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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Flamme der Kunstbegeisterung entzündete, oder aber um einen beliebigen
Privatmann.

Man wird diesen Äußerungen, wenn man den ästhetischen Standpunkt fest
hält, ihre Berechtigung nicht wohl versagen können. Wir haben in der Poesie
ja auch sehr scharf sich sondernde Formen, wenn nicht für die verschiedenen
Schichten der Gesellschaft, so doch für die Begebenheiten höheren oder minder
hervorragenden Ranges, und wo das Gefühl für diese Unterschiede nicht zu
seinem Rechte gelangt, ist die Wirkung verstimmend. Wie sollte es in der
Skulptur anders sein, in derjenigen Kunst, die am wenigsten vom Hauch des
bloß Flüchtigvorübergehenden weiß, die vielmehr in ihrer wuchtigen Schwere
die Forderung an den Beschauer richtet, sie ernsthaft beim Worte zu nehmen
und sich ihr gegenüber selbst zu sammeln.

Der im Vorstehenden mehrfach betonte Unterschied zwischen öffentlicher
und privater Lebensstellung wird verstündigerweise auch auf dem Friedhofe
nicht verwischt werden dürfen, und vielleicht wäre vor allem die landläufige
Meinung zu berichtigen: was man einem geliebten Toten an künstlerischem
Schmuck angedeihen lasse, stehe auf der nämlichen privaten Stufe wie eine auf
dem Grabe gepflanzte Trauerweide oder ein Blumenflor, in dessen Betrachten
man in liebendem Heimgedenken sich oft und gern vergangener freundlicher
Zeiten erinnert. Allerdings wird die Mehrzahl der Gräber auch in Zukunft
nicht aus dem Rahmen dieses letztern tröstlichen Pflegeschmuckes und dessen,
was an hölzernem Kreuz oder steinerner Schriftplatte zu ihm gehört, hinaus¬
treten, und innerhalb dieses bescheidenen Kreises bleibt die einzelne teure und
den Überlebenden geheiligte Stelle ausgeschlossen von dem Zusammenhange mit
den übrigen. Was aber ihre Unscheinbarkeit diesen Gräbern sichert, geht jenen
andern Gräbern verloren, welche mit weithin der Menge ins Auge fallenden
Monumenten ausgestattet werden. Sie wollen gesehen sein, ihr Schmuck ist
eine vor andern dargebrachte Huldigung oder eine pietätvolle Leistung, deren
Erfüllung öffentlich geschieht, weil eine solche erwartet wird oder erwartet werden
kann. Und sind selbst, wie es ja oft genug vorkommen mag, die Beweggründe
zu solcher hervorragenden Ausstattung eines Grabes bloße Eingebungen per¬
sönlicher Empfindungen, so ändert dieses private Verhältnis heraustretender
Monumente doch nichts an dessen thatsächlichem Verhältnis zur Öffentlichkeit.
Dieses besteht und stellt das Werk unter die Kontrole ihrer mehr oder weniger
anspruchsvollen ästhetischen Forderungen.

Zum Schluß sei noch der Wunsch ausgesprochen, daß für die zahlreichen
Büsten verdienter Männer, für welche die Münchner Kirchhofsarkaden zu einer
Art Ruhmeshalle werden sollen, eine bessere Unterkunft gefunden werden möge.
Schwanthaler, Franz Brulliot, Heinrich Klee, Jgnciz von Reisach und die vielen
sich ihnen anreihenden Männer, welche man auf diese Weise zu ehren gedenkt,
konnten keinen unerfreulicher", aber auch keinen für die Beschauung ungeeigneten


Flamme der Kunstbegeisterung entzündete, oder aber um einen beliebigen
Privatmann.

Man wird diesen Äußerungen, wenn man den ästhetischen Standpunkt fest
hält, ihre Berechtigung nicht wohl versagen können. Wir haben in der Poesie
ja auch sehr scharf sich sondernde Formen, wenn nicht für die verschiedenen
Schichten der Gesellschaft, so doch für die Begebenheiten höheren oder minder
hervorragenden Ranges, und wo das Gefühl für diese Unterschiede nicht zu
seinem Rechte gelangt, ist die Wirkung verstimmend. Wie sollte es in der
Skulptur anders sein, in derjenigen Kunst, die am wenigsten vom Hauch des
bloß Flüchtigvorübergehenden weiß, die vielmehr in ihrer wuchtigen Schwere
die Forderung an den Beschauer richtet, sie ernsthaft beim Worte zu nehmen
und sich ihr gegenüber selbst zu sammeln.

