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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Weisheit Salomos.

Das Fieber meiner Angst. Und aufgethan
Ward mir das Auge, daß ich klar erkannte:
Wir Menschen haben nur den Augenblick,
Das Ew'ge ist für Gott allein. Er schuf uns,
Daß wir wie Mücken in der Sonne spielen,
Am bunten Strahl uns wärmend, bis die Nacht
Den Schein verschlingt. Wir sollen fröhlich sein
In unserm Thun, uns freu'n des guten Tags,
Bemühe, den bösen auch für gut zu nehmen.
Was lieblich ist, ob es auch eitel wäre,
Genießen wir's, denn dies ist unser Teil;
Was drüber ist, hat Gott sich vorbehalten.


Dieses mächtige Heraustreten des weisen Mannes kann nicht ohne Wirkung auf
die empfängliche Königin bleiben: sie verliebt sich sogleich in den König. Allein
zunächst äußert sich nur ihre weibliche Natur in der Unbefriedigung von dieser
Lehre des blasirten Weltmannes und "zögernd, mit leiser Stimme" fragt sie:


Und auch, wovon die Dichter aller Zeiten
Gesungen, auch die Liebe -- (stockt)


Snlomo.

Kennst du sie?

Nur aus dem Lied der Dichter. Doch sie sagen,
Sie sei unsterblich.

Bailis (halblaut).
Salomo.

Und ich sage dir,
Der ich sie wohl gekannt: auch Lieb' ist eitel
Und schwindet wie ein Feuer auf der Haide,
Vom Wind entfacht, von Rcgenflut gelöscht.
Wie denn? Es wandelt stündlich sich der Mensch,
Und sollte doch das Herz in seiner Brust
Beständig sein? Doch ist von allem Eilein
Sie wohl das köstlichste. Denn Schönheit labt
Die Sinnen.


Kaum hat Salomo diesen skeptischen Hymnus auf die Liebe mit einer artigen
Schmeichelei für die schöne Königin und einem höflich kühlen Kuß auf ihre
Stirne, unter dem sie zusammenschauert, beschlossen, so naht auch schon das
Schicksal, welches diese Lehre erproben soll.

Es ist nämlich inzwischen dennoch zu einem Zusammenstoße zwischen den
Gästen und den Einheimischen gekommen. Salomos Gärtner Saphat ist ein
eigentümlicher Patron: er wacht mit Argusaugen über die Frucht- und Blumen¬
schätze des seiner Obhut überlassenen Gartens. Schon im Beginne des Stückes
hat er mit Salomos Hofmeister Abdiel einen Zank deswegen gehabt. Die
königliche Tafel sollte mit den schönsten Früchten reich geschmückt werden, Saphat
sandte aber nur zwei bescheidene Körbchen, unter dem Vorwande, daß es bei
der frühen Jahreszeit nicht mehr reife Früchte gäbe.


Hat nicht auch die edle Frucht
Gleichwie ein andres Gottgcschöpf ein Recht,
Das Licht zu trinken, bis ihr Stimdlein kommt?

Die Weisheit Salomos.

Das Fieber meiner Angst. Und aufgethan
Ward mir das Auge, daß ich klar erkannte:
Wir Menschen haben nur den Augenblick,
Das Ew'ge ist für Gott allein. Er schuf uns,
Daß wir wie Mücken in der Sonne spielen,
Am bunten Strahl uns wärmend, bis die Nacht
Den Schein verschlingt. Wir sollen fröhlich sein
In unserm Thun, uns freu'n des guten Tags,
Bemühe, den bösen auch für gut zu nehmen.
Was lieblich ist, ob es auch eitel wäre,
Genießen wir's, denn dies ist unser Teil;
Was drüber ist, hat Gott sich vorbehalten.


Dieses mächtige Heraustreten des weisen Mannes kann nicht ohne Wirkung auf
die empfängliche Königin bleiben: sie verliebt sich sogleich in den König. Allein
zunächst äußert sich nur ihre weibliche Natur in der Unbefriedigung von dieser
Lehre des blasirten Weltmannes und „zögernd, mit leiser Stimme" fragt sie:


Und auch, wovon die Dichter aller Zeiten
Gesungen, auch die Liebe — (stockt)


Snlomo.

Kennst du sie?

Nur aus dem Lied der Dichter. Doch sie sagen,
Sie sei unsterblich.

Bailis (halblaut).
Salomo.

