Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Dichterfreundinnen.

Volles Gemüt befriedigen konnte. Eine große, hochinteressante Reise bot außerdem
ihrem Kunstsinne und ihrem Streben in das Weite eine Fülle von Anschauungen.
Im Jahre 1802 begleitete ihr Mann den Erbprinzen nach Paris, Karoline
folgte ihm, obgleich dies am Weimarer Hofe nicht gern gesehen wurde, und ver¬
lebte dort den Sommer. Wie sie in der großen Stadt, im Mittelpunkte der
europäischen Kultur, sich durch das Studium der antiken Kunstwerke und den
Umgang mit Gelehrten geistig anregen ließ, davon geben ihre Briefe ein be¬
redtes Zeugnis. Freilich ihren Mann sah sie wenig, er war an die Person
des Prinzen gebunden und konnte die Gattin nicht in den Bekanntenkreis des¬
selben einführen. Auf der Rückreise, im Herbste, verweilte sie noch einige Mo¬
nate in Würtemberg, besuchte die Angehörigen des Schillerschen und Wolzogenschen
Familienkreises und kam, mit großen Anschauungen erfüllt, wieder in Weimar an.
Ihr gastliches Hans wurde ein Sammelplatz alles geistig Bedeutenden, was
sich in der kleinen Musenstadt zusammenfand oder vorübergehend dort verweilte.

Trotzdem wurde sie nie ganz heimisch in Weimar. Wenn Schillers ver¬
reisten, wie im April 1804 nach Berlin, war es ihr, "als sei sie in einer fremden
Stadt." Mancherlei mochte dazu beitragen. Mit dem Hofe ging es ihr wie
mit dem Rudolstädter, sie hatte keine rechte Fühlung mit ihm, und dann ward
auch ihr Mann durch Geschäfte oft lange vom Hanse ferngehalten. Wolzogen
war überdies leidend. Schon aus der Karlsschule mochte er den Keim eines
Lungenleidens mit fortgenommen haben, während des Winteraufenthaltes in
Petersburg hatte die Krankheit eine bestimmtere Gestalt angenommen, und in
Paris war er wiederholt von schweren Anfällen heimgesucht worden. Der
"Alte" -- so wurde er im nächsten Freundeskreise genannt -- hatte alle Abende
geschwollene Füße und nicht selten so heftige Brustbeklemmungen, daß es seiner
Frau ernstliche Sorge machte. Trotzdem mußte er im Herbste 1803 abermals
eine Reise nach Petersburg unternehmen, um die Vermählung des Erbprinzen
mit der Großfürstin zum Abschlüsse zu bringen. Diese erfolgte 1804, aber
Wolzogen kam anch damit nicht zur Ruhe, es war ihm nicht vergönnt, sich
auch nur die nötigste Schonung nngedeihen zu lassen. Schiller starb, dann
brach (im Oktober 1806) der Kriegssturm über Weimar herein. Wolzogen
eilte aus Bad Liebenstein herbei, um in Abwesenheit des Herzogs die Interessen
des Landes zu wahren. Karoline fand im Schlosse bei der Herzogin Luise
Aufnahme. Wie die meisten Familien Weimars, so erlitt auch die Wolzogensche
in dieser Zeit der Not schwere Verluste an Hab und Gut. Im nächsten Jahre
wurde Wolzogen nach Paris gesandt, um die weimarischen Angelegenheiten zu
fördern. Karoline begleitete ihn, und es war notwendig, denn die Krankheit des
armen "Alten" nahm immer mehr zu. Die geistige Elastizität der merkwürdigen
Frau zeigte sich bei diesem zweiten Aufenthalte in Paris in vollem Glänze.
Trotz der Not der Zeit und der Sorge um den Gemahl genoß sie die Kunst-
schätze und die Geselligkeit der großen Stadt, so gut sie konnte.


Dichterfreundinnen.

Volles Gemüt befriedigen konnte. Eine große, hochinteressante Reise bot außerdem
ihrem Kunstsinne und ihrem Streben in das Weite eine Fülle von Anschauungen.
Im Jahre 1802 begleitete ihr Mann den Erbprinzen nach Paris, Karoline
folgte ihm, obgleich dies am Weimarer Hofe nicht gern gesehen wurde, und ver¬
lebte dort den Sommer. Wie sie in der großen Stadt, im Mittelpunkte der
europäischen Kultur, sich durch das Studium der antiken Kunstwerke und den
Umgang mit Gelehrten geistig anregen ließ, davon geben ihre Briefe ein be¬
redtes Zeugnis. Freilich ihren Mann sah sie wenig, er war an die Person
des Prinzen gebunden und konnte die Gattin nicht in den Bekanntenkreis des¬
selben einführen. Auf der Rückreise, im Herbste, verweilte sie noch einige Mo¬
nate in Würtemberg, besuchte die Angehörigen des Schillerschen und Wolzogenschen
Familienkreises und kam, mit großen Anschauungen erfüllt, wieder in Weimar an.
Ihr gastliches Hans wurde ein Sammelplatz alles geistig Bedeutenden, was
sich in der kleinen Musenstadt zusammenfand oder vorübergehend dort verweilte.

