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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Ähnlichkeit gilt für groß. Hier kam die Natur dem Bildner durch Ge¬
sichtszüge, deren entschlossene Klarheit und Festigkeit weit über das Leben hinaus¬
blicken, auf halbem Wege entgegen. In andern: Sinne ansprechend ist ein dem
Oberstallmeister Freiherrn von Kesling gewidmetes und ihn in ganzer Figur
darstellendes Denkmal in dunkelm Metall, eine gewissenhafte und ernst stimmende
Arbeit. Dann ist als ein tüchtiges Werk die auf dem Paradebett ruhende Gestalt
des Generalleutnants Freiherrn von Leistner zu nennen, des ersten Adjutanten
des Prinzen Karl von Baiern, der dem Verstorbenen auch das Denkmal er¬
richten ließ. Um großartiger zu wirken, müßte es freilich etwas mehr für sich
allein aufgestellt sein, nicht im Gedränge der übrigen Gräber.

Auch Bernhard Nütlings dunkle Erzbüste (vom Jahre 1881), durch die
Attribute von Lorberkranz und Maske deutlich als der Öffentlichkeit an¬
gehörend charakterisirt, erfüllt ihren Zweck aufs beste. Ebenso wird wohl
in den meisten Fällen dem Helfer so mancher Kranken eine Büste auf seiner
letzten Ruhestätte geziemen; in dieser Eigenschaft lebt das Bild des im Jahre
1866 verstorbenen Hofrats Professor Dr. Jakob Braun mit Fug und Recht
auf seinem Grabe fort. Nicht minder erinnert man sich gegenüber der Büste
des im Jahre 1826 verstorbenen trefflichen Optikers Josef Frauenhofer und des
ihr gesellten Attributs, des Teleskops, dankbar seiner Verdienste um unsre
Kenntnis der Himmelskörper. Gewidmet wurde sie ihm von Josef von Utzschneider,
und auch die Marmorbttste dieses "edelsten Vaterlandsfreundes," wie die In¬
schrift des für ihn im Jahre 1840 errichteten Denkmals ihn preist, würde man
auf dem Grabe des trefflichen Mannes nur ungern vermissen. Als Vertreter
der öffentlichen Meinung eines großen Teiles der Münchner Bevölkerung hat
auch Julius Knorr, der Verleger der Münchner Neuesten Nachrichten, denen
zugezählt werden dürfen, deren Andenken nicht einzig durch eine Grabschrift
äußerlich festzuhalten war. Seine Büste trägt aber vielleicht für die Stille der
Umgebung einen zu lebhaften Ausdruck und würde an einem andern Platze
besser ihren Zweck erreichen. Das bescheidene Profilrelief des als Greis ver¬
storbenen Buchhändlers Lindauer hat, damit verglichen, etwas wohthuend har¬
monisch wirkendes. Nicht minder bescheiden ist der Platz, den ein Bildhauer
von ansehnlichem Rufe auf dem seiner verstorbenen Mutter gewidmeten Jdeal-
denkmal dem sorgfältig in Marmor ausgeführten Kopfe der Verewigten ange¬
wiesen hat, nämlich unterhalb des Hauptwerkes selbst. Die liebevolle Aus¬
führung dieses Hauptwerkes wie jenes Porträtzusatzes erregt wirklich Bewunderung.
Daß diese Bewunderung aber nicht rein ist, erklärt sich leicht. Wir können an
jedem Porträtdenkmal die Probe machen, daß die ungeschmeichelte Porträttreue,
also der Schein der Wirklichkeit, daß dieser genrehafte Teil des Kunstwerkes den
allegorischen Teil desselben überragen muß. Beethoven sagt einmal: "Eine
Dissonanz muß stark auftreten." Die gebrechliche Wirklichkeit, das aus Ähn¬
lichkeit abzielende Bildnis, ist, verglichen mit der Harmonie der Idealgestalten,


