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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren.

schaft die Anzahl der Anwälte dem Einflüsse des Staates durchaus entzogen
sei, nicht als Aufgabe der Gesetzgebung angesehen werden, jeder beliebigen Zahl
von Anwälten an allen Orten ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Dieser
Satz ist, ungeachtet seiner scheinbaren Härte, unzweifelhaft richtig und auch
in allen Äußerungen der Anwaltskammern als solcher anerkannt. Aber auch
die positive Fassung: "Angemessene Einnahme bei angemessener Arbeit" wird
keinem Widerspruche begegnen; der näheren Bestimmung bedürfen nur die beiden
Begriffe: angemessene Einnahme und angemessene Arbeit.

In beiden Beziehungen wird von den Verhältnissen der entsprechenden Be-
amtenklasseu ausgegangen werden dürfen, insofern insbesondre die Frage der An-
gemessenheit des Einkommens niemals schlechthin, sondern immer nur vergleichs¬
weise beantwortet werden kann. Angemessen ist dasjenige Einkommen, bei welchem
jemand so leben kann, wie es die mit ihm ans gleicher gesellschaftlicher Stufe
stehenden können. Gehen >vir also von der oben betonten gesellschaftlichen
Gleichstellung des Richters und des Urwalds aus, so muß dem Anwälte ein
solches Einkommen gegeben werden, wie es der Richter besitzt.

Hierbei darf selbstverständlich nicht außer Acht gelassen werden, daß der
Richter nicht bloß seinen Gehalt bezieht, und zwar ohne Rücksicht auf etwaige
vorübergehende Behinderung dnrch Krankheit und Urlaub, sondern daß er auch
bei eintretender Invalidität oder in höherem Alter eine Pension bezieht, sowie
daß eine gleiche Versorgung seiner Hinterbliebenen zuteil wird, freilich vorläufig
in den meisten Staaten gegen Beitragspflicht des Beamte". Den Betrag dieser
Nebenvergünstigungen auszurechnen und darnach einen bestimmten Zuschlag zu
demi Richtergehalte zu ermitteln, macht keine Schwierigkeit, da bei der heutigen
Entwicklung der Alters-, Lebens- und Unfallversicherung auch der Anwalt sich
geradezu jene Vorteile verschaffen kann, oder wenigstens die statistischen Unter¬
lagen für die Berechnung derselben zu gewinnen sind.

Ebenso leicht ausführbar ist es, ausgehend von den Geschäftsverhältnissen
der Richter gewissermaßen einen Normalarbeitstag festzustellen, welcher bei Aus¬
messung der Gebühren zu Gründe zu legen ist, und damit erledigt sich auch
der Einwand, daß die hier verteidigte Gleichmäßigkeit zwischen dem Einkommen
des Urwalds und dem des Richters aus dem Grunde ungerechtfertigt sei, weil
die Kräfte des ersteren sich rascher abnutzten. Geschieht dies, weil der Anwalt
etwa durchschnittlich täglich länger arbeitet als der Richter, so sind anch diese
Überstunden bei unsrer Berechnung nicht in Anschlag gebracht.

Es würde nun aber durchaus unrichtig sein, wenn man zur Beurteilung
der Angemessenheit der jetzt geltenden Gebührensätze einfach die ermittelten that¬
sächlichen Eiukvmmensbeträge auf den besprochenen Normalarbeitstag reduziren
und dann mit dem erörterten Jdealmaßstabe vergleichen wollte. Man würde
dabei außer Acht lassen, daß zur Zeit in Deutschland nicht unerheblich mehr
Anwälte vorhanden sind, als zur zweckentsprechenden Erledigung der Geschäfte


Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren.

schaft die Anzahl der Anwälte dem Einflüsse des Staates durchaus entzogen
sei, nicht als Aufgabe der Gesetzgebung angesehen werden, jeder beliebigen Zahl
von Anwälten an allen Orten ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Dieser
Satz ist, ungeachtet seiner scheinbaren Härte, unzweifelhaft richtig und auch
in allen Äußerungen der Anwaltskammern als solcher anerkannt. Aber auch
die positive Fassung: „Angemessene Einnahme bei angemessener Arbeit" wird
keinem Widerspruche begegnen; der näheren Bestimmung bedürfen nur die beiden
Begriffe: angemessene Einnahme und angemessene Arbeit.

In beiden Beziehungen wird von den Verhältnissen der entsprechenden Be-
amtenklasseu ausgegangen werden dürfen, insofern insbesondre die Frage der An-
gemessenheit des Einkommens niemals schlechthin, sondern immer nur vergleichs¬
weise beantwortet werden kann. Angemessen ist dasjenige Einkommen, bei welchem
jemand so leben kann, wie es die mit ihm ans gleicher gesellschaftlicher Stufe
stehenden können. Gehen >vir also von der oben betonten gesellschaftlichen
Gleichstellung des Richters und des Urwalds aus, so muß dem Anwälte ein
solches Einkommen gegeben werden, wie es der Richter besitzt.

