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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Das Schulgeld.

Schule auf die Stufe der Volksschule herabzudrücken. Indes so zutreffend
dieser Einwand gegen die Aufhebung des Schulgeldes auch an sich ist, so greift
er doch uur bei einer so verschwindenden Anzahl von Schulen Platz, daß er
gegenüber den allgemeinen für die Aufhebung des Schulgeldes sprechenden
Gründen nicht in Betracht kommt.

Was endlich die rechtlichen Gründe anlangt, so behauptet man, die Auf¬
hebung des Schulgeldes widerstreite dem im Volke lebenden Rechtsbewußtsein,
welches vou jeher dahin gegangen sei, daß der Unterricht bezahlt werde, und
welches deshalb auch gesetzliche, die Unentgeltlichkeit regelnde Bestimmungen nicht
habe zur Durchführung gelangen lassen; sie widerstreite aber auch dem Geiste
der Verfassung, denn sie mache die verfassungsmäßige Unterrichtsfreiheit durch
die mehrerwähnte thatsächliche Ausschließung von Privatschulen großenteils hin¬
fällig und den Volksschulunterricht zum Staatsmonopol. An diesen Behaup-
tungen ist soviel richtig, daß ursprünglich, abgesehen vou den kirchlichen Schulen,
allgemein Schulgeld erhoben wurde, sowie daß, als später die preußische Gesetz¬
gebung den Grundsatz der Aufhebung des Schulgeldes aussprach, dieser nicht durch-
zudringen vermochte. Mindestens anfechtbar aber ist die Behauptung, daß dies
feinen Grund in dem Rechtsgefühl des Volkes gehabt habe. Der wahre Grund
wird vielmehr in dem Widerstande der besitzende" Klassen zu suchen sein. Ruht
doch die Steuerlast naturgemäß stets hauptsächlich auf diesen, und daß das
Schulgeld eine Bevorzugung der Wohlhabenden auf Kosten der Ärmeren be¬
deutet, ist bereits oben hervorgehoben. Es war daher natürlich, daß die wohl¬
habenden Klassen der Aufhebung des Schulgeldes entschiedenen Widerstand ent¬
gegensetzten, welchen rücksichtslos zu brechen die Negierung sich scheute und im
landrcchtlichen Gebiet auch kaum die Mittel besaß, da das Landrecht selbst nur
nebensächliche Geltung beanspruchte. Mag man aber selbst, was wir nicht ver¬
mögen, in dem Schulgelde eine von dem allgemeinen Rechtsbewußtsein des
Volkes gebilligte Einrichtung erkennen, so schließt dies nicht ans, auch eine solche
abzuschaffen, wenn sie sich minder gut als eine andre erweist.

Vollends verfehlt aber ist die Berufung auf die Verfassung. Die Ver¬
fassung sagt: ,,Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei," und: "Unterricht zu
erteilen und Unterrichtsanstalten zu gründen und zu leiten, steht jedem frei,
wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden
Staatsbehörden nachgewiesen hat." Damit wird lediglich zum Ausdruck gebracht,
daß der Staat Privatunterricht gestatte und ihn keinen andern Beschränkungen,
als den ausgesprochenen, unterwerfe. Keineswegs liegt dagegen hierin die Zusage,
dafür zu sorgen, daß nicht ein Wettbewerb des Staates oder der Gemeinde
die Gründung von Privatschulen thatsächlich unmöglich mache.

Wir haben gesehen, daß allerdings dringende Gründe für eine allgemeine
Beseitigung des Schulgeldes bei den öffentlichen Volksschulen sprechen, und
daher wird diese in ein künftiges Unterrichtsgesetz als Grundsatz aufzunehmen


Das Schulgeld.

Schule auf die Stufe der Volksschule herabzudrücken. Indes so zutreffend
dieser Einwand gegen die Aufhebung des Schulgeldes auch an sich ist, so greift
er doch uur bei einer so verschwindenden Anzahl von Schulen Platz, daß er
gegenüber den allgemeinen für die Aufhebung des Schulgeldes sprechenden
Gründen nicht in Betracht kommt.

Was endlich die rechtlichen Gründe anlangt, so behauptet man, die Auf¬
hebung des Schulgeldes widerstreite dem im Volke lebenden Rechtsbewußtsein,
welches vou jeher dahin gegangen sei, daß der Unterricht bezahlt werde, und
welches deshalb auch gesetzliche, die Unentgeltlichkeit regelnde Bestimmungen nicht
habe zur Durchführung gelangen lassen; sie widerstreite aber auch dem Geiste
der Verfassung, denn sie mache die verfassungsmäßige Unterrichtsfreiheit durch
die mehrerwähnte thatsächliche Ausschließung von Privatschulen großenteils hin¬
fällig und den Volksschulunterricht zum Staatsmonopol. An diesen Behaup-
tungen ist soviel richtig, daß ursprünglich, abgesehen vou den kirchlichen Schulen,
allgemein Schulgeld erhoben wurde, sowie daß, als später die preußische Gesetz¬
gebung den Grundsatz der Aufhebung des Schulgeldes aussprach, dieser nicht durch-
zudringen vermochte. Mindestens anfechtbar aber ist die Behauptung, daß dies
feinen Grund in dem Rechtsgefühl des Volkes gehabt habe. Der wahre Grund
wird vielmehr in dem Widerstande der besitzende» Klassen zu suchen sein. Ruht
doch die Steuerlast naturgemäß stets hauptsächlich auf diesen, und daß das
Schulgeld eine Bevorzugung der Wohlhabenden auf Kosten der Ärmeren be¬
deutet, ist bereits oben hervorgehoben. Es war daher natürlich, daß die wohl¬
habenden Klassen der Aufhebung des Schulgeldes entschiedenen Widerstand ent¬
gegensetzten, welchen rücksichtslos zu brechen die Negierung sich scheute und im
landrcchtlichen Gebiet auch kaum die Mittel besaß, da das Landrecht selbst nur
nebensächliche Geltung beanspruchte. Mag man aber selbst, was wir nicht ver¬
mögen, in dem Schulgelde eine von dem allgemeinen Rechtsbewußtsein des
Volkes gebilligte Einrichtung erkennen, so schließt dies nicht ans, auch eine solche
abzuschaffen, wenn sie sich minder gut als eine andre erweist.

