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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Zum Kapitel der Friedhofsdenkmäler.

Kreuze. Unter den zahlreichen Kindergräbern fesselt den Kunstfreund dasjenige
des im Jahre 1834 in zartem Alter verstorbenen Söhnchens von Franz Hanf-
ftnngel: ein nacktes schlafendes Kind, ein überaus liebliches Skulpturwerk in
Bronze; darüber in angemessener Hohe Christus am Kreuze. schlechtweg an
biblische Motive knüpfen andre Kinderdenkmäler an, besonders freundlich an¬
sprechend verschiedne "Lasset die Kindlein zu mir kommen," unter ihnen sehr
lieblich ausgeführt das den Kindern eines Münchner Buchbindermeisters ge¬
widmete: Christus heißt zwei Kinder willkommen. Günstig in jeder Beziehung
wirkt das Grabdenkmal Wilhelm Kaulbachs, ein in edeln Verhältnissen gehal¬
tenes und von einem bestrickend malerischen Zuge erfülltes Werk: eine schwebende
weibliche Figur von dunkeln: Metall, niederblickend auf das Grab des Meisters,
in der Linken Palette und Pinsel, in der Rechten den Kranz haltend; die Vor¬
tragsweise ganz im Sinne des Schöpfers der Berliner Treppengemälde.

Mit diesem Denkmal sei die Reihe der hier zu erwähnenden freier ge¬
stalteten Bildhauerwerke der beiden Münchner Friedhöfe abgeschlossen. Es
würden sich ihnen bei eingehenderer Musterung sicherlich noch manche nicht
minder verdienstliche anfügen lassen. Für deu Zweck der gegenwärtigen Zeilen
mußte es genügen, durch Herausheben einiger wirklich künstlerisch gelungenen
Lösungen der immerhin nicht leichten Ausgaben dem Gegenstande selbst eine
etwas allgemeinere Beachtung zuzuwenden.

Eine andre Gattung von Denkmälern hat sich's angelegen sein lassen, die
äußere Erscheinung der oder des Verstorbenen festzuhalten. Möglich, daß ähn¬
liches auch bereits bei einzelnen der vorhin besprochenen der Fall war. Näherten
sich die Gesichtszüge der entschlafenen Person im Leben dem idealen Typus,
den die übrigen Seiten des Werkes zur Voraussetzung hatten, so durfte sich
der Künstler die Benutzung dieses glücklichen Anklanges Wohl gestatten. Wie
weit in dieser Richtung die Ähnlichkeit wiedergegeben werden darf, dafür bietet
das Nietscheldenkmal auf der Brühlschen Terrasse in Dresden ungefähr einen
Maßstab. Der Schöpfer desselben, Professor Schilling, hat einem der Schüler,
welche unterhalb der Kolossalbttste des Meisters sitzen und die Technik der Bild¬
hauerei in werkthätigen Hantirungen veranschaulichen, die Züge eines früh ver¬
storbenen Nietschelschülers geliehen; es ist die Figur auf der Rückseite, der so¬
genannte Kohlenspitzer. Man erkennt auf den ersten Blick, daß es ein Porträt
ist. Aber die Züge des Verstorbenen waren für die bildnerische Wiedergabe
auch neben Idealgestalten unbedenklich verwendbar, und so freut sich der Be¬
schauer an dem wohlgelungenen, pietätvollen Wagnis.

Man wird nun hin und wieder unter den porträtartigen Werken der
beiden Friedhöfe solche finden, die stimmungsvoll wirken, aber auch andre,
die verstimmen, obwohl beide Gattungen aus tüchtigen Künstlerhänden hervor¬
gegangen sind. Zu deu ersteren zählt vor allem die dunkle Erzbüste des Malers
Flüggen, gestorben 1859. Sie steht auf einem müßig hohen roten Obelisk.


Zum Kapitel der Friedhofsdenkmäler.

Kreuze. Unter den zahlreichen Kindergräbern fesselt den Kunstfreund dasjenige
des im Jahre 1834 in zartem Alter verstorbenen Söhnchens von Franz Hanf-
ftnngel: ein nacktes schlafendes Kind, ein überaus liebliches Skulpturwerk in
Bronze; darüber in angemessener Hohe Christus am Kreuze. schlechtweg an
biblische Motive knüpfen andre Kinderdenkmäler an, besonders freundlich an¬
sprechend verschiedne „Lasset die Kindlein zu mir kommen," unter ihnen sehr
lieblich ausgeführt das den Kindern eines Münchner Buchbindermeisters ge¬
widmete: Christus heißt zwei Kinder willkommen. Günstig in jeder Beziehung
wirkt das Grabdenkmal Wilhelm Kaulbachs, ein in edeln Verhältnissen gehal¬
tenes und von einem bestrickend malerischen Zuge erfülltes Werk: eine schwebende
weibliche Figur von dunkeln: Metall, niederblickend auf das Grab des Meisters,
in der Linken Palette und Pinsel, in der Rechten den Kranz haltend; die Vor¬
tragsweise ganz im Sinne des Schöpfers der Berliner Treppengemälde.

Mit diesem Denkmal sei die Reihe der hier zu erwähnenden freier ge¬
stalteten Bildhauerwerke der beiden Münchner Friedhöfe abgeschlossen. Es
würden sich ihnen bei eingehenderer Musterung sicherlich noch manche nicht
minder verdienstliche anfügen lassen. Für deu Zweck der gegenwärtigen Zeilen
mußte es genügen, durch Herausheben einiger wirklich künstlerisch gelungenen
Lösungen der immerhin nicht leichten Ausgaben dem Gegenstande selbst eine
etwas allgemeinere Beachtung zuzuwenden.