Grenzboten III. 1337. S4

Die Ähnlichkeit gilt für groß. Hier kam die Natur dem Bildner durch Ge¬
sichtszüge, deren entschlossene Klarheit und Festigkeit weit über das Leben hinaus¬
blicken, auf halbem Wege entgegen. In andern: Sinne ansprechend ist ein dem
Oberstallmeister Freiherrn von Kesling gewidmetes und ihn in ganzer Figur
darstellendes Denkmal in dunkelm Metall, eine gewissenhafte und ernst stimmende
Arbeit. Dann ist als ein tüchtiges Werk die auf dem Paradebett ruhende Gestalt
des Generalleutnants Freiherrn von Leistner zu nennen, des ersten Adjutanten
des Prinzen Karl von Baiern, der dem Verstorbenen auch das Denkmal er¬
richten ließ. Um großartiger zu wirken, müßte es freilich etwas mehr für sich
allein aufgestellt sein, nicht im Gedränge der übrigen Gräber.

Auch Bernhard Nütlings dunkle Erzbüste (vom Jahre 1881), durch die
Attribute von Lorberkranz und Maske deutlich als der Öffentlichkeit an¬
gehörend charakterisirt, erfüllt ihren Zweck aufs beste. Ebenso wird wohl
in den meisten Fällen dem Helfer so mancher Kranken eine Büste auf seiner
letzten Ruhestätte geziemen; in dieser Eigenschaft lebt das Bild des im Jahre
1866 verstorbenen Hofrats Professor Dr. Jakob Braun mit Fug und Recht
auf seinem Grabe fort. Nicht minder erinnert man sich gegenüber der Büste
des im Jahre 1826 verstorbenen trefflichen Optikers Josef Frauenhofer und des
ihr gesellten Attributs, des Teleskops, dankbar seiner Verdienste um unsre
Kenntnis der Himmelskörper. Gewidmet wurde sie ihm von Josef von Utzschneider,
und auch die Marmorbttste dieses „edelsten Vaterlandsfreundes," wie die In¬
schrift des für ihn im Jahre 1840 errichteten Denkmals ihn preist, würde man
auf dem Grabe des trefflichen Mannes nur ungern vermissen. Als Vertreter
der öffentlichen Meinung eines großen Teiles der Münchner Bevölkerung hat
auch Julius Knorr, der Verleger der Münchner Neuesten Nachrichten, denen
zugezählt werden dürfen, deren Andenken nicht einzig durch eine Grabschrift
äußerlich festzuhalten war. Seine Büste trägt aber vielleicht für die Stille der
Umgebung einen zu lebhaften Ausdruck und würde an einem andern Platze
besser ihren Zweck erreichen. Das bescheidene Profilrelief des als Greis ver¬
storbenen Buchhändlers Lindauer hat, damit verglichen, etwas wohthuend har¬
monisch wirkendes. Nicht minder bescheiden ist der Platz, den ein Bildhauer
von ansehnlichem Rufe auf dem seiner verstorbenen Mutter gewidmeten Jdeal-
denkmal dem sorgfältig in Marmor ausgeführten Kopfe der Verewigten ange¬
wiesen hat, nämlich unterhalb des Hauptwerkes selbst. Die liebevolle Aus¬
führung dieses Hauptwerkes wie jenes Porträtzusatzes erregt wirklich Bewunderung.
Daß diese Bewunderung aber nicht rein ist, erklärt sich leicht. Wir können an
jedem Porträtdenkmal die Probe machen, daß die ungeschmeichelte Porträttreue,
also der Schein der Wirklichkeit, daß dieser genrehafte Teil des Kunstwerkes den
allegorischen Teil desselben überragen muß. Beethoven sagt einmal: „Eine
Dissonanz muß stark auftreten." Die gebrechliche Wirklichkeit, das aus Ähn¬
lichkeit abzielende Bildnis, ist, verglichen mit der Harmonie der Idealgestalten,


