Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.Dichterfreundinnen. der achtzigjähriger blinden Frau. Aus diesen geht hervor, daß philosophische, Dichterfreundinnen. der achtzigjähriger blinden Frau. Aus diesen geht hervor, daß philosophische, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200971"/> <fw type="header" place="top"> Dichterfreundinnen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_591" prev="#ID_590" next="#ID_592"> der achtzigjähriger blinden Frau. Aus diesen geht hervor, daß philosophische,<lb/> besonders kunstphilosophische Betrachtungen den Hauptinhalt der Gespräche<lb/> bildeten und daß Ausflüge in die Nachbarschaft zu mancherlei neuen Bekannt¬<lb/> schaften Anlaß gaben. Schiller war in seiner Jugend sehr gesellig, er liebte<lb/> es, alle bedeutenden Menschen, die er erreichen konnte, in seinen Kreis zu ziehen,<lb/> und Charlotte teilte diese Neigung. Auch Gelegenheit zu Neckereien gab es, die<lb/> Beziehungen des Dichters zu einer schönen Schauspielerin, Amalie genannt,<lb/> wurden nicht unbeachtet gelassen. Zuweilen kam der Major von Landau herüber,<lb/> daun gab es Gastmähler, bei denen Schiller nicht fehlen durfte. Charlotte<lb/> schildert ein solches Mahl und läßt uns einen Blick in die Unterhaltung thun.<lb/> Die Gäste versuchten sich in poetischen Erzählungen, die ein Liebesabenteuer<lb/> zum Inhalt haben mußten und deren Reiz darin bestand, daß etwas Selbst¬<lb/> erlebtes zu Grunde lag. Es war eben das Treiben der Jugend, ein wenig mit<lb/> Sturm und Drang versetzt. In dieser Form scheint die Seelenfreundschaft bis<lb/> zum Ende des Jahres 1784 fortbestanden zu haben. Dann aber trat eine<lb/> Veränderung ein. Am 11. Januar 1785 erhielt Schiller die direkte Einladung<lb/> Friedrich Körners, nach Leipzig zu kommen. Er wurde dadurch in dem Ent¬<lb/> schlüsse bestärkt, Mannheim zu verlassen. Die Überzeugung, daß er unter der<lb/> Last kleinlicher Geschäfte, die sein Beruf als Theaterdichter mit sich brachte,<lb/> nichts Großes schaffen könne, dazu unangenehme Auftritte mit den empfindlichen<lb/> Schauspielern hatten ihm seinen Aufenthalt dort verleidet, er sehnte sich in<lb/> größere und freiere Verhältnisse einzutreten. Schon als ihm in den ersten Tagen<lb/> des Juni 1784 die bekannte Sendung aus Leipzig Körners, Hubers und ihrer<lb/> Bräute, Minna und Dora Stock, begeisterte Huldigungen gebracht und ihm<lb/> gezeigt hatte, daß er auch anderwärts geliebt werde, mochte sich diese Sehnsucht<lb/> in seinem Herzen geregt haben. Sieben Monate waren vergangen, ehe er seinen<lb/> Leipziger Verehrern geantwortet hatte. Der Brief vom 7. Dezember ist an<lb/> Huber gerichtet. „Ihre Briefe — schreibt er — die mich unbeschreiblich erfreuten,<lb/> trafen mich in einer der traurigsten Stimmungen meines Herzens, worüber ich<lb/> Ihnen in Briefen kein Licht geben kann. Meine damalige Gemütsverfasfnng war<lb/> diejenige nicht, worin man sich solchen Menschen, wie ich Sie mir denke, gern<lb/> zum erstenmale vor Augen bringt. Darum, mein Teuerster, behielt ich mir die<lb/> Antwort bis auf eine bessere Stunde vor." Die erwähnte düstere Stimmung<lb/> aus seinem Verhältnisse zur Frau von Kalb ableiten zu wollen, wäre sehr<lb/> gewagt, es liegt kein Anhalt vor. Wohl aber darf man daraus auf eine un¬<lb/> behagliche Gesamtstimmung schließe,,, die in der unhaltbaren Stellung zum<lb/> Mannheimer Theater ihren Grund hatte. Als der edle Körner in wahr¬<lb/> haft herzlicher Weise ihm seine Freundschaft anbietet, ist er sofort entschlossen,<lb/> das Band zu zerreißen, das ihn an Mannheim fesselt, und bei dieser Gelegen¬<lb/> heit kommt eine Hindeutung ans Frau von Kalb zum Vorschein. Am 22. Fe¬<lb/> bruar offenbart er dem neuen Freunde seine Empfindungen: „Menschen, Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
Dichterfreundinnen.
