Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Schulgeld.

sondern nur die seltene Ausnahme bilden. Gewiß, es wäre gut um die Welt
bestellt, wenn die Mehrzahl der Menschen ein derartig ausgeprägtes Dank¬
barkeitsgefühl besäße!

Vom schultechnischen Standpunkte aus hat man für die Aufhebung des
Schulgeldes geltend gemacht, daß es für den Lehrer ein demütigendes, ihn mit
seiner Lage unzufrieden machendes und dadurch seine Leistungsfähigkeit beein¬
trächtigendes Bewußtsein sei, durch Beiträge der Eltern seiner Schüler unter¬
halten zu werden. Hiervon kann aber keine Rede sein, wenn die oben erwähnte
Einrichtung eingeführt wird, daß das Schulgeld zu einer Kaffe fließt, aus
welchem der Lehrer ein festes Gehalt empfängt; dann ist es für ihn genau
dasselbe, als wenn die Beiträge zu seiner Besoldung in Form von Steuern
erhoben werden.

Etwas mehr Berechtigung kann man dem Hinweis darauf zugestehen, daß,
wenn die Schulunterhaltungskosten durch Steuern aller Gemeindeglieder auf¬
gebracht werden, das Interesse an der Schule und damit die Kontrole über sie
eine allgemeinere sei, als wenn die Schule durch Schulgelder unterhalten werde,
da im erstern Fall alle Gemeindeglieder, im letzter" nur die Schulgeld zahlenden
an dem Gedeihen der Schule Anteil nähmen. Indes große Bedeutung hat
dieser Umstand auch nicht; denn allein durch Schulgeld wird wohl keine Schule
unterhalten, sondern zum Teil fast überall durch Steuern, sodciß schon jetzt
jeder Steuerzahler an der Schule beteiligt ist; allerdings würde sich diese
Teilnahme wohl mit Erhöhung der Steuern steigern.

Vollständig verfehlt ist es endlich, die Forderung der Beseitigung des
Schulgeldes auf rechtliche, aus der Verfassung hergeleitete Gründe zu stützen.
Man behauptet nämlich einmal, der verfassungsmäßigen Forderung des Staates,
daß jeder Bürger sich die Vvlksschulbildnng aneignen müsse, entspreche die Pflicht
des Staates, dafür zu sorgen, daß dies jedem Bürger ohne besondre Kosten
möglich sei; und sodann will man in der Aufbringung der Schullasten durch
Schulgeld eiuen Widerspruch mit dem verfassungsmäßigen Grundsatze, daß die
Volksschule von der Gemeinde zu unterhalten ist, erblicken, da durch das Schul-
geldsystcm die Schullast aus einer Gcmcindelast eine solche einzelner Gemeinde¬
glieder werde. Beides ist entschieden zu bestreiten. Der allgemeinen Schul¬
pflicht entspricht nur die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß die nötigen
Schulen vorhanden sind, und daß deren Benutzung jedem, auch dem Ärmsten,
offen steht. Dieser Pflicht genügt aber der Staat, da ja der Arme Erlaß des
Schulgeldes genießt. Daß die Erfüllung keine Kosten bereite, gehört keineswegs
zum Wesen der Staatsbürgerpflichten. Wenn aber die Verfassung den Ge¬
meinden die Schulunterhaltungspflicht auferlegt, so liegt darin keineswegs das
Verbot, die Unterhaltungskosten ganz oder zum Teil durch Gebühre" derjenigen
Gemeindemitglieder, welche die Schule benutzen, zu decken.

Es bleibt uns noch die Betrachtung der sür das Schulgeld ins Treffen


Das Schulgeld.

sondern nur die seltene Ausnahme bilden. Gewiß, es wäre gut um die Welt
bestellt, wenn die Mehrzahl der Menschen ein derartig ausgeprägtes Dank¬
barkeitsgefühl besäße!

Vom schultechnischen Standpunkte aus hat man für die Aufhebung des
Schulgeldes geltend gemacht, daß es für den Lehrer ein demütigendes, ihn mit
seiner Lage unzufrieden machendes und dadurch seine Leistungsfähigkeit beein¬
trächtigendes Bewußtsein sei, durch Beiträge der Eltern seiner Schüler unter¬
halten zu werden. Hiervon kann aber keine Rede sein, wenn die oben erwähnte
Einrichtung eingeführt wird, daß das Schulgeld zu einer Kaffe fließt, aus
welchem der Lehrer ein festes Gehalt empfängt; dann ist es für ihn genau
dasselbe, als wenn die Beiträge zu seiner Besoldung in Form von Steuern
erhoben werden.

