs an das Pvrträtgcnre gebunden, wie man etwa nach den<lb/>
Leistungen des vorigen Jahrhunderts glauben könnte. Der französirte Italiener<lb/>
Nittis hat während der letzten Jahre seines Lebens ziemlich figurenreiche<lb/>
Genrebilder aus dem Pariser Leben gezeichnet, und in München haben Pigl-<lb/>
hein und Koppay nach ihm ein gleiches gethan. Piglhein hat freilich durch die<lb/>
Wahl frivoler Motive die Technik in Mißkredit gebracht, und Koppah, der eine<lb/>
Reihe vortrefflicher Pastellbildnisse in ganzer Figur ausgeführt hat. hat sich<lb/>
leider verführen lassen, mit einigen Genrebildern aus dem Kinderleben, deren<lb/>
eines er ebenso frivol als geschmacklos &#x201E;Adam und Eva" genannt hat, jenem<lb/>
auf das schlüpfrige Gebiet zu folgen. Die Technik darf natürlich nicht für<lb/>
die Ausschreitungen einzelner büßen. Die Leichtigkeit ihrer Handhabung ist nicht<lb/>
auch notwendig mit Leichtfertigkeit des Inhalts verbunden, wenn auch die Pastcll-<lb/>
Mchuuugeu des vorigen Jahrhundes meist keine andre Erklärung zulassen. Ein<lb/>
w Berlin ansässiger, freilich in der Münchner Schule gebildeter Künstler, Konrad</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0591] denkende Maler, welche ihre Handfertigkeit so ausgebildet haben, daß sie imstande sind, Ölskizzen vor der Natur in fünfzehn bis zwanzig Minuten soweit auszu¬ führen, als es ihrem Zwecke der Festhaltung eines gewissen Augenblicks ent¬ spricht. Aber eine solche Fertigkeit steht nur vereinzelt da und kann auch leicht zu hohlen Virtnosenknnststücken ausarten, wie wir sie zu unserm Schrecken von den sogenannten „Konzertmalern" gesehen haben. Die Aquarellmalerei ist schon wegen ihrer leichten, flüssigen Darstellungsmittel weit besser imstande, ge¬ wisse Phänomene der Natur, wie eilig vorüberziehende Wolken, flüchtige Sonnen¬ blicke, plötzliche Mondscheineffekte, seltsame Dämmerungserschcinungen und Fär¬ bungen des Horizontes festzuhalten, und ein gleiches gilt natürlich auch für Studien nach Mensche» und Tieren, mögen sie nun als Einzelfiguren heraus- gegriffen oder gleich bildmäßig zu Gruppen geordnet werden. Mit der Absicht, möglichst schnell und möglichst bequem ein farbiges Abbild der Natur zu ge¬ winnen, hängt die sorgsame Pflege zusammen, welche seit einigen Jahren der Pastelltcchnik gewidmet worden ist, wenigstens zum Teil. Denn zum andern Teil ist auch das Streben nach Hellmalcrci von Einfluß auf die Aufnahme dieses flüchtigste» und in seinen Wirkungen vergänglichsten aller Darstellungs' Mittel gewesen. Man sieht, wie sich hier alle Bestrebungen vereinige!?, welche man am besten unter dem Namen Naturalismus, aber in der eigentlichen Be¬ deutung des Wortes ohne tadelnden Nebensinn, zusammenfaßt. Indem man jetzt statt auf Papier auf einer feinen präparirten Leinwand mit den farbigen Stiften zeichnet, sucht man der Technik eine größere Dauerhaftigkeit zu ver¬ leihen, aber man ist nach wie vor genötigt, die Pastellbilder unter Glas zu bringen, damit die Farben nicht zerstäuben. Blaß werden sie mit der Zeit trotzdem werden; doch entspricht der lichte Gesamtton gerade den Absichten der Maler. Die Berliner Ausstellung hat etwa zwei Dutzend Pastellzeichnungcn auszuweisen, meist Bildnisse, Studienköpfe und Halbfiguren. Die Technik ist jedoch keineswegs an das Pvrträtgcnre gebunden, wie man etwa nach den Leistungen des vorigen Jahrhunderts glauben könnte. Der französirte Italiener Nittis hat während der letzten Jahre seines Lebens ziemlich figurenreiche Genrebilder aus dem Pariser Leben gezeichnet, und in München haben Pigl- hein und Koppay nach ihm ein gleiches gethan. Piglhein hat freilich durch die Wahl frivoler Motive die Technik in Mißkredit gebracht, und Koppah, der eine Reihe vortrefflicher Pastellbildnisse in ganzer Figur ausgeführt hat. hat sich leider verführen lassen, mit einigen Genrebildern aus dem Kinderleben, deren eines er ebenso frivol als geschmacklos „Adam und Eva" genannt hat, jenem auf das schlüpfrige Gebiet zu folgen. Die Technik darf natürlich nicht für die Ausschreitungen einzelner büßen. Die Leichtigkeit ihrer Handhabung ist nicht auch notwendig mit Leichtfertigkeit des Inhalts verbunden, wenn auch die Pastcll- Mchuuugeu des vorigen Jahrhundes meist keine andre Erklärung zulassen. Ein w Berlin ansässiger, freilich in der Münchner Schule gebildeter Künstler, Konrad

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/591
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/591>, abgerufen am 23.07.2024.