der achtzigjähriger blinden Frau. Aus diesen geht hervor, daß philosophische,
besonders kunstphilosophische Betrachtungen den Hauptinhalt der Gespräche
bildeten und daß Ausflüge in die Nachbarschaft zu mancherlei neuen Bekannt¬
schaften Anlaß gaben. Schiller war in seiner Jugend sehr gesellig, er liebte
es, alle bedeutenden Menschen, die er erreichen konnte, in seinen Kreis zu ziehen,
und Charlotte teilte diese Neigung. Auch Gelegenheit zu Neckereien gab es, die
Beziehungen des Dichters zu einer schönen Schauspielerin, Amalie genannt,
wurden nicht unbeachtet gelassen. Zuweilen kam der Major von Landau herüber,
daun gab es Gastmähler, bei denen Schiller nicht fehlen durfte. Charlotte
schildert ein solches Mahl und läßt uns einen Blick in die Unterhaltung thun.
Die Gäste versuchten sich in poetischen Erzählungen, die ein Liebesabenteuer
zum Inhalt haben mußten und deren Reiz darin bestand, daß etwas Selbst¬
erlebtes zu Grunde lag. Es war eben das Treiben der Jugend, ein wenig mit
Sturm und Drang versetzt. In dieser Form scheint die Seelenfreundschaft bis
zum Ende des Jahres 1784 fortbestanden zu haben. Dann aber trat eine
Veränderung ein. Am 11. Januar 1785 erhielt Schiller die direkte Einladung
Friedrich Körners, nach Leipzig zu kommen. Er wurde dadurch in dem Ent¬
schlüsse bestärkt, Mannheim zu verlassen. Die Überzeugung, daß er unter der
Last kleinlicher Geschäfte, die sein Beruf als Theaterdichter mit sich brachte,
nichts Großes schaffen könne, dazu unangenehme Auftritte mit den empfindlichen
Schauspielern hatten ihm seinen Aufenthalt dort verleidet, er sehnte sich in
größere und freiere Verhältnisse einzutreten. Schon als ihm in den ersten Tagen
des Juni 1784 die bekannte Sendung aus Leipzig Körners, Hubers und ihrer
Bräute, Minna und Dora Stock, begeisterte Huldigungen gebracht und ihm
gezeigt hatte, daß er auch anderwärts geliebt werde, mochte sich diese Sehnsucht
in seinem Herzen geregt haben. Sieben Monate waren vergangen, ehe er seinen
Leipziger Verehrern geantwortet hatte. Der Brief vom 7. Dezember ist an
Huber gerichtet. „Ihre Briefe — schreibt er — die mich unbeschreiblich erfreuten,
trafen mich in einer der traurigsten Stimmungen meines Herzens, worüber ich
Ihnen in Briefen kein Licht geben kann. Meine damalige Gemütsverfasfnng war
diejenige nicht, worin man sich solchen Menschen, wie ich Sie mir denke, gern
zum erstenmale vor Augen bringt. Darum, mein Teuerster, behielt ich mir die
Antwort bis auf eine bessere Stunde vor." Die erwähnte düstere Stimmung
aus seinem Verhältnisse zur Frau von Kalb ableiten zu wollen, wäre sehr
gewagt, es liegt kein Anhalt vor. Wohl aber darf man daraus auf eine un¬
behagliche Gesamtstimmung schließe,,, die in der unhaltbaren Stellung zum
Mannheimer Theater ihren Grund hatte. Als der edle Körner in wahr¬
haft herzlicher Weise ihm seine Freundschaft anbietet, ist er sofort entschlossen,
das Band zu zerreißen, das ihn an Mannheim fesselt, und bei dieser Gelegen¬
heit kommt eine Hindeutung ans Frau von Kalb zum Vorschein. Am 22. Fe¬
bruar offenbart er dem neuen Freunde seine Empfindungen: „Menschen, Ver-
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