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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Prälat und eine Äbtissin zusammen drei Krieger aufbringen mußten; für den
halben Mann wurde dann natürlich Geld bezahlt.

Diese Kriegsmacht von 40 000 Mann nannte man die g.rrng.wrs. a.Ä sim-
pluin; doch wurde auch Wohl eine -irmg-tura s.ä cluxlnur oder g,Ä trixluni be¬
schlossen; im Jahre 1793 sollte sogar das Fünffache der einfachen Armatur
aufgeboten werden.

Die bekannteste Mobilmachung der Reichsarmee ist die vom Jahre 1757.
Am 17. Januar 1757 wurde zu Regensburg auf Antrag des kaiserlichen Prin-
zipalkommissarius gegen den "in Empörung begriffenen Kurfürsten von Branden¬
burg" (Friedrich den Großen nämlich) Neichsexekntion beschlossen, und zwar
sollte eine Min^wrg. trixlunr auf die Beine gebracht werden, um dem an¬
geblich vergewaltigten Kurfürsten von Sachsen "eilende Reichshilfe" zu senden.
Daß der Volkswitz, und zwar nicht allein in Preußen, hieraus sofort "elende
Neichshilfe" machte, ist bekannt.

Ein Reichsheer in der dreifachen Stärke hätte eigentlich 120 000 Mann
stark sein sollen. Davon mußten jedoch zunächst die Kontingente der preußischen
Lande und der mit Preußen verbundenen Staaten, wie Hessen-Kassel, Braun-
schweig und Gotha, abgerechnet werden. Aber man war weit davon entfernt,
so viele Mannschaft aufzustellen, wie dann übrig geblieben wäre. Den wirk¬
lichen, vollen Bestand bezeichnete man originellerweise als den "Jdealfuß," da
ja bekanntlich Ideale hienieden niemals erreicht werden. Den Gegensatz dazu
bildete der "Usnalfnß"; dieser wurde vielfach dadurch hergestellt, daß die Stände-
versammlungen der einzelnen Kreise auf eigne Faust einige tausend Mann von
dem Jdealfuße strichen. Für den schwäbischen Kreis war der Jdealfuß auf
3963 Reiter und 8121 Fußsoldaten festgesetzt, der Usnalfnß aber nur auf
1184 Reiter und 6760 Fußsoldaten, d. h. man hatte einfach etwa 2800 Reiter
und 1260 Fußgänger gestrichen. Aber anch das konnte nicht durchgeführt
werden; manche Stände konnten wegen übermäßiger Verschuldung überhaupt
nicht einen Mann ans die Beine bringen. In Wirklichkeit stellte der Kreis nur
734 Reiter und 4766 Fußsoldaten, d. h. über 3200 Reiter und über 3350 Fu߬
gänger weniger, als er nach dem Jdealfnßc hätte stellen sollen. Wie wunderlich
die Zusammensetzung war, davon nur ein Beispiel: bei dem zweiten Regimente
des baierischen Kreises ernannte Salzburg den Obersten, Pfalz-Neuburg den
Oberstleutnant, und Passan den Oberstwachtmeister. Und was waren das für
Offiziere und Mannschaften! Wie buntscheckig die Uniformirnng und Ausrüstung,
wie jammervoll die Bewaffnung! Von 100 Gewehren gingen durchschnittlich
75 nicht los. Statt der Flintensteine, die noch fehlten, hatten manche Truppen¬
teile Holzstückchen, die Feuersteinen ähnlich gemacht waren, an ihren Ge¬
wehren. Von den 2199 Reitern des Neichsheeres hatten 149 überhaupt keine
Pferde, 125 solche, die gänzlich dienstnnfähig waren, 219 solche, die mit groben
Fehlern behaftet waren. Von den Kavalleristen hatten viele überhaupt noch


Prälat und eine Äbtissin zusammen drei Krieger aufbringen mußten; für den
halben Mann wurde dann natürlich Geld bezahlt.

Diese Kriegsmacht von 40 000 Mann nannte man die g.rrng.wrs. a.Ä sim-
pluin; doch wurde auch Wohl eine -irmg-tura s.ä cluxlnur oder g,Ä trixluni be¬
schlossen; im Jahre 1793 sollte sogar das Fünffache der einfachen Armatur
aufgeboten werden.

Die bekannteste Mobilmachung der Reichsarmee ist die vom Jahre 1757.
Am 17. Januar 1757 wurde zu Regensburg auf Antrag des kaiserlichen Prin-
zipalkommissarius gegen den „in Empörung begriffenen Kurfürsten von Branden¬
burg" (Friedrich den Großen nämlich) Neichsexekntion beschlossen, und zwar
sollte eine Min^wrg. trixlunr auf die Beine gebracht werden, um dem an¬
geblich vergewaltigten Kurfürsten von Sachsen „eilende Reichshilfe" zu senden.
Daß der Volkswitz, und zwar nicht allein in Preußen, hieraus sofort „elende
Neichshilfe" machte, ist bekannt.

Ein Reichsheer in der dreifachen Stärke hätte eigentlich 120 000 Mann
stark sein sollen. Davon mußten jedoch zunächst die Kontingente der preußischen
Lande und der mit Preußen verbundenen Staaten, wie Hessen-Kassel, Braun-
schweig und Gotha, abgerechnet werden. Aber man war weit davon entfernt,
so viele Mannschaft aufzustellen, wie dann übrig geblieben wäre. Den wirk¬
lichen, vollen Bestand bezeichnete man originellerweise als den „Jdealfuß," da
ja bekanntlich Ideale hienieden niemals erreicht werden. Den Gegensatz dazu
bildete der „Usnalfnß"; dieser wurde vielfach dadurch hergestellt, daß die Stände-
versammlungen der einzelnen Kreise auf eigne Faust einige tausend Mann von
dem Jdealfuße strichen. Für den schwäbischen Kreis war der Jdealfuß auf
3963 Reiter und 8121 Fußsoldaten festgesetzt, der Usnalfnß aber nur auf
1184 Reiter und 6760 Fußsoldaten, d. h. man hatte einfach etwa 2800 Reiter
und 1260 Fußgänger gestrichen. Aber anch das konnte nicht durchgeführt
werden; manche Stände konnten wegen übermäßiger Verschuldung überhaupt
nicht einen Mann ans die Beine bringen. In Wirklichkeit stellte der Kreis nur
734 Reiter und 4766 Fußsoldaten, d. h. über 3200 Reiter und über 3350 Fu߬
gänger weniger, als er nach dem Jdealfnßc hätte stellen sollen. Wie wunderlich
die Zusammensetzung war, davon nur ein Beispiel: bei dem zweiten Regimente
des baierischen Kreises ernannte Salzburg den Obersten, Pfalz-Neuburg den
Oberstleutnant, und Passan den Oberstwachtmeister. Und was waren das für
Offiziere und Mannschaften! Wie buntscheckig die Uniformirnng und Ausrüstung,
wie jammervoll die Bewaffnung! Von 100 Gewehren gingen durchschnittlich
75 nicht los. Statt der Flintensteine, die noch fehlten, hatten manche Truppen¬
teile Holzstückchen, die Feuersteinen ähnlich gemacht waren, an ihren Ge¬
wehren. Von den 2199 Reitern des Neichsheeres hatten 149 überhaupt keine
Pferde, 125 solche, die gänzlich dienstnnfähig waren, 219 solche, die mit groben
Fehlern behaftet waren. Von den Kavalleristen hatten viele überhaupt noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/367>, abgerufen am 23.07.2024.