Etwas mehr Berechtigung kann man dem Hinweis darauf zugestehen, daß,
wenn die Schulunterhaltungskosten durch Steuern aller Gemeindeglieder auf¬
gebracht werden, das Interesse an der Schule und damit die Kontrole über sie
eine allgemeinere sei, als wenn die Schule durch Schulgelder unterhalten werde,
da im erstern Fall alle Gemeindeglieder, im letzter» nur die Schulgeld zahlenden
an dem Gedeihen der Schule Anteil nähmen. Indes große Bedeutung hat
dieser Umstand auch nicht; denn allein durch Schulgeld wird wohl keine Schule
unterhalten, sondern zum Teil fast überall durch Steuern, sodciß schon jetzt
jeder Steuerzahler an der Schule beteiligt ist; allerdings würde sich diese
Teilnahme wohl mit Erhöhung der Steuern steigern.

Vollständig verfehlt ist es endlich, die Forderung der Beseitigung des
Schulgeldes auf rechtliche, aus der Verfassung hergeleitete Gründe zu stützen.
Man behauptet nämlich einmal, der verfassungsmäßigen Forderung des Staates,
daß jeder Bürger sich die Vvlksschulbildnng aneignen müsse, entspreche die Pflicht
des Staates, dafür zu sorgen, daß dies jedem Bürger ohne besondre Kosten
möglich sei; und sodann will man in der Aufbringung der Schullasten durch
Schulgeld eiuen Widerspruch mit dem verfassungsmäßigen Grundsatze, daß die
Volksschule von der Gemeinde zu unterhalten ist, erblicken, da durch das Schul-
geldsystcm die Schullast aus einer Gcmcindelast eine solche einzelner Gemeinde¬
glieder werde. Beides ist entschieden zu bestreiten. Der allgemeinen Schul¬
pflicht entspricht nur die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß die nötigen
Schulen vorhanden sind, und daß deren Benutzung jedem, auch dem Ärmsten,
offen steht. Dieser Pflicht genügt aber der Staat, da ja der Arme Erlaß des
Schulgeldes genießt. Daß die Erfüllung keine Kosten bereite, gehört keineswegs
zum Wesen der Staatsbürgerpflichten. Wenn aber die Verfassung den Ge¬
meinden die Schulunterhaltungspflicht auferlegt, so liegt darin keineswegs das
Verbot, die Unterhaltungskosten ganz oder zum Teil durch Gebühre» derjenigen
Gemeindemitglieder, welche die Schule benutzen, zu decken.

