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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Das Schulgeld.

last geschehen ist und auch in den 1868 und 1869 dem Landtage vorgelegten
Schulgesetzentwürfen in Aussicht genommen war, oder aber die Beibehaltung
des Schulgeldes für Fälle, in denen die erwähnten Verhältnisse in besonders
hohem Grade obwalten, zulassen. Welcher dieser beiden Wege der zweckmäßigere
sein wird, dürfte wesentlich von dem Verhältnis derjenigen Gutsbezirke, in
welchen die gedachten Zustünde vorherrschen, zu der Gesamtheit der Gutsbezirke
abhängen. Es wird jedoch erwogen werden müssen, daß die statutarische Bei¬
behaltung des Schulgeldes ohnedies bei den oben dargestellten Verhältnissen
der Gemeinden sich nicht wird umgehen lassen und daher der Weg einer Durch¬
löcherung des Rechtssystems der Gutsbezirke vermieden werden kann; denn wo
auch bei Erhebung eines Schulgeldes die Belastung des Gutsherrn noch eine
übermäßige sein würde, da ist es geboten, deu Gutsbezirk überhaupt aufzuheben.

Selbstverständlich sind die im vorstehenden beleuchteten Verhältnisse nicht
die einzigen, unter denen die Beibehaltung des Schulgeldes geboten erscheint;
indes es sind Wohl die verbreitetsten, und sie genügen, um die Notwendigkeit
zu beweisen, bei einer grundsätzlichen Abschaffung des Schulgeldes doch den Ge¬
meinden die Möglichkeit zu lassen, es durch Statut beizubehalten oder neu
einzuführen. Nur dann könnte dies vermieden werden, wenn der Staat in
allen Fällen, in denen sonst nur durch Beibehaltung des Schulgeldes Mi߬
stände zu vermeiden wären, in vollem, zur Verhütung solcher Mißstände er¬
forderlichen Umfange mit seinen Mitteln einträte, worin aber wieder vielfach
ein ungerechtfertigtes Geschenk an gewisse Einwohnerklassen auf Kosten der Ge¬
samtheit der Steuerzahler liegen würde. Wenn man aber den Gemeinden
die Beibehaltung des Schulgeldes durch Statut gestattet, so ist damit nicht
gesagt, daß sie hierin unbeschränkt sein sollen. Es wird vielmehr die Ent¬
scheidung der Aufsichtsbehörde zu übertragen sein, und zwar, da es sich
um Gemeiudehaushalts- und Schulinteressen handelt, der Gemeinde- und der
Schulaufsichtsbehörde. Diese werden insbesondre auch dann zu entscheiden haben,
wenn von mehreren zu einem Schulsystem vereinigten Gemeinden oder Guts¬
bezirken die einen Schulgeld erheben wollen, die andern nicht, da es nicht
Wohl angeht, zuzulassen, daß innerhalb eines Schulsystems zum Teil Schulgeld
erhoben wird, zum Teil nicht. Bei all ihren Entscheidungen aber werden die
genannten Behörden stets davon auszugehen haben, daß die Erhebung von
Schulgeld nur die Ausnahme zu bilden hat und nur dort zuzulassen ist, wo
ohne sie Mißstände eintreten würden, welche nach Ermessen der Behörde die
Schattenseiten der Beibehaltung des Schulgeldes überwiegen würden.^)

Weiter wird man jedoch auch die Verwaltungsbehörden nicht beschränken



*) An Orten z. B., wo Mittel- oder höhere Schulen bestehen, wird es meist in erster
Linie, ehe man zur Beibehaltung des Schulgeldes bei der Volksschule greift, sich empfehlen,
durch Erhöhung desjenigen für die erstgenannten Schulen die Mehrbelastung des Gemeinde¬
haushalts zu decken.
Das Schulgeld.

last geschehen ist und auch in den 1868 und 1869 dem Landtage vorgelegten
Schulgesetzentwürfen in Aussicht genommen war, oder aber die Beibehaltung
des Schulgeldes für Fälle, in denen die erwähnten Verhältnisse in besonders
hohem Grade obwalten, zulassen. Welcher dieser beiden Wege der zweckmäßigere
sein wird, dürfte wesentlich von dem Verhältnis derjenigen Gutsbezirke, in
welchen die gedachten Zustünde vorherrschen, zu der Gesamtheit der Gutsbezirke
abhängen. Es wird jedoch erwogen werden müssen, daß die statutarische Bei¬
behaltung des Schulgeldes ohnedies bei den oben dargestellten Verhältnissen
der Gemeinden sich nicht wird umgehen lassen und daher der Weg einer Durch¬
löcherung des Rechtssystems der Gutsbezirke vermieden werden kann; denn wo
auch bei Erhebung eines Schulgeldes die Belastung des Gutsherrn noch eine
übermäßige sein würde, da ist es geboten, deu Gutsbezirk überhaupt aufzuheben.

Selbstverständlich sind die im vorstehenden beleuchteten Verhältnisse nicht
die einzigen, unter denen die Beibehaltung des Schulgeldes geboten erscheint;
indes es sind Wohl die verbreitetsten, und sie genügen, um die Notwendigkeit
zu beweisen, bei einer grundsätzlichen Abschaffung des Schulgeldes doch den Ge¬
meinden die Möglichkeit zu lassen, es durch Statut beizubehalten oder neu
einzuführen. Nur dann könnte dies vermieden werden, wenn der Staat in
allen Fällen, in denen sonst nur durch Beibehaltung des Schulgeldes Mi߬
stände zu vermeiden wären, in vollem, zur Verhütung solcher Mißstände er¬
forderlichen Umfange mit seinen Mitteln einträte, worin aber wieder vielfach
ein ungerechtfertigtes Geschenk an gewisse Einwohnerklassen auf Kosten der Ge¬
samtheit der Steuerzahler liegen würde. Wenn man aber den Gemeinden
die Beibehaltung des Schulgeldes durch Statut gestattet, so ist damit nicht
gesagt, daß sie hierin unbeschränkt sein sollen. Es wird vielmehr die Ent¬
scheidung der Aufsichtsbehörde zu übertragen sein, und zwar, da es sich
um Gemeiudehaushalts- und Schulinteressen handelt, der Gemeinde- und der
Schulaufsichtsbehörde. Diese werden insbesondre auch dann zu entscheiden haben,
wenn von mehreren zu einem Schulsystem vereinigten Gemeinden oder Guts¬
bezirken die einen Schulgeld erheben wollen, die andern nicht, da es nicht
Wohl angeht, zuzulassen, daß innerhalb eines Schulsystems zum Teil Schulgeld
erhoben wird, zum Teil nicht. Bei all ihren Entscheidungen aber werden die
genannten Behörden stets davon auszugehen haben, daß die Erhebung von
Schulgeld nur die Ausnahme zu bilden hat und nur dort zuzulassen ist, wo
ohne sie Mißstände eintreten würden, welche nach Ermessen der Behörde die
Schattenseiten der Beibehaltung des Schulgeldes überwiegen würden.^)

Weiter wird man jedoch auch die Verwaltungsbehörden nicht beschränken



*) An Orten z. B., wo Mittel- oder höhere Schulen bestehen, wird es meist in erster
Linie, ehe man zur Beibehaltung des Schulgeldes bei der Volksschule greift, sich empfehlen,
durch Erhöhung desjenigen für die erstgenannten Schulen die Mehrbelastung des Gemeinde¬
haushalts zu decken.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/579>, abgerufen am 23.07.2024.