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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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volaxük.

eine besondre Schrift mit Vorschlägen zur Herbeiführung größeren Wohlklanges
im Volapük erschienen ist, als Beweis dafür, wie wenig der gepriesene Wohl¬
laut Anerkennung findet. Darüber kaun man sich aber leicht trösten. Denn
allen hierin zu gefallen gehört zu den Unmöglichkeiten, und schließlich ist dieser
Punkt ein sehr nebensächlicher, in dein mau gern geringere Anforderungen
stellen wird, wenn nur die Formen leicht aussprechbar und mundgerecht sind.
Letzteres ist jedoch nicht durchgehends der Fall. Aus zarter Rücksicht auf die
Chinesen, deren Eintreten in den Weltverkehr sich vorbereitet, hat Herr Schleyer
zwar den Laut r aus dem Volapük vollständig verbannt und dadurch die be¬
zopften Söhne des Reiches der Mitte sich unzweifelhaft zu großem Danke ver¬
pflichtet, aber daß z. V. die Umlaute ü,, ö und ü, welche eine außerordentliche
Rolle im Volapük spielen, mehreren unsrer tultivirtesten Nachbarn, die auf
Rücksicht gewiß größern Anspruch hätten, mindestens die gleichen Schwierig¬
keiten verursachen, scheint Herr Schieber nicht bedacht zu haben. Und das
harte Zusammentreffen mehrerer Konsonanten, welches gar nicht so selten ist,
dient auch nicht dazu, dem Volapük das Gepräge des Mundgerechten aufzu¬
drücken. Formen wie dg.l8NÄliK (zehnmalig), 1c)t0in8oK (sie lieben sich), älinov-
8sa (laßt uns trinken), gletlous (Busenfreunde), icllstomÄ-z, (sie hätten getroffen)
können kaum als glatte, leicht aussprechbare bezeichnet werden.

Es ist hier nicht der Ort, auf Einzelheiten der Schleycrschen Sprache
genauer einzugehen, die erörterten allgemeinen Gesichtspunkte dürften zur Ab¬
gabe eines begründeten Urteils ausreichen. Gleich all seinen Vorgängern ver¬
dient das Volapük Beachtung als ein wohlgemeinter Versuch, das Menschen¬
geschlecht bei Erfüllung seiner Arbeiten und Aufgaben zu fördern, zu uuterstlltzeu.
Volapük besitzt auch trotz seiner Geistlosigkeit manche Vorzüge, welche den früheren
Weltsprachsystemcn abgehen, und bezeichnet somit einen gewissen Fortschritt. Es
teilt aber mit den älteren Versuchen den verhängnisvollen Fehler der Unnatur,
der Gemachtheit, und wird deshalb den ernstlichen Wettbewerb mit natürlich
erwachsenen und lebendig sich fortentwickelnden Sprachen nicht durchführen
können. Die Wissenschaft zunächst müßte in eine bedauerliche Tiefe hinabsinken,
ehe sie sich dazu hergeben könnte, auf den wackeligen internationalen Volapük-
stelzen unbeholfen umherzuspazieren, statt sich der gesunden, wenn auch nicht
so weit ausschreitenden Beine einer nationalen Natursprache mit Sicherheit zu
bedienen. Es wäre geradezu eine Beleidigung der Wissenschaft, wen" man ihr
zutraute, sie könne sich einmal soweit vergessen, das Schleyersche Fabrikat zu
ihrem amtlichen Organe zu wühlen. Ist aber das große Gebiet der Wissen¬
schaft einer vouIÄ-og-Weltsprache verschlossen, so hat diese überhaupt keinen
Anspruch mehr auf den Namen einer Weltsprache. Was sodann den mündlichen
Gebrauch bei Reisen in fremden Ländern betrifft, so wird es nach menschlicher
Voraussicht bei Erhebung selbst der denkbar leichtesten Sprache zum Wcltvcr-
ständigungsmittcl niemals dahin kommen, daß alle Leute, mit welchen ein


volaxük.