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[0433] Die Ähnlichkeit gilt für groß. Hier kam die Natur dem Bildner durch Ge¬ sichtszüge, deren entschlossene Klarheit und Festigkeit weit über das Leben hinaus¬ blicken, auf halbem Wege entgegen. In andern: Sinne ansprechend ist ein dem Oberstallmeister Freiherrn von Kesling gewidmetes und ihn in ganzer Figur darstellendes Denkmal in dunkelm Metall, eine gewissenhafte und ernst stimmende Arbeit. Dann ist als ein tüchtiges Werk die auf dem Paradebett ruhende Gestalt des Generalleutnants Freiherrn von Leistner zu nennen, des ersten Adjutanten des Prinzen Karl von Baiern, der dem Verstorbenen auch das Denkmal er¬ richten ließ. Um großartiger zu wirken, müßte es freilich etwas mehr für sich allein aufgestellt sein, nicht im Gedränge der übrigen Gräber. Auch Bernhard Nütlings dunkle Erzbüste (vom Jahre 1881), durch die Attribute von Lorberkranz und Maske deutlich als der Öffentlichkeit an¬ gehörend charakterisirt, erfüllt ihren Zweck aufs beste. Ebenso wird wohl in den meisten Fällen dem Helfer so mancher Kranken eine Büste auf seiner letzten Ruhestätte geziemen; in dieser Eigenschaft lebt das Bild des im Jahre 1866 verstorbenen Hofrats Professor Dr. Jakob Braun mit Fug und Recht auf seinem Grabe fort. Nicht minder erinnert man sich gegenüber der Büste des im Jahre 1826 verstorbenen trefflichen Optikers Josef Frauenhofer und des ihr gesellten Attributs, des Teleskops, dankbar seiner Verdienste um unsre Kenntnis der Himmelskörper. Gewidmet wurde sie ihm von Josef von Utzschneider, und auch die Marmorbttste dieses „edelsten Vaterlandsfreundes," wie die In¬ schrift des für ihn im Jahre 1840 errichteten Denkmals ihn preist, würde man auf dem Grabe des trefflichen Mannes nur ungern vermissen. Als Vertreter der öffentlichen Meinung eines großen Teiles der Münchner Bevölkerung hat auch Julius Knorr, der Verleger der Münchner Neuesten Nachrichten, denen zugezählt werden dürfen, deren Andenken nicht einzig durch eine Grabschrift äußerlich festzuhalten war. Seine Büste trägt aber vielleicht für die Stille der Umgebung einen zu lebhaften Ausdruck und würde an einem andern Platze besser ihren Zweck erreichen. Das bescheidene Profilrelief des als Greis ver¬ storbenen Buchhändlers Lindauer hat, damit verglichen, etwas wohthuend har¬ monisch wirkendes. Nicht minder bescheiden ist der Platz, den ein Bildhauer von ansehnlichem Rufe auf dem seiner verstorbenen Mutter gewidmeten Jdeal- denkmal dem sorgfältig in Marmor ausgeführten Kopfe der Verewigten ange¬ wiesen hat, nämlich unterhalb des Hauptwerkes selbst. Die liebevolle Aus¬ führung dieses Hauptwerkes wie jenes Porträtzusatzes erregt wirklich Bewunderung. Daß diese Bewunderung aber nicht rein ist, erklärt sich leicht. Wir können an jedem Porträtdenkmal die Probe machen, daß die ungeschmeichelte Porträttreue, also der Schein der Wirklichkeit, daß dieser genrehafte Teil des Kunstwerkes den allegorischen Teil desselben überragen muß. Beethoven sagt einmal: „Eine Dissonanz muß stark auftreten." Die gebrechliche Wirklichkeit, das aus Ähn¬ lichkeit abzielende Bildnis, ist, verglichen mit der Harmonie der Idealgestalten, Grenzboten III. 1337. S4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/433>, abgerufen am 23.07.2024.