Es bleibt uns noch die Betrachtung der sür das Schulgeld ins Treffen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0525" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201304"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Schulgeld.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1673" prev="#ID_1672"> sondern nur die seltene Ausnahme bilden. Gewiß, es wäre gut um die Welt<lb/>
bestellt, wenn die Mehrzahl der Menschen ein derartig ausgeprägtes Dank¬<lb/>
barkeitsgefühl besäße!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1674"> Vom schultechnischen Standpunkte aus hat man für die Aufhebung des<lb/>
Schulgeldes geltend gemacht, daß es für den Lehrer ein demütigendes, ihn mit<lb/>
seiner Lage unzufrieden machendes und dadurch seine Leistungsfähigkeit beein¬<lb/>
trächtigendes Bewußtsein sei, durch Beiträge der Eltern seiner Schüler unter¬<lb/>
halten zu werden. Hiervon kann aber keine Rede sein, wenn die oben erwähnte<lb/>
Einrichtung eingeführt wird, daß das Schulgeld zu einer Kaffe fließt, aus<lb/>
welchem der Lehrer ein festes Gehalt empfängt; dann ist es für ihn genau<lb/>
dasselbe, als wenn die Beiträge zu seiner Besoldung in Form von Steuern<lb/>
erhoben werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1675"> Etwas mehr Berechtigung kann man dem Hinweis darauf zugestehen, daß,<lb/>
wenn die Schulunterhaltungskosten durch Steuern aller Gemeindeglieder auf¬<lb/>
gebracht werden, das Interesse an der Schule und damit die Kontrole über sie<lb/>
eine allgemeinere sei, als wenn die Schule durch Schulgelder unterhalten werde,<lb/>
da im erstern Fall alle Gemeindeglieder, im letzter» nur die Schulgeld zahlenden<lb/>
an dem Gedeihen der Schule Anteil nähmen. Indes große Bedeutung hat<lb/>
dieser Umstand auch nicht; denn allein durch Schulgeld wird wohl keine Schule<lb/>
unterhalten, sondern zum Teil fast überall durch Steuern, sodciß schon jetzt<lb/>
jeder Steuerzahler an der Schule beteiligt ist; allerdings würde sich diese<lb/>
Teilnahme wohl mit Erhöhung der Steuern steigern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1676"> Vollständig verfehlt ist es endlich, die Forderung der Beseitigung des<lb/>
Schulgeldes auf rechtliche, aus der Verfassung hergeleitete Gründe zu stützen.<lb/>
Man behauptet nämlich einmal, der verfassungsmäßigen Forderung des Staates,<lb/>
daß jeder Bürger sich die Vvlksschulbildnng aneignen müsse, entspreche die Pflicht<lb/>
des Staates, dafür zu sorgen, daß dies jedem Bürger ohne besondre Kosten<lb/>
möglich sei; und sodann will man in der Aufbringung der Schullasten durch<lb/>
Schulgeld eiuen Widerspruch mit dem verfassungsmäßigen Grundsatze, daß die<lb/>
Volksschule von der Gemeinde zu unterhalten ist, erblicken, da durch das Schul-<lb/>
geldsystcm die Schullast aus einer Gcmcindelast eine solche einzelner Gemeinde¬<lb/>
glieder werde. Beides ist entschieden zu bestreiten. Der allgemeinen Schul¬<lb/>
pflicht entspricht nur die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß die nötigen<lb/>
Schulen vorhanden sind, und daß deren Benutzung jedem, auch dem Ärmsten,<lb/>
offen steht. Dieser Pflicht genügt aber der Staat, da ja der Arme Erlaß des<lb/>
Schulgeldes genießt. Daß die Erfüllung keine Kosten bereite, gehört keineswegs<lb/>
zum Wesen der Staatsbürgerpflichten. Wenn aber die Verfassung den Ge¬<lb/>
meinden die Schulunterhaltungspflicht auferlegt, so liegt darin keineswegs das<lb/>
Verbot, die Unterhaltungskosten ganz oder zum Teil durch Gebühre» derjenigen<lb/>
Gemeindemitglieder, welche die Schule benutzen, zu decken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1677" next="#ID_1678"> Es bleibt uns noch die Betrachtung der sür das Schulgeld ins Treffen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0525] Das Schulgeld. sondern nur die seltene Ausnahme bilden. Gewiß, es wäre gut um die Welt bestellt, wenn die Mehrzahl der Menschen ein derartig ausgeprägtes Dank¬ barkeitsgefühl besäße! Vom schultechnischen Standpunkte aus hat man für die Aufhebung des Schulgeldes geltend gemacht, daß es für den Lehrer ein demütigendes, ihn mit seiner Lage unzufrieden machendes und dadurch seine Leistungsfähigkeit beein¬ trächtigendes Bewußtsein sei, durch Beiträge der Eltern seiner Schüler unter¬ halten zu werden. Hiervon kann aber keine Rede sein, wenn die oben erwähnte Einrichtung eingeführt wird, daß das Schulgeld zu einer Kaffe fließt, aus welchem der Lehrer ein festes Gehalt empfängt; dann ist es für ihn genau dasselbe, als wenn die Beiträge zu seiner Besoldung in Form von Steuern erhoben werden. Etwas mehr Berechtigung kann man dem Hinweis darauf zugestehen, daß, wenn die Schulunterhaltungskosten durch Steuern aller Gemeindeglieder auf¬ gebracht werden, das Interesse an der Schule und damit die Kontrole über sie eine allgemeinere sei, als wenn die Schule durch Schulgelder unterhalten werde, da im erstern Fall alle Gemeindeglieder, im letzter» nur die Schulgeld zahlenden an dem Gedeihen der Schule Anteil nähmen. Indes große Bedeutung hat dieser Umstand auch nicht; denn allein durch Schulgeld wird wohl keine Schule unterhalten, sondern zum Teil fast überall durch Steuern, sodciß schon jetzt jeder Steuerzahler an der Schule beteiligt ist; allerdings würde sich diese Teilnahme wohl mit Erhöhung der Steuern steigern. Vollständig verfehlt ist es endlich, die Forderung der Beseitigung des Schulgeldes auf rechtliche, aus der Verfassung hergeleitete Gründe zu stützen. Man behauptet nämlich einmal, der verfassungsmäßigen Forderung des Staates, daß jeder Bürger sich die Vvlksschulbildnng aneignen müsse, entspreche die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß dies jedem Bürger ohne besondre Kosten möglich sei; und sodann will man in der Aufbringung der Schullasten durch Schulgeld eiuen Widerspruch mit dem verfassungsmäßigen Grundsatze, daß die Volksschule von der Gemeinde zu unterhalten ist, erblicken, da durch das Schul- geldsystcm die Schullast aus einer Gcmcindelast eine solche einzelner Gemeinde¬ glieder werde. Beides ist entschieden zu bestreiten. Der allgemeinen Schul¬ pflicht entspricht nur die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß die nötigen Schulen vorhanden sind, und daß deren Benutzung jedem, auch dem Ärmsten, offen steht. Dieser Pflicht genügt aber der Staat, da ja der Arme Erlaß des Schulgeldes genießt. Daß die Erfüllung keine Kosten bereite, gehört keineswegs zum Wesen der Staatsbürgerpflichten. Wenn aber die Verfassung den Ge¬ meinden die Schulunterhaltungspflicht auferlegt, so liegt darin keineswegs das Verbot, die Unterhaltungskosten ganz oder zum Teil durch Gebühre» derjenigen Gemeindemitglieder, welche die Schule benutzen, zu decken. Es bleibt uns noch die Betrachtung der sür das Schulgeld ins Treffen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/525
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/525>, abgerufen am 23.07.2024.