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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Das Schulgeld.

anderseits infolge der verhältnismäßig hohen Belastung zu zahlreichen Exekutionen
und damit hohen Erhebungskosten führen. Für solche Fälle wird es, da für
die einfachen Verhältnisse kleiner Gemeinden und ihres Haushaltes die Ein¬
führung eines vollständigen Zwecksteuersystems nicht zu empfehlen sein wird,
oft ein sehr angemessener Ausweg sei, die kleinen Bewohner im übrigen von
Gemeindesteuern frei zu lassen und nur zu einem mäßigen Schulgelde heranzu-
ziehen. Die hierdurch herbeigeführte gänzliche Freilassung der Kinderlosen
kann nicht schwer ins Gewicht fallen, da gerade die niedern Stände in frühern
Jahren als die höher", und sobald es ihnen irgend möglich ist, zu hei¬
raten Pflegen, die unverheiratet bleibenden daher auch thatsächlich meist die
ärmsten sind.

Anderseits kann auch gerade das Vorhandensein zahlreicher wohlhabender,
unangesessener Einwohner die Beibehaltung eines Schulgeldes dringend wün¬
schenswert machen, nämlich dann, wenn an einem Orte besonders viele Personen
ihren Wohnsitz haben, deren Einkommen lediglich aus auswärts gelegenem
Grundbesitz oder auswärts betriebenen Gewerben, Bergwerken ?c. fließt. Diese
Personen können, während sie alle Anstalten ihrer Wohnsitzgemeinde in dem¬
selben Maße wie die andern Einwohner benutzen, von dieser nur mit einem
Viertel ihres Einkommens zu den Gemeindesteuern herangezogen werden, ohne
daß sie in andrer Weise der Wohnsitzgemeinde einen entsprechenden Nutzen
bringen. In derartigen Fällen kann daher die möglichst umfassende Anwendung
des Gebührenprinzips und damit auch die Erhebung von Schulgeld das
einzige Mittel sein, diese Einwohncrklasse angemessen für die Gemeindebedürfnisse
in Anspruch zu nehmen.

Ähnlich liegen die Verhältnisse in Orten, an denen sich eine außergewöhnlich
große Zahl von Beamten befindet -- man denke an die oft auf kleinen Dörfern
gelegenen großen Eisenbahnstationen --: die Beamten genießen gegenüber den Ge-
meindeabgaben Vorrechte, vermöge deren sie nur in beschränktem Umfange zu den¬
selben herangezogen werden können. In dem Augenblicke, wo die Schullasten aus
Svzietäts- zu Kommnnallasten werden, erstrecken sich die Vorrechte auch auf
diese. Hierdurch kann der Gemeinde ein sehr erheblicher Ausfall entstehen, den
natürlich die übrigen Einwohner zu tragen haben. Daß die Gemeinde in
andrer Weise einen gleichwertigen Nutzen von den Beamten hat, wird vielfach,
aber keineswegs immer zutreffen. Auch hier wird daher die Erhebung von
Schulgeld, auf welches ja die Beamtenvorrechte keine Anwendung finden, im
Interesse der übrigen Ortseinwohner und der Gemeinde selbst geboten sein.
Gleiches gilt von den Militärpersonen.

Wie aus der Mischung der Bevölkerung, so können auch aus deren schnellem
Wechsel der Abschaffung des Schulgeldes an einzelnen Orten Hindernisse ent¬
stehen. In Gegenden mit bedeutender Jndustriethätigkeit, vor allem in Ge¬
meinden, in denen sich solche Fabriken befinden, die regelmäßig nur einige


Grenzboten III. 1887. 72
Das Schulgeld.

anderseits infolge der verhältnismäßig hohen Belastung zu zahlreichen Exekutionen
und damit hohen Erhebungskosten führen. Für solche Fälle wird es, da für
die einfachen Verhältnisse kleiner Gemeinden und ihres Haushaltes die Ein¬
führung eines vollständigen Zwecksteuersystems nicht zu empfehlen sein wird,
oft ein sehr angemessener Ausweg sei, die kleinen Bewohner im übrigen von
Gemeindesteuern frei zu lassen und nur zu einem mäßigen Schulgelde heranzu-
ziehen. Die hierdurch herbeigeführte gänzliche Freilassung der Kinderlosen
kann nicht schwer ins Gewicht fallen, da gerade die niedern Stände in frühern
Jahren als die höher», und sobald es ihnen irgend möglich ist, zu hei¬
raten Pflegen, die unverheiratet bleibenden daher auch thatsächlich meist die
ärmsten sind.

Anderseits kann auch gerade das Vorhandensein zahlreicher wohlhabender,
unangesessener Einwohner die Beibehaltung eines Schulgeldes dringend wün¬
schenswert machen, nämlich dann, wenn an einem Orte besonders viele Personen
ihren Wohnsitz haben, deren Einkommen lediglich aus auswärts gelegenem
Grundbesitz oder auswärts betriebenen Gewerben, Bergwerken ?c. fließt. Diese
Personen können, während sie alle Anstalten ihrer Wohnsitzgemeinde in dem¬
selben Maße wie die andern Einwohner benutzen, von dieser nur mit einem
Viertel ihres Einkommens zu den Gemeindesteuern herangezogen werden, ohne
daß sie in andrer Weise der Wohnsitzgemeinde einen entsprechenden Nutzen
bringen. In derartigen Fällen kann daher die möglichst umfassende Anwendung
des Gebührenprinzips und damit auch die Erhebung von Schulgeld das
einzige Mittel sein, diese Einwohncrklasse angemessen für die Gemeindebedürfnisse
in Anspruch zu nehmen.

