Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Dichterfreundinnen. das Herz traf: Was sind die Begebenheiten dieser kleinen Erde gegen den un¬ Dichterfreundinnen. das Herz traf: Was sind die Begebenheiten dieser kleinen Erde gegen den un¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0602" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200707"/> <fw type="header" place="top"> Dichterfreundinnen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1892" prev="#ID_1891" next="#ID_1893"> das Herz traf: Was sind die Begebenheiten dieser kleinen Erde gegen den un¬<lb/> ermeßlichen Himmel? Ein Priester der Natur und Menschheit, stand diese<lb/> heilige Seele vor mir, ich war wie verloren in seinem Anschauen." Die unver¬<lb/> wüstliche Ergebenheit der Freundin belohnte der alte geistliche Herr mit der<lb/> größten Zärtlichkeit. „Der Schatz — schreibt sie am 7. Februar 1312 von<lb/> Aschaffenburg aus — ist äußerst gut und zärtlich mit mir, und so ist mir das<lb/> Verhältnis sehr wohlthätig, gerade weil es mich nicht mehr zu lebhaft bewegt.<lb/> Wenn ich noch einmal mit Vernunft lieben lernte, so wäre es viel. Die Zeit<lb/> macht auch ihn unruhig, aber in heitern Momenten ist er dem Geiste und der<lb/> Regsamkeit nach immer ein Jüngling. Er freut sich so, daß mich hier alle<lb/> Leute lieben, und ich fühle, daß ich ihm wohlthue." Aber der alte Voß in<lb/> Jena zankte im Gespräche mit der <ZUM luors auf die „Frau" (Karoline), „was<lb/> sie nur immer in Aschaffenburg bei ihrem Großherzoge stecke," und auch die<lb/> Schwester Lotte war nicht damit einverstanden. Sie tadelt in ihren Briefen<lb/> an die Erbgroßhcrzvgin Karolinens Unruhe und Heimatlosigkeit. Schon im<lb/> Herbste 1810 klagt sie: „Über die Frau bin ich uoch nicht recht ruhig. Sie<lb/> ist wieder ungewiß in ihren Plänen über den Sohn, und wo der Punkt ist,<lb/> wo sie Ruhe finden wird, das muß ich einer höhern Macht überlassen. Ich<lb/> fürchte, ihr Leben, welches sie sich so reich durch ihr Gemüt, ihr Talent macheu<lb/> kann, geht vorüber, ohne Ruhe zu finden." Im Januar 1811: „Die Frau ist<lb/> in Frankfurt und hat Gesellschaft und geht ins Theater. Oken hat mir ver¬<lb/> sichert, die Frau könne hier sin Weimars nicht leben, denn sie hätte nicht genug<lb/> Herren zum Umgang. Das klingt komisch, nicht wahr?" Bald darauf: „Die<lb/> Frau giebt jetzt in Aschaffenburg Visite fbeim Großherzog^. Sie hat uns ganz<lb/> verlassen und vergessen. Sie ist Wohl, ganz ruhig wird sie Wohl nicht auf<lb/> dieser Erde." Einige Monate später: „Ich war ordentlich traurig, als ich die<lb/> Frau wieder sah, denn wenn man so unstät auf der Erde ist und immer fremde<lb/> Wohnplätze aufsucht, so stumpft sich doch am Ende, ohne daß man es will, das<lb/> Gefühl ab, und man wird kälter gegen die frühern Lebensverhältnisse." Ganz<lb/> ungehalten ruft sie um dieselbe Zeit aus: „Wenn ich der Fran etwas sein<lb/> kann, so wird es mich herzlich freuen. Aber sie ist zu ungern hier und strebt<lb/> immer weg, da wo sie ist. Da möchte mein Bestreben, sie zu erfreuen,<lb/> fruchtlos sein." Die Stimmung Karolinens war gedrückt und trübe, vor¬<lb/> züglich deshalb, weil sich bei der endlichen Regelung der Erbschaft heraus¬<lb/> stellte, daß ihr infolge der unbestimmten testamentarischer Anordnungen<lb/> ihres verstorbenen Gatten nicht so viel blieb, als sie gehofft hatte.<lb/> „Sie kämpft mit allerlei bösen Geistern und sieht die Welt durch<lb/> ein trübes Glas," klagt die Schwester. Gegen Ende des Jahres war sie<lb/> wieder in Aschaffenburg, und Frau von Schiller berichtet: „Ich hoffe, es ist<lb/> ihr Wohl da, so wohl, wie es ihr sein kann, denn die Erde ist auch ihr nicht<lb/> mehr recht." Die Unruhe, die Unbefriedigung nahmen mehr und mehr zu:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0602]
Dichterfreundinnen.