Und ich sage dir,
Der ich sie wohl gekannt: auch Lieb' ist eitel
Und schwindet wie ein Feuer auf der Haide,
Vom Wind entfacht, von Rcgenflut gelöscht.
Wie denn? Es wandelt stündlich sich der Mensch,
Und sollte doch das Herz in seiner Brust
Beständig sein? Doch ist von allem Eilein
Sie wohl das köstlichste. Denn Schönheit labt
Die Sinnen.


Kaum hat Salomo diesen skeptischen Hymnus auf die Liebe mit einer artigen
Schmeichelei für die schöne Königin und einem höflich kühlen Kuß auf ihre
Stirne, unter dem sie zusammenschauert, beschlossen, so naht auch schon das
Schicksal, welches diese Lehre erproben soll.

Es ist nämlich inzwischen dennoch zu einem Zusammenstoße zwischen den
Gästen und den Einheimischen gekommen. Salomos Gärtner Saphat ist ein
eigentümlicher Patron: er wacht mit Argusaugen über die Frucht- und Blumen¬
schätze des seiner Obhut überlassenen Gartens. Schon im Beginne des Stückes
hat er mit Salomos Hofmeister Abdiel einen Zank deswegen gehabt. Die
königliche Tafel sollte mit den schönsten Früchten reich geschmückt werden, Saphat
sandte aber nur zwei bescheidene Körbchen, unter dem Vorwande, daß es bei
der frühen Jahreszeit nicht mehr reife Früchte gäbe.


Hat nicht auch die edle Frucht
Gleichwie ein andres Gottgcschöpf ein Recht,
Das Licht zu trinken, bis ihr Stimdlein kommt?

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[0478] Die Weisheit Salomos. Das Fieber meiner Angst. Und aufgethan Ward mir das Auge, daß ich klar erkannte: Wir Menschen haben nur den Augenblick, Das Ew'ge ist für Gott allein. Er schuf uns, Daß wir wie Mücken in der Sonne spielen, Am bunten Strahl uns wärmend, bis die Nacht Den Schein verschlingt. Wir sollen fröhlich sein In unserm Thun, uns freu'n des guten Tags, Bemühe, den bösen auch für gut zu nehmen. Was lieblich ist, ob es auch eitel wäre, Genießen wir's, denn dies ist unser Teil; Was drüber ist, hat Gott sich vorbehalten. Dieses mächtige Heraustreten des weisen Mannes kann nicht ohne Wirkung auf die empfängliche Königin bleiben: sie verliebt sich sogleich in den König. Allein zunächst äußert sich nur ihre weibliche Natur in der Unbefriedigung von dieser Lehre des blasirten Weltmannes und „zögernd, mit leiser Stimme" fragt sie: Und auch, wovon die Dichter aller Zeiten Gesungen, auch die Liebe — (stockt) Snlomo. Kennst du sie? Nur aus dem Lied der Dichter. Doch sie sagen, Sie sei unsterblich. Bailis (halblaut). Salomo. Und ich sage dir, Der ich sie wohl gekannt: auch Lieb' ist eitel Und schwindet wie ein Feuer auf der Haide, Vom Wind entfacht, von Rcgenflut gelöscht. Wie denn? Es wandelt stündlich sich der Mensch, Und sollte doch das Herz in seiner Brust Beständig sein? Doch ist von allem Eilein Sie wohl das köstlichste. Denn Schönheit labt Die Sinnen. Kaum hat Salomo diesen skeptischen Hymnus auf die Liebe mit einer artigen Schmeichelei für die schöne Königin und einem höflich kühlen Kuß auf ihre Stirne, unter dem sie zusammenschauert, beschlossen, so naht auch schon das Schicksal, welches diese Lehre erproben soll. Es ist nämlich inzwischen dennoch zu einem Zusammenstoße zwischen den Gästen und den Einheimischen gekommen. Salomos Gärtner Saphat ist ein eigentümlicher Patron: er wacht mit Argusaugen über die Frucht- und Blumen¬ schätze des seiner Obhut überlassenen Gartens. Schon im Beginne des Stückes hat er mit Salomos Hofmeister Abdiel einen Zank deswegen gehabt. Die königliche Tafel sollte mit den schönsten Früchten reich geschmückt werden, Saphat sandte aber nur zwei bescheidene Körbchen, unter dem Vorwande, daß es bei der frühen Jahreszeit nicht mehr reife Früchte gäbe. Hat nicht auch die edle Frucht Gleichwie ein andres Gottgcschöpf ein Recht, Das Licht zu trinken, bis ihr Stimdlein kommt?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/478>, abgerufen am 23.07.2024.