Hierbei darf selbstverständlich nicht außer Acht gelassen werden, daß der
Richter nicht bloß seinen Gehalt bezieht, und zwar ohne Rücksicht auf etwaige
vorübergehende Behinderung dnrch Krankheit und Urlaub, sondern daß er auch
bei eintretender Invalidität oder in höherem Alter eine Pension bezieht, sowie
daß eine gleiche Versorgung seiner Hinterbliebenen zuteil wird, freilich vorläufig
in den meisten Staaten gegen Beitragspflicht des Beamte». Den Betrag dieser
Nebenvergünstigungen auszurechnen und darnach einen bestimmten Zuschlag zu
demi Richtergehalte zu ermitteln, macht keine Schwierigkeit, da bei der heutigen
Entwicklung der Alters-, Lebens- und Unfallversicherung auch der Anwalt sich
geradezu jene Vorteile verschaffen kann, oder wenigstens die statistischen Unter¬
lagen für die Berechnung derselben zu gewinnen sind.

Ebenso leicht ausführbar ist es, ausgehend von den Geschäftsverhältnissen
der Richter gewissermaßen einen Normalarbeitstag festzustellen, welcher bei Aus¬
messung der Gebühren zu Gründe zu legen ist, und damit erledigt sich auch
der Einwand, daß die hier verteidigte Gleichmäßigkeit zwischen dem Einkommen
des Urwalds und dem des Richters aus dem Grunde ungerechtfertigt sei, weil
die Kräfte des ersteren sich rascher abnutzten. Geschieht dies, weil der Anwalt
etwa durchschnittlich täglich länger arbeitet als der Richter, so sind anch diese
Überstunden bei unsrer Berechnung nicht in Anschlag gebracht.

Es würde nun aber durchaus unrichtig sein, wenn man zur Beurteilung
der Angemessenheit der jetzt geltenden Gebührensätze einfach die ermittelten that¬
sächlichen Eiukvmmensbeträge auf den besprochenen Normalarbeitstag reduziren
und dann mit dem erörterten Jdealmaßstabe vergleichen wollte. Man würde
dabei außer Acht lassen, daß zur Zeit in Deutschland nicht unerheblich mehr
Anwälte vorhanden sind, als zur zweckentsprechenden Erledigung der Geschäfte


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[0323] Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren. schaft die Anzahl der Anwälte dem Einflüsse des Staates durchaus entzogen sei, nicht als Aufgabe der Gesetzgebung angesehen werden, jeder beliebigen Zahl von Anwälten an allen Orten ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Dieser Satz ist, ungeachtet seiner scheinbaren Härte, unzweifelhaft richtig und auch in allen Äußerungen der Anwaltskammern als solcher anerkannt. Aber auch die positive Fassung: „Angemessene Einnahme bei angemessener Arbeit" wird keinem Widerspruche begegnen; der näheren Bestimmung bedürfen nur die beiden Begriffe: angemessene Einnahme und angemessene Arbeit. In beiden Beziehungen wird von den Verhältnissen der entsprechenden Be- amtenklasseu ausgegangen werden dürfen, insofern insbesondre die Frage der An- gemessenheit des Einkommens niemals schlechthin, sondern immer nur vergleichs¬ weise beantwortet werden kann. Angemessen ist dasjenige Einkommen, bei welchem jemand so leben kann, wie es die mit ihm ans gleicher gesellschaftlicher Stufe stehenden können. Gehen >vir also von der oben betonten gesellschaftlichen Gleichstellung des Richters und des Urwalds aus, so muß dem Anwälte ein solches Einkommen gegeben werden, wie es der Richter besitzt. Hierbei darf selbstverständlich nicht außer Acht gelassen werden, daß der Richter nicht bloß seinen Gehalt bezieht, und zwar ohne Rücksicht auf etwaige vorübergehende Behinderung dnrch Krankheit und Urlaub, sondern daß er auch bei eintretender Invalidität oder in höherem Alter eine Pension bezieht, sowie daß eine gleiche Versorgung seiner Hinterbliebenen zuteil wird, freilich vorläufig in den meisten Staaten gegen Beitragspflicht des Beamte». Den Betrag dieser Nebenvergünstigungen auszurechnen und darnach einen bestimmten Zuschlag zu demi Richtergehalte zu ermitteln, macht keine Schwierigkeit, da bei der heutigen Entwicklung der Alters-, Lebens- und Unfallversicherung auch der Anwalt sich geradezu jene Vorteile verschaffen kann, oder wenigstens die statistischen Unter¬ lagen für die Berechnung derselben zu gewinnen sind. Ebenso leicht ausführbar ist es, ausgehend von den Geschäftsverhältnissen der Richter gewissermaßen einen Normalarbeitstag festzustellen, welcher bei Aus¬ messung der Gebühren zu Gründe zu legen ist, und damit erledigt sich auch der Einwand, daß die hier verteidigte Gleichmäßigkeit zwischen dem Einkommen des Urwalds und dem des Richters aus dem Grunde ungerechtfertigt sei, weil die Kräfte des ersteren sich rascher abnutzten. Geschieht dies, weil der Anwalt etwa durchschnittlich täglich länger arbeitet als der Richter, so sind anch diese Überstunden bei unsrer Berechnung nicht in Anschlag gebracht. Es würde nun aber durchaus unrichtig sein, wenn man zur Beurteilung der Angemessenheit der jetzt geltenden Gebührensätze einfach die ermittelten that¬ sächlichen Eiukvmmensbeträge auf den besprochenen Normalarbeitstag reduziren und dann mit dem erörterten Jdealmaßstabe vergleichen wollte. Man würde dabei außer Acht lassen, daß zur Zeit in Deutschland nicht unerheblich mehr Anwälte vorhanden sind, als zur zweckentsprechenden Erledigung der Geschäfte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/323>, abgerufen am 23.07.2024.