Ähnlich liegen die Verhältnisse in Orten, an denen sich eine außergewöhnlich
große Zahl von Beamten befindet — man denke an die oft auf kleinen Dörfern
gelegenen großen Eisenbahnstationen —: die Beamten genießen gegenüber den Ge-
meindeabgaben Vorrechte, vermöge deren sie nur in beschränktem Umfange zu den¬
selben herangezogen werden können. In dem Augenblicke, wo die Schullasten aus
Svzietäts- zu Kommnnallasten werden, erstrecken sich die Vorrechte auch auf
diese. Hierdurch kann der Gemeinde ein sehr erheblicher Ausfall entstehen, den
natürlich die übrigen Einwohner zu tragen haben. Daß die Gemeinde in
andrer Weise einen gleichwertigen Nutzen von den Beamten hat, wird vielfach,
aber keineswegs immer zutreffen. Auch hier wird daher die Erhebung von
Schulgeld, auf welches ja die Beamtenvorrechte keine Anwendung finden, im
Interesse der übrigen Ortseinwohner und der Gemeinde selbst geboten sein.
Gleiches gilt von den Militärpersonen.

Wie aus der Mischung der Bevölkerung, so können auch aus deren schnellem
Wechsel der Abschaffung des Schulgeldes an einzelnen Orten Hindernisse ent¬
stehen. In Gegenden mit bedeutender Jndustriethätigkeit, vor allem in Ge¬
meinden, in denen sich solche Fabriken befinden, die regelmäßig nur einige


Grenzboten III. 1887. 72
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[0577] Das Schulgeld. anderseits infolge der verhältnismäßig hohen Belastung zu zahlreichen Exekutionen und damit hohen Erhebungskosten führen. Für solche Fälle wird es, da für die einfachen Verhältnisse kleiner Gemeinden und ihres Haushaltes die Ein¬ führung eines vollständigen Zwecksteuersystems nicht zu empfehlen sein wird, oft ein sehr angemessener Ausweg sei, die kleinen Bewohner im übrigen von Gemeindesteuern frei zu lassen und nur zu einem mäßigen Schulgelde heranzu- ziehen. Die hierdurch herbeigeführte gänzliche Freilassung der Kinderlosen kann nicht schwer ins Gewicht fallen, da gerade die niedern Stände in frühern Jahren als die höher», und sobald es ihnen irgend möglich ist, zu hei¬ raten Pflegen, die unverheiratet bleibenden daher auch thatsächlich meist die ärmsten sind. Anderseits kann auch gerade das Vorhandensein zahlreicher wohlhabender, unangesessener Einwohner die Beibehaltung eines Schulgeldes dringend wün¬ schenswert machen, nämlich dann, wenn an einem Orte besonders viele Personen ihren Wohnsitz haben, deren Einkommen lediglich aus auswärts gelegenem Grundbesitz oder auswärts betriebenen Gewerben, Bergwerken ?c. fließt. Diese Personen können, während sie alle Anstalten ihrer Wohnsitzgemeinde in dem¬ selben Maße wie die andern Einwohner benutzen, von dieser nur mit einem Viertel ihres Einkommens zu den Gemeindesteuern herangezogen werden, ohne daß sie in andrer Weise der Wohnsitzgemeinde einen entsprechenden Nutzen bringen. In derartigen Fällen kann daher die möglichst umfassende Anwendung des Gebührenprinzips und damit auch die Erhebung von Schulgeld das einzige Mittel sein, diese Einwohncrklasse angemessen für die Gemeindebedürfnisse in Anspruch zu nehmen. Ähnlich liegen die Verhältnisse in Orten, an denen sich eine außergewöhnlich große Zahl von Beamten befindet — man denke an die oft auf kleinen Dörfern gelegenen großen Eisenbahnstationen —: die Beamten genießen gegenüber den Ge- meindeabgaben Vorrechte, vermöge deren sie nur in beschränktem Umfange zu den¬ selben herangezogen werden können. In dem Augenblicke, wo die Schullasten aus Svzietäts- zu Kommnnallasten werden, erstrecken sich die Vorrechte auch auf diese. Hierdurch kann der Gemeinde ein sehr erheblicher Ausfall entstehen, den natürlich die übrigen Einwohner zu tragen haben. Daß die Gemeinde in andrer Weise einen gleichwertigen Nutzen von den Beamten hat, wird vielfach, aber keineswegs immer zutreffen. Auch hier wird daher die Erhebung von Schulgeld, auf welches ja die Beamtenvorrechte keine Anwendung finden, im Interesse der übrigen Ortseinwohner und der Gemeinde selbst geboten sein. Gleiches gilt von den Militärpersonen. Wie aus der Mischung der Bevölkerung, so können auch aus deren schnellem Wechsel der Abschaffung des Schulgeldes an einzelnen Orten Hindernisse ent¬ stehen. In Gegenden mit bedeutender Jndustriethätigkeit, vor allem in Ge¬ meinden, in denen sich solche Fabriken befinden, die regelmäßig nur einige Grenzboten III. 1887. 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/577>, abgerufen am 23.07.2024.