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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Iweikampf und Strafgesetz.

welcher mit der Herausforderung oder Annahme nur dem herkömmlichen Befehl
seiner Standesgenossen Folge leisten und sich vor dem Vorwurf der Feigheit
schützen will? Diese Folgerung hat doch gewiß nicht in den Absichten des Gesetz¬
gebers gelegen.

Mithin ist die Absicht, den Gegner zu verletzen, für die Beurteilung der
Schuldfrage unerheblich. Der Zweikampf ist daher kein Verbrechen gegen die
Person.

Eine zweite Erwägung fuhrt uns nicht nur zu diesem negativen Satze, son¬
dern zugleich zu einem positiven Ergebnis. Kartellträger werden nach Z 203*)
des Neichsstrafgesetzbnchcs bestraft, dagegen Sekundanten und zum Zweikampf
zugezogene Zeugen, zu denen der Unparteiische zu rechnen ist, nach Z 209**) nicht.
Unzweifelhaft sind die Sekundanten und der Unparteiische in höherem Grade
als Teilnehmer bei dem Akt des wechselseitigen Angriffs der Parteien auf ein¬
ander, d. i. bei der gegen die Person gerichteten Thätigkeit derselben, zu be¬
trachten, als die Kartcllträger, die bei dem Ausfechten der Forderung gar nicht
zugegen zu sein brauchen. Warum gehen nun jene straflos aus, während diese
bestraft werden? Der Grund kann nur darin liegen, daß nicht die gegen ein¬
ander gerichteten Handlungen der Parteien, sondern die durch die Vorbereitungs¬
handlungen verabredete, von beiden Parteien gemeinsam unternommene Aus¬
schließung der über Leben und Tod allein zuständigen Staatsgewalt das Strafbare
am Zweikampf ist; d. h. der Zweikampf ist kein Verbrechen gegen die Person,
sondern ein solches gegen den Staat. Den Heroismus, durch Schonung des
Gegners die eigne Lebensgefahr im Zweikampf zu erhöhen, verlangt das Gesetz
von niemand, wohl aber verlangt es Achtung vor der Staatsgewalt. An
der Ausschließung der letzteren haben die Sekundanten und die Zeugen keinen
Anteil. Sie ersetzen im Gegenteil in gewisser Hinsicht die Staatsgewalt, indem
sie dafür sorgen, daß sich der Zweikampf wenigstens innerhalb der herkömm¬
lichen oder vereinbarten Regeln vollziehe. So liegt in ihrem Vorrecht der
Straflosigkeit nicht mehr als eine logische Folgerung.

An dem nunmehr gewonnenen Ergebnis kann auch der Umstand nichts
ändern, daß Z 206***) dem, der seinen Gegner im Zweikampf tötet, eine weit
höhere Strafe androht, als Z 205 für den Zweikampf schlechthin festsetzt. Ans





*) ß 203 lautet: "Diejenigen, welche den Auftrag zu einer Herausforderung über¬
nehmen und ausrichten (Kartellträger), werden mit Festungshaft bis zu sechs Monaten
bestraft."
"*) s 209 lautet: "Kartelltrnger, welche ernstlich bemüht gewesen sind, den Zweikampf
zu verhindern, Sekundanten, sowie zum Zweikampf zugezogene Zeugen, Ärzte und Wundärzte
sind straflos."
Z 206 lautet: "Wer seinen Gegner im Zweiknmpf tötet, wird mit Festungshaft nicht
unter zwei Jahren, und wenn der Zweikampf ein solcher war, welcher den Tod des einen
herbeiführen sollte, mit Festungshaft nicht unter drei Jahren bestraft." Die höchste Strafe
bctriigt in diesen Füllen nach § 17 fünfzehn Jahre.
Iweikampf und Strafgesetz.

welcher mit der Herausforderung oder Annahme nur dem herkömmlichen Befehl
seiner Standesgenossen Folge leisten und sich vor dem Vorwurf der Feigheit
schützen will? Diese Folgerung hat doch gewiß nicht in den Absichten des Gesetz¬
gebers gelegen.

Mithin ist die Absicht, den Gegner zu verletzen, für die Beurteilung der
Schuldfrage unerheblich. Der Zweikampf ist daher kein Verbrechen gegen die
Person.

Eine zweite Erwägung fuhrt uns nicht nur zu diesem negativen Satze, son¬
dern zugleich zu einem positiven Ergebnis. Kartellträger werden nach Z 203*)
des Neichsstrafgesetzbnchcs bestraft, dagegen Sekundanten und zum Zweikampf
zugezogene Zeugen, zu denen der Unparteiische zu rechnen ist, nach Z 209**) nicht.
Unzweifelhaft sind die Sekundanten und der Unparteiische in höherem Grade
als Teilnehmer bei dem Akt des wechselseitigen Angriffs der Parteien auf ein¬
ander, d. i. bei der gegen die Person gerichteten Thätigkeit derselben, zu be¬
trachten, als die Kartcllträger, die bei dem Ausfechten der Forderung gar nicht
zugegen zu sein brauchen. Warum gehen nun jene straflos aus, während diese
bestraft werden? Der Grund kann nur darin liegen, daß nicht die gegen ein¬
ander gerichteten Handlungen der Parteien, sondern die durch die Vorbereitungs¬
handlungen verabredete, von beiden Parteien gemeinsam unternommene Aus¬
schließung der über Leben und Tod allein zuständigen Staatsgewalt das Strafbare
am Zweikampf ist; d. h. der Zweikampf ist kein Verbrechen gegen die Person,
sondern ein solches gegen den Staat. Den Heroismus, durch Schonung des
Gegners die eigne Lebensgefahr im Zweikampf zu erhöhen, verlangt das Gesetz
von niemand, wohl aber verlangt es Achtung vor der Staatsgewalt. An
der Ausschließung der letzteren haben die Sekundanten und die Zeugen keinen
Anteil. Sie ersetzen im Gegenteil in gewisser Hinsicht die Staatsgewalt, indem
sie dafür sorgen, daß sich der Zweikampf wenigstens innerhalb der herkömm¬
lichen oder vereinbarten Regeln vollziehe. So liegt in ihrem Vorrecht der
Straflosigkeit nicht mehr als eine logische Folgerung.

