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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Zum Kapitel der Friedhofsdenkmäler.

Wie die Hünengräber des Nordens, wie die Steinbauten des Orients oder
winzig wie die gemalten Bildnisse der Verstorbenen auf einigen Schweizer Kirch¬
höfen und wie die nüchtern anmutenden Photographien auf dem übrigens so
schönen Halleiner Friedhofe. Gerade diese bürgerliche oder bäuerliche Kleinseitc
der Kunst auf den Gräbern ist neben den zahllosen Untersuchungen, die den
Pyramiden, Kolumbarien !c. gelten, bisher als kulturgeschichtlich beachtenswert
so gut wie nicht ins Auge gefaßt worden.

Eine Wanderung über den alten und den neuen Münchner Friedhof bietet
nun zwar nach dieser Richtung auch bei mußevollem Umschauen nichts Erhebliches.
Sie sei aber immerhin als Anlaß zu der eben vorgetragenen Anregung benutzt;
nimmt das Besprechen von Bilder- und Skulpturausstellungen doch nachgerade
ein so beträchtliches Heer von Federn in Anspruch, daß es hohe Zeit ist, den
unzweifelhaften Überschuß an flüssigem ästhetischen Urteil auf ein weniger dicht
umlagertes Gebiet hinzulenken. Ausdrücklich bemerkt sei hierbei in Bezug auf
die weiter unten zu erwähnenden Denkmäler, Inschriften u. f. w., daß ich nicht
in der Lage bin, die darüber von mir mitgeteilten Daten, Namen u. f. w. noch¬
mals ans ihre genaue Richtigkeit zu prüfen, was aber nicht hindert, daß meine
ihnen zu Grunde liegenden Taschenbuchnotizen in der Hauptsache von Irrtümern
frei sein dürften.

München, als Kunststadt ersten Ranges, hat durch diese seine Eigenschaft
wenn nicht die Verpflichtung, so doch das Recht, das I,g.i88<zr darf und das
I^aisssr altfr nicht in uneingeschränkten Maße gelten zu lassen, wo es sich um
Schöpfungen handelt, die dem Bereiche der Kunst angehören oder angehören
sollten.

Wie allerorten, wird auch in München nach dieser Richtung auf öffent¬
liche wie auf Privatbauten ein im ganzen verdienstlicher und anerkennungs¬
würdiger Einfluß geübt. In geringerem Grade kann ein solcher selbstverständlich
da sich geltend machen, wo mit Gefühlen zu rechnen ist, und nirgends möchte
die fremde Einmischung minder am Platze sein als auf dem Gottesacker;
über eine gewisse äußere Anordnung in Bezug auf die Raumverhältnisse,
auf die zum Bepflanzen der Gräber geeigneten Bäume, auf den Unterhalt und
die Pflege des Gräberschmucks -- über diese und ähnliche meist schon herkömm¬
liche Anordnungen hinauszugehen, ist unratsam, auch vom ästhetischen Stand¬
punkte aus; überflutet doch schon aus ökonomischen Gründen von selbst der
fabrikmäßig auf Vorrat hergestellte Gräberschmuck das individuell dem einzelnen
Falle angemessene, und widerstrebt doch dem in Trauer versenkte" Empfinden
mit Fug und Recht jede Maßregelung, die sich als solche ihm in den Weg
stellt. Also, wenn dies noch ausdrücklich betont werden muß: Vorschriften, Ver¬
bote, Gebote haben sich ans den Friedhöfen nicht fühlbarer zu machen, als dies
die allgemeinen örtlichen Bedingungen erheischen; mit dem Einlaufen in den
letzten irdischen Ruhehafen hat die Ungleichheit unter den Menschen ihr Ende er-


Zum Kapitel der Friedhofsdenkmäler.

Wie die Hünengräber des Nordens, wie die Steinbauten des Orients oder
winzig wie die gemalten Bildnisse der Verstorbenen auf einigen Schweizer Kirch¬
höfen und wie die nüchtern anmutenden Photographien auf dem übrigens so
schönen Halleiner Friedhofe. Gerade diese bürgerliche oder bäuerliche Kleinseitc
der Kunst auf den Gräbern ist neben den zahllosen Untersuchungen, die den
Pyramiden, Kolumbarien !c. gelten, bisher als kulturgeschichtlich beachtenswert
so gut wie nicht ins Auge gefaßt worden.

Eine Wanderung über den alten und den neuen Münchner Friedhof bietet
nun zwar nach dieser Richtung auch bei mußevollem Umschauen nichts Erhebliches.
Sie sei aber immerhin als Anlaß zu der eben vorgetragenen Anregung benutzt;
nimmt das Besprechen von Bilder- und Skulpturausstellungen doch nachgerade
ein so beträchtliches Heer von Federn in Anspruch, daß es hohe Zeit ist, den
unzweifelhaften Überschuß an flüssigem ästhetischen Urteil auf ein weniger dicht
umlagertes Gebiet hinzulenken. Ausdrücklich bemerkt sei hierbei in Bezug auf
die weiter unten zu erwähnenden Denkmäler, Inschriften u. f. w., daß ich nicht
in der Lage bin, die darüber von mir mitgeteilten Daten, Namen u. f. w. noch¬
mals ans ihre genaue Richtigkeit zu prüfen, was aber nicht hindert, daß meine
ihnen zu Grunde liegenden Taschenbuchnotizen in der Hauptsache von Irrtümern
frei sein dürften.