das Herz traf: Was sind die Begebenheiten dieser kleinen Erde gegen den un¬
ermeßlichen Himmel? Ein Priester der Natur und Menschheit, stand diese
heilige Seele vor mir, ich war wie verloren in seinem Anschauen." Die unver¬
wüstliche Ergebenheit der Freundin belohnte der alte geistliche Herr mit der
größten Zärtlichkeit. „Der Schatz — schreibt sie am 7. Februar 1312 von
Aschaffenburg aus — ist äußerst gut und zärtlich mit mir, und so ist mir das
Verhältnis sehr wohlthätig, gerade weil es mich nicht mehr zu lebhaft bewegt.
Wenn ich noch einmal mit Vernunft lieben lernte, so wäre es viel. Die Zeit
macht auch ihn unruhig, aber in heitern Momenten ist er dem Geiste und der
Regsamkeit nach immer ein Jüngling. Er freut sich so, daß mich hier alle
Leute lieben, und ich fühle, daß ich ihm wohlthue." Aber der alte Voß in
Jena zankte im Gespräche mit der <ZUM luors auf die „Frau" (Karoline), „was
sie nur immer in Aschaffenburg bei ihrem Großherzoge stecke," und auch die
Schwester Lotte war nicht damit einverstanden. Sie tadelt in ihren Briefen
an die Erbgroßhcrzvgin Karolinens Unruhe und Heimatlosigkeit. Schon im
Herbste 1810 klagt sie: „Über die Frau bin ich uoch nicht recht ruhig. Sie
ist wieder ungewiß in ihren Plänen über den Sohn, und wo der Punkt ist,
wo sie Ruhe finden wird, das muß ich einer höhern Macht überlassen. Ich
fürchte, ihr Leben, welches sie sich so reich durch ihr Gemüt, ihr Talent macheu
kann, geht vorüber, ohne Ruhe zu finden." Im Januar 1811: „Die Frau ist
in Frankfurt und hat Gesellschaft und geht ins Theater. Oken hat mir ver¬
sichert, die Frau könne hier sin Weimars nicht leben, denn sie hätte nicht genug
Herren zum Umgang. Das klingt komisch, nicht wahr?" Bald darauf: „Die
Frau giebt jetzt in Aschaffenburg Visite fbeim Großherzog^. Sie hat uns ganz
verlassen und vergessen. Sie ist Wohl, ganz ruhig wird sie Wohl nicht auf
dieser Erde." Einige Monate später: „Ich war ordentlich traurig, als ich die
Frau wieder sah, denn wenn man so unstät auf der Erde ist und immer fremde
Wohnplätze aufsucht, so stumpft sich doch am Ende, ohne daß man es will, das
Gefühl ab, und man wird kälter gegen die frühern Lebensverhältnisse." Ganz
ungehalten ruft sie um dieselbe Zeit aus: „Wenn ich der Fran etwas sein
kann, so wird es mich herzlich freuen. Aber sie ist zu ungern hier und strebt
immer weg, da wo sie ist. Da möchte mein Bestreben, sie zu erfreuen,
fruchtlos sein." Die Stimmung Karolinens war gedrückt und trübe, vor¬
züglich deshalb, weil sich bei der endlichen Regelung der Erbschaft heraus¬
stellte, daß ihr infolge der unbestimmten testamentarischer Anordnungen
ihres verstorbenen Gatten nicht so viel blieb, als sie gehofft hatte.
„Sie kämpft mit allerlei bösen Geistern und sieht die Welt durch
ein trübes Glas," klagt die Schwester. Gegen Ende des Jahres war sie
wieder in Aschaffenburg, und Frau von Schiller berichtet: „Ich hoffe, es ist
ihr Wohl da, so wohl, wie es ihr sein kann, denn die Erde ist auch ihr nicht
mehr recht." Die Unruhe, die Unbefriedigung nahmen mehr und mehr zu:
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