eine besondre Schrift mit Vorschlägen zur Herbeiführung größeren Wohlklanges
im Volapük erschienen ist, als Beweis dafür, wie wenig der gepriesene Wohl¬
laut Anerkennung findet. Darüber kaun man sich aber leicht trösten. Denn
allen hierin zu gefallen gehört zu den Unmöglichkeiten, und schließlich ist dieser
Punkt ein sehr nebensächlicher, in dein mau gern geringere Anforderungen
stellen wird, wenn nur die Formen leicht aussprechbar und mundgerecht sind.
Letzteres ist jedoch nicht durchgehends der Fall. Aus zarter Rücksicht auf die
Chinesen, deren Eintreten in den Weltverkehr sich vorbereitet, hat Herr Schleyer
zwar den Laut r aus dem Volapük vollständig verbannt und dadurch die be¬
zopften Söhne des Reiches der Mitte sich unzweifelhaft zu großem Danke ver¬
pflichtet, aber daß z. V. die Umlaute ü,, ö und ü, welche eine außerordentliche
Rolle im Volapük spielen, mehreren unsrer tultivirtesten Nachbarn, die auf
Rücksicht gewiß größern Anspruch hätten, mindestens die gleichen Schwierig¬
keiten verursachen, scheint Herr Schieber nicht bedacht zu haben. Und das
harte Zusammentreffen mehrerer Konsonanten, welches gar nicht so selten ist,
dient auch nicht dazu, dem Volapük das Gepräge des Mundgerechten aufzu¬
drücken. Formen wie dg.l8NÄliK (zehnmalig), 1c)t0in8oK (sie lieben sich), älinov-
8sa (laßt uns trinken), gletlous (Busenfreunde), icllstomÄ-z, (sie hätten getroffen)
können kaum als glatte, leicht aussprechbare bezeichnet werden.

Es ist hier nicht der Ort, auf Einzelheiten der Schleycrschen Sprache
genauer einzugehen, die erörterten allgemeinen Gesichtspunkte dürften zur Ab¬
gabe eines begründeten Urteils ausreichen. Gleich all seinen Vorgängern ver¬
dient das Volapük Beachtung als ein wohlgemeinter Versuch, das Menschen¬
geschlecht bei Erfüllung seiner Arbeiten und Aufgaben zu fördern, zu uuterstlltzeu.
Volapük besitzt auch trotz seiner Geistlosigkeit manche Vorzüge, welche den früheren
Weltsprachsystemcn abgehen, und bezeichnet somit einen gewissen Fortschritt. Es
teilt aber mit den älteren Versuchen den verhängnisvollen Fehler der Unnatur,
der Gemachtheit, und wird deshalb den ernstlichen Wettbewerb mit natürlich
erwachsenen und lebendig sich fortentwickelnden Sprachen nicht durchführen
können. Die Wissenschaft zunächst müßte in eine bedauerliche Tiefe hinabsinken,
ehe sie sich dazu hergeben könnte, auf den wackeligen internationalen Volapük-
stelzen unbeholfen umherzuspazieren, statt sich der gesunden, wenn auch nicht
so weit ausschreitenden Beine einer nationalen Natursprache mit Sicherheit zu
bedienen. Es wäre geradezu eine Beleidigung der Wissenschaft, wen» man ihr
zutraute, sie könne sich einmal soweit vergessen, das Schleyersche Fabrikat zu
ihrem amtlichen Organe zu wühlen. Ist aber das große Gebiet der Wissen¬
schaft einer vouIÄ-og-Weltsprache verschlossen, so hat diese überhaupt keinen
Anspruch mehr auf den Namen einer Weltsprache. Was sodann den mündlichen
Gebrauch bei Reisen in fremden Ländern betrifft, so wird es nach menschlicher
Voraussicht bei Erhebung selbst der denkbar leichtesten Sprache zum Wcltvcr-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/222>, abgerufen am 23.07.2024.