München, als Kunststadt ersten Ranges, hat durch diese seine Eigenschaft
wenn nicht die Verpflichtung, so doch das Recht, das I,g.i88<zr darf und das
I^aisssr altfr nicht in uneingeschränkten Maße gelten zu lassen, wo es sich um
Schöpfungen handelt, die dem Bereiche der Kunst angehören oder angehören
sollten.

Wie allerorten, wird auch in München nach dieser Richtung auf öffent¬
liche wie auf Privatbauten ein im ganzen verdienstlicher und anerkennungs¬
würdiger Einfluß geübt. In geringerem Grade kann ein solcher selbstverständlich
da sich geltend machen, wo mit Gefühlen zu rechnen ist, und nirgends möchte
die fremde Einmischung minder am Platze sein als auf dem Gottesacker;
über eine gewisse äußere Anordnung in Bezug auf die Raumverhältnisse,
auf die zum Bepflanzen der Gräber geeigneten Bäume, auf den Unterhalt und
die Pflege des Gräberschmucks — über diese und ähnliche meist schon herkömm¬
liche Anordnungen hinauszugehen, ist unratsam, auch vom ästhetischen Stand¬
punkte aus; überflutet doch schon aus ökonomischen Gründen von selbst der
fabrikmäßig auf Vorrat hergestellte Gräberschmuck das individuell dem einzelnen
Falle angemessene, und widerstrebt doch dem in Trauer versenkte» Empfinden
mit Fug und Recht jede Maßregelung, die sich als solche ihm in den Weg
stellt. Also, wenn dies noch ausdrücklich betont werden muß: Vorschriften, Ver¬
bote, Gebote haben sich ans den Friedhöfen nicht fühlbarer zu machen, als dies
die allgemeinen örtlichen Bedingungen erheischen; mit dem Einlaufen in den
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[0430] Zum Kapitel der Friedhofsdenkmäler. Wie die Hünengräber des Nordens, wie die Steinbauten des Orients oder winzig wie die gemalten Bildnisse der Verstorbenen auf einigen Schweizer Kirch¬ höfen und wie die nüchtern anmutenden Photographien auf dem übrigens so schönen Halleiner Friedhofe. Gerade diese bürgerliche oder bäuerliche Kleinseitc der Kunst auf den Gräbern ist neben den zahllosen Untersuchungen, die den Pyramiden, Kolumbarien !c. gelten, bisher als kulturgeschichtlich beachtenswert so gut wie nicht ins Auge gefaßt worden. Eine Wanderung über den alten und den neuen Münchner Friedhof bietet nun zwar nach dieser Richtung auch bei mußevollem Umschauen nichts Erhebliches. Sie sei aber immerhin als Anlaß zu der eben vorgetragenen Anregung benutzt; nimmt das Besprechen von Bilder- und Skulpturausstellungen doch nachgerade ein so beträchtliches Heer von Federn in Anspruch, daß es hohe Zeit ist, den unzweifelhaften Überschuß an flüssigem ästhetischen Urteil auf ein weniger dicht umlagertes Gebiet hinzulenken. Ausdrücklich bemerkt sei hierbei in Bezug auf die weiter unten zu erwähnenden Denkmäler, Inschriften u. f. w., daß ich nicht in der Lage bin, die darüber von mir mitgeteilten Daten, Namen u. f. w. noch¬ mals ans ihre genaue Richtigkeit zu prüfen, was aber nicht hindert, daß meine ihnen zu Grunde liegenden Taschenbuchnotizen in der Hauptsache von Irrtümern frei sein dürften. München, als Kunststadt ersten Ranges, hat durch diese seine Eigenschaft wenn nicht die Verpflichtung, so doch das Recht, das I,g.i88<zr darf und das I^aisssr altfr nicht in uneingeschränkten Maße gelten zu lassen, wo es sich um Schöpfungen handelt, die dem Bereiche der Kunst angehören oder angehören sollten. Wie allerorten, wird auch in München nach dieser Richtung auf öffent¬ liche wie auf Privatbauten ein im ganzen verdienstlicher und anerkennungs¬ würdiger Einfluß geübt. In geringerem Grade kann ein solcher selbstverständlich da sich geltend machen, wo mit Gefühlen zu rechnen ist, und nirgends möchte die fremde Einmischung minder am Platze sein als auf dem Gottesacker; über eine gewisse äußere Anordnung in Bezug auf die Raumverhältnisse, auf die zum Bepflanzen der Gräber geeigneten Bäume, auf den Unterhalt und die Pflege des Gräberschmucks — über diese und ähnliche meist schon herkömm¬ liche Anordnungen hinauszugehen, ist unratsam, auch vom ästhetischen Stand¬ punkte aus; überflutet doch schon aus ökonomischen Gründen von selbst der fabrikmäßig auf Vorrat hergestellte Gräberschmuck das individuell dem einzelnen Falle angemessene, und widerstrebt doch dem in Trauer versenkte» Empfinden mit Fug und Recht jede Maßregelung, die sich als solche ihm in den Weg stellt. Also, wenn dies noch ausdrücklich betont werden muß: Vorschriften, Ver¬ bote, Gebote haben sich ans den Friedhöfen nicht fühlbarer zu machen, als dies die allgemeinen örtlichen Bedingungen erheischen; mit dem Einlaufen in den letzten irdischen Ruhehafen hat die Ungleichheit unter den Menschen ihr Ende er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/430>, abgerufen am 25.08.2024.