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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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8xirg,ut. Kam aber wirklich einmal ein rechtskräftiges Urteil heraus, so pflegten
sich in der Regel anch nur einigermaßen starke Neichsstcinde diesen Entschei-
dungen einfach nicht zu fügen.

Eine ähnliche Einrichtung war der Ncichshofrat in Wien, omrsilwrn auli-
ouin, dessen Mitglieder vom Kaiser nach Belieben ernannt wurden. Auf
seine Entscheidungen namentlich bezieht sich das bekannte Wort: Visirrm vult
"zxxsotÄri.

Auf die Verfassung der einzelnen Reichskreise, von denen jeder wieder ein
Bild des ganzen Reiches darbot, einzugehen, würde wieder zu weit führen.

Dagegen ist es unumgänglich notwendig, noch einen Blick zu werfen auf
die beiden Säulen, ans denen das Wesen des Staates, die Macht, hauptsächlich
beruht, nämlich auf die Neichsfincmzen und das Reichsheerwesen. Geld und
Soldaten, der letzte Thaler und der letzte Mann, nach einem bekannten Aus-
spruche des großen Friedrich, sind es, die dem Staate Halt und Macht geben,
und nach denen sein Ansehen und seine Bedeutung zu bemessen sind. Hier ist
nichts mit prunkenden Titeln, mit übermäßigen Ansprüchen, mit trvdelhaftem
Flitterkram zu machen. Hier offenbart sich daher auch am deutlichsten die Er¬
bärmlichkeit und Hohlheit aller Rcichseinrichtnngen.

Betrachten wir zunächst das Einkommen des Kaisers aus dem Reiche, was
mau jetzt seine Zivilliste nennen würde. Früher war dieses sehr bedeutend ge¬
wesen, namentlich durch den Ertrag der ungeheuern Reichsgüter. Zu den Zeiten
Friedrich Barbarossas schätzte man es auf nahezu sechzig Tonnen Goldes, jede
zu 100 000 Goldgulden. Die Staatsrechtslehrer Spittler und Meiners aber
berechneten es im Jahre 1784 auf 18884 Gulden 32 Kreuzer, sodaß, wie mau
wohl beizufügen Pflegte, ein kurhaunoverschcr Kammerpräsident ein größeres
Einkommen hatte als der Kaiser als solcher. Und in welch erbärmlicher Weise
wurde diese erbärmliche Summe zusammengebettelt! Es verteilte sich nttmlich
auf die folgenden "Titel": 1. Die Geldstrafen, auf welche die Reichsgerichte
erkannten; 2. der Opferpfennig der Juden in Frankfurt (3000 Gulden) und
Worms (100 Gulden); 3. einige reichsstädtische Abgaben; 4. die Lehnsgelder;
5. die Krönungsgeschenke.

Das Geld für die gemeinsamen Ncichsausgaben wurde durch Reichssteuern
aufgebracht. Von der ersten Klasse derselben, den sogenannten ordentlichen
Reichsstenern, gab es im vorigen Jahrhundert nur uoch den "Kammerzieler,"
eine Abgabe, welche in halbjährlichen Raten nach der "Usual-Matrikel" von
1720, zuletzt umgearbeitet 1757, erhoben wurde. Der Ertrag dieser Steuer,
der sich auf etwa 39000 Thaler beließ war bestimmt zur Deckung der Kosten
des Neichskammergerichtes.

Bei den außerordentlichen Reichssteueru unterschied man regelmäßige und
unregelmäßige. Von den ersteren war die einzige, die noch erhoben wurde,
der sogenannte "gemeine Pfennig" oder der "Römer-Monat," für dessen Bei-


8xirg,ut. Kam aber wirklich einmal ein rechtskräftiges Urteil heraus, so pflegten
sich in der Regel anch nur einigermaßen starke Neichsstcinde diesen Entschei-
dungen einfach nicht zu fügen.

Eine ähnliche Einrichtung war der Ncichshofrat in Wien, omrsilwrn auli-
ouin, dessen Mitglieder vom Kaiser nach Belieben ernannt wurden. Auf
seine Entscheidungen namentlich bezieht sich das bekannte Wort: Visirrm vult
«zxxsotÄri.

Auf die Verfassung der einzelnen Reichskreise, von denen jeder wieder ein
Bild des ganzen Reiches darbot, einzugehen, würde wieder zu weit führen.

Dagegen ist es unumgänglich notwendig, noch einen Blick zu werfen auf
die beiden Säulen, ans denen das Wesen des Staates, die Macht, hauptsächlich
beruht, nämlich auf die Neichsfincmzen und das Reichsheerwesen. Geld und
Soldaten, der letzte Thaler und der letzte Mann, nach einem bekannten Aus-
spruche des großen Friedrich, sind es, die dem Staate Halt und Macht geben,
und nach denen sein Ansehen und seine Bedeutung zu bemessen sind. Hier ist
nichts mit prunkenden Titeln, mit übermäßigen Ansprüchen, mit trvdelhaftem
Flitterkram zu machen. Hier offenbart sich daher auch am deutlichsten die Er¬
bärmlichkeit und Hohlheit aller Rcichseinrichtnngen.