Der im Vorstehenden mehrfach betonte Unterschied zwischen öffentlicher
und privater Lebensstellung wird verstündigerweise auch auf dem Friedhofe
nicht verwischt werden dürfen, und vielleicht wäre vor allem die landläufige
Meinung zu berichtigen: was man einem geliebten Toten an künstlerischem
Schmuck angedeihen lasse, stehe auf der nämlichen privaten Stufe wie eine auf
dem Grabe gepflanzte Trauerweide oder ein Blumenflor, in dessen Betrachten
man in liebendem Heimgedenken sich oft und gern vergangener freundlicher
Zeiten erinnert. Allerdings wird die Mehrzahl der Gräber auch in Zukunft
nicht aus dem Rahmen dieses letztern tröstlichen Pflegeschmuckes und dessen,
was an hölzernem Kreuz oder steinerner Schriftplatte zu ihm gehört, hinaus¬
treten, und innerhalb dieses bescheidenen Kreises bleibt die einzelne teure und
den Überlebenden geheiligte Stelle ausgeschlossen von dem Zusammenhange mit
den übrigen. Was aber ihre Unscheinbarkeit diesen Gräbern sichert, geht jenen
andern Gräbern verloren, welche mit weithin der Menge ins Auge fallenden
Monumenten ausgestattet werden. Sie wollen gesehen sein, ihr Schmuck ist
eine vor andern dargebrachte Huldigung oder eine pietätvolle Leistung, deren
Erfüllung öffentlich geschieht, weil eine solche erwartet wird oder erwartet werden
kann. Und sind selbst, wie es ja oft genug vorkommen mag, die Beweggründe
zu solcher hervorragenden Ausstattung eines Grabes bloße Eingebungen per¬
sönlicher Empfindungen, so ändert dieses private Verhältnis heraustretender
Monumente doch nichts an dessen thatsächlichem Verhältnis zur Öffentlichkeit.
Dieses besteht und stellt das Werk unter die Kontrole ihrer mehr oder weniger
anspruchsvollen ästhetischen Forderungen.

Zum Schluß sei noch der Wunsch ausgesprochen, daß für die zahlreichen
Büsten verdienter Männer, für welche die Münchner Kirchhofsarkaden zu einer
Art Ruhmeshalle werden sollen, eine bessere Unterkunft gefunden werden möge.
Schwanthaler, Franz Brulliot, Heinrich Klee, Jgnciz von Reisach und die vielen
sich ihnen anreihenden Männer, welche man auf diese Weise zu ehren gedenkt,
konnten keinen unerfreulicher», aber auch keinen für die Beschauung ungeeigneten


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[0435] Flamme der Kunstbegeisterung entzündete, oder aber um einen beliebigen Privatmann. Man wird diesen Äußerungen, wenn man den ästhetischen Standpunkt fest hält, ihre Berechtigung nicht wohl versagen können. Wir haben in der Poesie ja auch sehr scharf sich sondernde Formen, wenn nicht für die verschiedenen Schichten der Gesellschaft, so doch für die Begebenheiten höheren oder minder hervorragenden Ranges, und wo das Gefühl für diese Unterschiede nicht zu seinem Rechte gelangt, ist die Wirkung verstimmend. Wie sollte es in der Skulptur anders sein, in derjenigen Kunst, die am wenigsten vom Hauch des bloß Flüchtigvorübergehenden weiß, die vielmehr in ihrer wuchtigen Schwere die Forderung an den Beschauer richtet, sie ernsthaft beim Worte zu nehmen und sich ihr gegenüber selbst zu sammeln. Der im Vorstehenden mehrfach betonte Unterschied zwischen öffentlicher und privater Lebensstellung wird verstündigerweise auch auf dem Friedhofe nicht verwischt werden dürfen, und vielleicht wäre vor allem die landläufige Meinung zu berichtigen: was man einem geliebten Toten an künstlerischem Schmuck angedeihen lasse, stehe auf der nämlichen privaten Stufe wie eine auf dem Grabe gepflanzte Trauerweide oder ein Blumenflor, in dessen Betrachten man in liebendem Heimgedenken sich oft und gern vergangener freundlicher Zeiten erinnert. Allerdings wird die Mehrzahl der Gräber auch in Zukunft nicht aus dem Rahmen dieses letztern tröstlichen Pflegeschmuckes und dessen, was an hölzernem Kreuz oder steinerner Schriftplatte zu ihm gehört, hinaus¬ treten, und innerhalb dieses bescheidenen Kreises bleibt die einzelne teure und den Überlebenden geheiligte Stelle ausgeschlossen von dem Zusammenhange mit den übrigen. Was aber ihre Unscheinbarkeit diesen Gräbern sichert, geht jenen andern Gräbern verloren, welche mit weithin der Menge ins Auge fallenden Monumenten ausgestattet werden. Sie wollen gesehen sein, ihr Schmuck ist eine vor andern dargebrachte Huldigung oder eine pietätvolle Leistung, deren Erfüllung öffentlich geschieht, weil eine solche erwartet wird oder erwartet werden kann. Und sind selbst, wie es ja oft genug vorkommen mag, die Beweggründe zu solcher hervorragenden Ausstattung eines Grabes bloße Eingebungen per¬ sönlicher Empfindungen, so ändert dieses private Verhältnis heraustretender Monumente doch nichts an dessen thatsächlichem Verhältnis zur Öffentlichkeit. Dieses besteht und stellt das Werk unter die Kontrole ihrer mehr oder weniger anspruchsvollen ästhetischen Forderungen. Zum Schluß sei noch der Wunsch ausgesprochen, daß für die zahlreichen Büsten verdienter Männer, für welche die Münchner Kirchhofsarkaden zu einer Art Ruhmeshalle werden sollen, eine bessere Unterkunft gefunden werden möge. Schwanthaler, Franz Brulliot, Heinrich Klee, Jgnciz von Reisach und die vielen sich ihnen anreihenden Männer, welche man auf diese Weise zu ehren gedenkt, konnten keinen unerfreulicher», aber auch keinen für die Beschauung ungeeigneten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/435>, abgerufen am 23.07.2024.