An dem nunmehr gewonnenen Ergebnis kann auch der Umstand nichts
ändern, daß Z 206***) dem, der seinen Gegner im Zweikampf tötet, eine weit
höhere Strafe androht, als Z 205 für den Zweikampf schlechthin festsetzt. Ans





*) ß 203 lautet: „Diejenigen, welche den Auftrag zu einer Herausforderung über¬
nehmen und ausrichten (Kartellträger), werden mit Festungshaft bis zu sechs Monaten
bestraft."
"*) s 209 lautet: „Kartelltrnger, welche ernstlich bemüht gewesen sind, den Zweikampf
zu verhindern, Sekundanten, sowie zum Zweikampf zugezogene Zeugen, Ärzte und Wundärzte
sind straflos."
Z 206 lautet: „Wer seinen Gegner im Zweiknmpf tötet, wird mit Festungshaft nicht
unter zwei Jahren, und wenn der Zweikampf ein solcher war, welcher den Tod des einen
herbeiführen sollte, mit Festungshaft nicht unter drei Jahren bestraft." Die höchste Strafe
bctriigt in diesen Füllen nach § 17 fünfzehn Jahre.
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[0466] Iweikampf und Strafgesetz. welcher mit der Herausforderung oder Annahme nur dem herkömmlichen Befehl seiner Standesgenossen Folge leisten und sich vor dem Vorwurf der Feigheit schützen will? Diese Folgerung hat doch gewiß nicht in den Absichten des Gesetz¬ gebers gelegen. Mithin ist die Absicht, den Gegner zu verletzen, für die Beurteilung der Schuldfrage unerheblich. Der Zweikampf ist daher kein Verbrechen gegen die Person. Eine zweite Erwägung fuhrt uns nicht nur zu diesem negativen Satze, son¬ dern zugleich zu einem positiven Ergebnis. Kartellträger werden nach Z 203*) des Neichsstrafgesetzbnchcs bestraft, dagegen Sekundanten und zum Zweikampf zugezogene Zeugen, zu denen der Unparteiische zu rechnen ist, nach Z 209**) nicht. Unzweifelhaft sind die Sekundanten und der Unparteiische in höherem Grade als Teilnehmer bei dem Akt des wechselseitigen Angriffs der Parteien auf ein¬ ander, d. i. bei der gegen die Person gerichteten Thätigkeit derselben, zu be¬ trachten, als die Kartcllträger, die bei dem Ausfechten der Forderung gar nicht zugegen zu sein brauchen. Warum gehen nun jene straflos aus, während diese bestraft werden? Der Grund kann nur darin liegen, daß nicht die gegen ein¬ ander gerichteten Handlungen der Parteien, sondern die durch die Vorbereitungs¬ handlungen verabredete, von beiden Parteien gemeinsam unternommene Aus¬ schließung der über Leben und Tod allein zuständigen Staatsgewalt das Strafbare am Zweikampf ist; d. h. der Zweikampf ist kein Verbrechen gegen die Person, sondern ein solches gegen den Staat. Den Heroismus, durch Schonung des Gegners die eigne Lebensgefahr im Zweikampf zu erhöhen, verlangt das Gesetz von niemand, wohl aber verlangt es Achtung vor der Staatsgewalt. An der Ausschließung der letzteren haben die Sekundanten und die Zeugen keinen Anteil. Sie ersetzen im Gegenteil in gewisser Hinsicht die Staatsgewalt, indem sie dafür sorgen, daß sich der Zweikampf wenigstens innerhalb der herkömm¬ lichen oder vereinbarten Regeln vollziehe. So liegt in ihrem Vorrecht der Straflosigkeit nicht mehr als eine logische Folgerung. An dem nunmehr gewonnenen Ergebnis kann auch der Umstand nichts ändern, daß Z 206***) dem, der seinen Gegner im Zweikampf tötet, eine weit höhere Strafe androht, als Z 205 für den Zweikampf schlechthin festsetzt. Ans *) ß 203 lautet: „Diejenigen, welche den Auftrag zu einer Herausforderung über¬ nehmen und ausrichten (Kartellträger), werden mit Festungshaft bis zu sechs Monaten bestraft." "*) s 209 lautet: „Kartelltrnger, welche ernstlich bemüht gewesen sind, den Zweikampf zu verhindern, Sekundanten, sowie zum Zweikampf zugezogene Zeugen, Ärzte und Wundärzte sind straflos." Z 206 lautet: „Wer seinen Gegner im Zweiknmpf tötet, wird mit Festungshaft nicht unter zwei Jahren, und wenn der Zweikampf ein solcher war, welcher den Tod des einen herbeiführen sollte, mit Festungshaft nicht unter drei Jahren bestraft." Die höchste Strafe bctriigt in diesen Füllen nach § 17 fünfzehn Jahre.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/466>, abgerufen am 23.07.2024.