Betrachten wir zunächst das Einkommen des Kaisers aus dem Reiche, was
mau jetzt seine Zivilliste nennen würde. Früher war dieses sehr bedeutend ge¬
wesen, namentlich durch den Ertrag der ungeheuern Reichsgüter. Zu den Zeiten
Friedrich Barbarossas schätzte man es auf nahezu sechzig Tonnen Goldes, jede
zu 100 000 Goldgulden. Die Staatsrechtslehrer Spittler und Meiners aber
berechneten es im Jahre 1784 auf 18884 Gulden 32 Kreuzer, sodaß, wie mau
wohl beizufügen Pflegte, ein kurhaunoverschcr Kammerpräsident ein größeres
Einkommen hatte als der Kaiser als solcher. Und in welch erbärmlicher Weise
wurde diese erbärmliche Summe zusammengebettelt! Es verteilte sich nttmlich
auf die folgenden „Titel": 1. Die Geldstrafen, auf welche die Reichsgerichte
erkannten; 2. der Opferpfennig der Juden in Frankfurt (3000 Gulden) und
Worms (100 Gulden); 3. einige reichsstädtische Abgaben; 4. die Lehnsgelder;
5. die Krönungsgeschenke.

Das Geld für die gemeinsamen Ncichsausgaben wurde durch Reichssteuern
aufgebracht. Von der ersten Klasse derselben, den sogenannten ordentlichen
Reichsstenern, gab es im vorigen Jahrhundert nur uoch den „Kammerzieler,"
eine Abgabe, welche in halbjährlichen Raten nach der „Usual-Matrikel" von
1720, zuletzt umgearbeitet 1757, erhoben wurde. Der Ertrag dieser Steuer,
der sich auf etwa 39000 Thaler beließ war bestimmt zur Deckung der Kosten
des Neichskammergerichtes.

Bei den außerordentlichen Reichssteueru unterschied man regelmäßige und
unregelmäßige. Von den ersteren war die einzige, die noch erhoben wurde,
der sogenannte „gemeine Pfennig" oder der „Römer-Monat," für dessen Bei-


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[0365] 8xirg,ut. Kam aber wirklich einmal ein rechtskräftiges Urteil heraus, so pflegten sich in der Regel anch nur einigermaßen starke Neichsstcinde diesen Entschei- dungen einfach nicht zu fügen. Eine ähnliche Einrichtung war der Ncichshofrat in Wien, omrsilwrn auli- ouin, dessen Mitglieder vom Kaiser nach Belieben ernannt wurden. Auf seine Entscheidungen namentlich bezieht sich das bekannte Wort: Visirrm vult «zxxsotÄri. Auf die Verfassung der einzelnen Reichskreise, von denen jeder wieder ein Bild des ganzen Reiches darbot, einzugehen, würde wieder zu weit führen. Dagegen ist es unumgänglich notwendig, noch einen Blick zu werfen auf die beiden Säulen, ans denen das Wesen des Staates, die Macht, hauptsächlich beruht, nämlich auf die Neichsfincmzen und das Reichsheerwesen. Geld und Soldaten, der letzte Thaler und der letzte Mann, nach einem bekannten Aus- spruche des großen Friedrich, sind es, die dem Staate Halt und Macht geben, und nach denen sein Ansehen und seine Bedeutung zu bemessen sind. Hier ist nichts mit prunkenden Titeln, mit übermäßigen Ansprüchen, mit trvdelhaftem Flitterkram zu machen. Hier offenbart sich daher auch am deutlichsten die Er¬ bärmlichkeit und Hohlheit aller Rcichseinrichtnngen. Betrachten wir zunächst das Einkommen des Kaisers aus dem Reiche, was mau jetzt seine Zivilliste nennen würde. Früher war dieses sehr bedeutend ge¬ wesen, namentlich durch den Ertrag der ungeheuern Reichsgüter. Zu den Zeiten Friedrich Barbarossas schätzte man es auf nahezu sechzig Tonnen Goldes, jede zu 100 000 Goldgulden. Die Staatsrechtslehrer Spittler und Meiners aber berechneten es im Jahre 1784 auf 18884 Gulden 32 Kreuzer, sodaß, wie mau wohl beizufügen Pflegte, ein kurhaunoverschcr Kammerpräsident ein größeres Einkommen hatte als der Kaiser als solcher. Und in welch erbärmlicher Weise wurde diese erbärmliche Summe zusammengebettelt! Es verteilte sich nttmlich auf die folgenden „Titel": 1. Die Geldstrafen, auf welche die Reichsgerichte erkannten; 2. der Opferpfennig der Juden in Frankfurt (3000 Gulden) und Worms (100 Gulden); 3. einige reichsstädtische Abgaben; 4. die Lehnsgelder; 5. die Krönungsgeschenke. Das Geld für die gemeinsamen Ncichsausgaben wurde durch Reichssteuern aufgebracht. Von der ersten Klasse derselben, den sogenannten ordentlichen Reichsstenern, gab es im vorigen Jahrhundert nur uoch den „Kammerzieler," eine Abgabe, welche in halbjährlichen Raten nach der „Usual-Matrikel" von 1720, zuletzt umgearbeitet 1757, erhoben wurde. Der Ertrag dieser Steuer, der sich auf etwa 39000 Thaler beließ war bestimmt zur Deckung der Kosten des Neichskammergerichtes. Bei den außerordentlichen Reichssteueru unterschied man regelmäßige und unregelmäßige. Von den ersteren war die einzige, die noch erhoben wurde, der sogenannte „gemeine Pfennig" oder der „Römer-Monat," für dessen Bei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/365>, abgerufen am 23.07.2024.