Vollends verfehlt aber ist die Berufung auf die Verfassung. Die Ver¬
fassung sagt: ,,Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei," und: „Unterricht zu
erteilen und Unterrichtsanstalten zu gründen und zu leiten, steht jedem frei,
wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden
Staatsbehörden nachgewiesen hat." Damit wird lediglich zum Ausdruck gebracht,
daß der Staat Privatunterricht gestatte und ihn keinen andern Beschränkungen,
als den ausgesprochenen, unterwerfe. Keineswegs liegt dagegen hierin die Zusage,
dafür zu sorgen, daß nicht ein Wettbewerb des Staates oder der Gemeinde
die Gründung von Privatschulen thatsächlich unmöglich mache.

Wir haben gesehen, daß allerdings dringende Gründe für eine allgemeine
Beseitigung des Schulgeldes bei den öffentlichen Volksschulen sprechen, und
daher wird diese in ein künftiges Unterrichtsgesetz als Grundsatz aufzunehmen


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[0574] Das Schulgeld. Schule auf die Stufe der Volksschule herabzudrücken. Indes so zutreffend dieser Einwand gegen die Aufhebung des Schulgeldes auch an sich ist, so greift er doch uur bei einer so verschwindenden Anzahl von Schulen Platz, daß er gegenüber den allgemeinen für die Aufhebung des Schulgeldes sprechenden Gründen nicht in Betracht kommt. Was endlich die rechtlichen Gründe anlangt, so behauptet man, die Auf¬ hebung des Schulgeldes widerstreite dem im Volke lebenden Rechtsbewußtsein, welches vou jeher dahin gegangen sei, daß der Unterricht bezahlt werde, und welches deshalb auch gesetzliche, die Unentgeltlichkeit regelnde Bestimmungen nicht habe zur Durchführung gelangen lassen; sie widerstreite aber auch dem Geiste der Verfassung, denn sie mache die verfassungsmäßige Unterrichtsfreiheit durch die mehrerwähnte thatsächliche Ausschließung von Privatschulen großenteils hin¬ fällig und den Volksschulunterricht zum Staatsmonopol. An diesen Behaup- tungen ist soviel richtig, daß ursprünglich, abgesehen vou den kirchlichen Schulen, allgemein Schulgeld erhoben wurde, sowie daß, als später die preußische Gesetz¬ gebung den Grundsatz der Aufhebung des Schulgeldes aussprach, dieser nicht durch- zudringen vermochte. Mindestens anfechtbar aber ist die Behauptung, daß dies feinen Grund in dem Rechtsgefühl des Volkes gehabt habe. Der wahre Grund wird vielmehr in dem Widerstande der besitzende» Klassen zu suchen sein. Ruht doch die Steuerlast naturgemäß stets hauptsächlich auf diesen, und daß das Schulgeld eine Bevorzugung der Wohlhabenden auf Kosten der Ärmeren be¬ deutet, ist bereits oben hervorgehoben. Es war daher natürlich, daß die wohl¬ habenden Klassen der Aufhebung des Schulgeldes entschiedenen Widerstand ent¬ gegensetzten, welchen rücksichtslos zu brechen die Negierung sich scheute und im landrcchtlichen Gebiet auch kaum die Mittel besaß, da das Landrecht selbst nur nebensächliche Geltung beanspruchte. Mag man aber selbst, was wir nicht ver¬ mögen, in dem Schulgelde eine von dem allgemeinen Rechtsbewußtsein des Volkes gebilligte Einrichtung erkennen, so schließt dies nicht ans, auch eine solche abzuschaffen, wenn sie sich minder gut als eine andre erweist. Vollends verfehlt aber ist die Berufung auf die Verfassung. Die Ver¬ fassung sagt: ,,Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei," und: „Unterricht zu erteilen und Unterrichtsanstalten zu gründen und zu leiten, steht jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat." Damit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß der Staat Privatunterricht gestatte und ihn keinen andern Beschränkungen, als den ausgesprochenen, unterwerfe. Keineswegs liegt dagegen hierin die Zusage, dafür zu sorgen, daß nicht ein Wettbewerb des Staates oder der Gemeinde die Gründung von Privatschulen thatsächlich unmöglich mache. Wir haben gesehen, daß allerdings dringende Gründe für eine allgemeine Beseitigung des Schulgeldes bei den öffentlichen Volksschulen sprechen, und daher wird diese in ein künftiges Unterrichtsgesetz als Grundsatz aufzunehmen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/574>, abgerufen am 23.07.2024.