Eine andre Gattung von Denkmälern hat sich's angelegen sein lassen, die
äußere Erscheinung der oder des Verstorbenen festzuhalten. Möglich, daß ähn¬
liches auch bereits bei einzelnen der vorhin besprochenen der Fall war. Näherten
sich die Gesichtszüge der entschlafenen Person im Leben dem idealen Typus,
den die übrigen Seiten des Werkes zur Voraussetzung hatten, so durfte sich
der Künstler die Benutzung dieses glücklichen Anklanges Wohl gestatten. Wie
weit in dieser Richtung die Ähnlichkeit wiedergegeben werden darf, dafür bietet
das Nietscheldenkmal auf der Brühlschen Terrasse in Dresden ungefähr einen
Maßstab. Der Schöpfer desselben, Professor Schilling, hat einem der Schüler,
welche unterhalb der Kolossalbttste des Meisters sitzen und die Technik der Bild¬
hauerei in werkthätigen Hantirungen veranschaulichen, die Züge eines früh ver¬
storbenen Nietschelschülers geliehen; es ist die Figur auf der Rückseite, der so¬
genannte Kohlenspitzer. Man erkennt auf den ersten Blick, daß es ein Porträt
ist. Aber die Züge des Verstorbenen waren für die bildnerische Wiedergabe
auch neben Idealgestalten unbedenklich verwendbar, und so freut sich der Be¬
schauer an dem wohlgelungenen, pietätvollen Wagnis.

Man wird nun hin und wieder unter den porträtartigen Werken der
beiden Friedhöfe solche finden, die stimmungsvoll wirken, aber auch andre,
die verstimmen, obwohl beide Gattungen aus tüchtigen Künstlerhänden hervor¬
gegangen sind. Zu deu ersteren zählt vor allem die dunkle Erzbüste des Malers
Flüggen, gestorben 1859. Sie steht auf einem müßig hohen roten Obelisk.


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[0432] Zum Kapitel der Friedhofsdenkmäler. Kreuze. Unter den zahlreichen Kindergräbern fesselt den Kunstfreund dasjenige des im Jahre 1834 in zartem Alter verstorbenen Söhnchens von Franz Hanf- ftnngel: ein nacktes schlafendes Kind, ein überaus liebliches Skulpturwerk in Bronze; darüber in angemessener Hohe Christus am Kreuze. schlechtweg an biblische Motive knüpfen andre Kinderdenkmäler an, besonders freundlich an¬ sprechend verschiedne „Lasset die Kindlein zu mir kommen," unter ihnen sehr lieblich ausgeführt das den Kindern eines Münchner Buchbindermeisters ge¬ widmete: Christus heißt zwei Kinder willkommen. Günstig in jeder Beziehung wirkt das Grabdenkmal Wilhelm Kaulbachs, ein in edeln Verhältnissen gehal¬ tenes und von einem bestrickend malerischen Zuge erfülltes Werk: eine schwebende weibliche Figur von dunkeln: Metall, niederblickend auf das Grab des Meisters, in der Linken Palette und Pinsel, in der Rechten den Kranz haltend; die Vor¬ tragsweise ganz im Sinne des Schöpfers der Berliner Treppengemälde. Mit diesem Denkmal sei die Reihe der hier zu erwähnenden freier ge¬ stalteten Bildhauerwerke der beiden Münchner Friedhöfe abgeschlossen. Es würden sich ihnen bei eingehenderer Musterung sicherlich noch manche nicht minder verdienstliche anfügen lassen. Für deu Zweck der gegenwärtigen Zeilen mußte es genügen, durch Herausheben einiger wirklich künstlerisch gelungenen Lösungen der immerhin nicht leichten Ausgaben dem Gegenstande selbst eine etwas allgemeinere Beachtung zuzuwenden. Eine andre Gattung von Denkmälern hat sich's angelegen sein lassen, die äußere Erscheinung der oder des Verstorbenen festzuhalten. Möglich, daß ähn¬ liches auch bereits bei einzelnen der vorhin besprochenen der Fall war. Näherten sich die Gesichtszüge der entschlafenen Person im Leben dem idealen Typus, den die übrigen Seiten des Werkes zur Voraussetzung hatten, so durfte sich der Künstler die Benutzung dieses glücklichen Anklanges Wohl gestatten. Wie weit in dieser Richtung die Ähnlichkeit wiedergegeben werden darf, dafür bietet das Nietscheldenkmal auf der Brühlschen Terrasse in Dresden ungefähr einen Maßstab. Der Schöpfer desselben, Professor Schilling, hat einem der Schüler, welche unterhalb der Kolossalbttste des Meisters sitzen und die Technik der Bild¬ hauerei in werkthätigen Hantirungen veranschaulichen, die Züge eines früh ver¬ storbenen Nietschelschülers geliehen; es ist die Figur auf der Rückseite, der so¬ genannte Kohlenspitzer. Man erkennt auf den ersten Blick, daß es ein Porträt ist. Aber die Züge des Verstorbenen waren für die bildnerische Wiedergabe auch neben Idealgestalten unbedenklich verwendbar, und so freut sich der Be¬ schauer an dem wohlgelungenen, pietätvollen Wagnis. Man wird nun hin und wieder unter den porträtartigen Werken der beiden Friedhöfe solche finden, die stimmungsvoll wirken, aber auch andre, die verstimmen, obwohl beide Gattungen aus tüchtigen Künstlerhänden hervor¬ gegangen sind. Zu deu ersteren zählt vor allem die dunkle Erzbüste des Malers Flüggen, gestorben 1859. Sie steht auf einem müßig hohen roten Obelisk.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/432>, abgerufen am 23.07.2024.