Trotzdem wurde sie nie ganz heimisch in Weimar. Wenn Schillers ver¬
reisten, wie im April 1804 nach Berlin, war es ihr, „als sei sie in einer fremden
Stadt." Mancherlei mochte dazu beitragen. Mit dem Hofe ging es ihr wie
mit dem Rudolstädter, sie hatte keine rechte Fühlung mit ihm, und dann ward
auch ihr Mann durch Geschäfte oft lange vom Hanse ferngehalten. Wolzogen
war überdies leidend. Schon aus der Karlsschule mochte er den Keim eines
Lungenleidens mit fortgenommen haben, während des Winteraufenthaltes in
Petersburg hatte die Krankheit eine bestimmtere Gestalt angenommen, und in
Paris war er wiederholt von schweren Anfällen heimgesucht worden. Der
„Alte" — so wurde er im nächsten Freundeskreise genannt — hatte alle Abende
geschwollene Füße und nicht selten so heftige Brustbeklemmungen, daß es seiner
Frau ernstliche Sorge machte. Trotzdem mußte er im Herbste 1803 abermals
eine Reise nach Petersburg unternehmen, um die Vermählung des Erbprinzen
mit der Großfürstin zum Abschlüsse zu bringen. Diese erfolgte 1804, aber
Wolzogen kam anch damit nicht zur Ruhe, es war ihm nicht vergönnt, sich
auch nur die nötigste Schonung nngedeihen zu lassen. Schiller starb, dann
brach (im Oktober 1806) der Kriegssturm über Weimar herein. Wolzogen
eilte aus Bad Liebenstein herbei, um in Abwesenheit des Herzogs die Interessen
des Landes zu wahren. Karoline fand im Schlosse bei der Herzogin Luise
Aufnahme. Wie die meisten Familien Weimars, so erlitt auch die Wolzogensche
in dieser Zeit der Not schwere Verluste an Hab und Gut. Im nächsten Jahre
wurde Wolzogen nach Paris gesandt, um die weimarischen Angelegenheiten zu
fördern. Karoline begleitete ihn, und es war notwendig, denn die Krankheit des
armen „Alten" nahm immer mehr zu. Die geistige Elastizität der merkwürdigen
Frau zeigte sich bei diesem zweiten Aufenthalte in Paris in vollem Glänze.
Trotz der Not der Zeit und der Sorge um den Gemahl genoß sie die Kunst-
schätze und die Geselligkeit der großen Stadt, so gut sie konnte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0599" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200704"/>
          <fw type="header" place="top"> Dichterfreundinnen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1886" prev="#ID_1885"> Volles Gemüt befriedigen konnte. Eine große, hochinteressante Reise bot außerdem<lb/>
ihrem Kunstsinne und ihrem Streben in das Weite eine Fülle von Anschauungen.<lb/>
Im Jahre 1802 begleitete ihr Mann den Erbprinzen nach Paris, Karoline<lb/>
folgte ihm, obgleich dies am Weimarer Hofe nicht gern gesehen wurde, und ver¬<lb/>
lebte dort den Sommer. Wie sie in der großen Stadt, im Mittelpunkte der<lb/>
europäischen Kultur, sich durch das Studium der antiken Kunstwerke und den<lb/>
Umgang mit Gelehrten geistig anregen ließ, davon geben ihre Briefe ein be¬<lb/>
redtes Zeugnis. Freilich ihren Mann sah sie wenig, er war an die Person<lb/>
des Prinzen gebunden und konnte die Gattin nicht in den Bekanntenkreis des¬<lb/>
selben einführen. Auf der Rückreise, im Herbste, verweilte sie noch einige Mo¬<lb/>
nate in Würtemberg, besuchte die Angehörigen des Schillerschen und Wolzogenschen<lb/>
Familienkreises und kam, mit großen Anschauungen erfüllt, wieder in Weimar an.<lb/>
Ihr gastliches Hans wurde ein Sammelplatz alles geistig Bedeutenden, was<lb/>
sich in der kleinen Musenstadt zusammenfand oder vorübergehend dort verweilte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1887"> Trotzdem wurde sie nie ganz heimisch in Weimar. Wenn Schillers ver¬<lb/>
reisten, wie im April 1804 nach Berlin, war es ihr, &#x201E;als sei sie in einer fremden<lb/>
Stadt." Mancherlei mochte dazu beitragen. Mit dem Hofe ging es ihr wie<lb/>
mit dem Rudolstädter, sie hatte keine rechte Fühlung mit ihm, und dann ward<lb/>
auch ihr Mann durch Geschäfte oft lange vom Hanse ferngehalten. Wolzogen<lb/>
war überdies leidend. Schon aus der Karlsschule mochte er den Keim eines<lb/>
Lungenleidens mit fortgenommen haben, während des Winteraufenthaltes in<lb/>
Petersburg hatte die Krankheit eine bestimmtere Gestalt angenommen, und in<lb/>
Paris war er wiederholt von schweren Anfällen heimgesucht worden. Der<lb/>
&#x201E;Alte" &#x2014; so wurde er im nächsten Freundeskreise genannt &#x2014; hatte alle Abende<lb/>
geschwollene Füße und nicht selten so heftige Brustbeklemmungen, daß es seiner<lb/>
Frau ernstliche Sorge machte. Trotzdem mußte er im Herbste 1803 abermals<lb/>
eine Reise nach Petersburg unternehmen, um die Vermählung des Erbprinzen<lb/>
mit der Großfürstin zum Abschlüsse zu bringen. Diese erfolgte 1804, aber<lb/>
Wolzogen kam anch damit nicht zur Ruhe, es war ihm nicht vergönnt, sich<lb/>
auch nur die nötigste Schonung nngedeihen zu lassen. Schiller starb, dann<lb/>
brach (im Oktober 1806) der Kriegssturm über Weimar herein. Wolzogen<lb/>
eilte aus Bad Liebenstein herbei, um in Abwesenheit des Herzogs die Interessen<lb/>
des Landes zu wahren. Karoline fand im Schlosse bei der Herzogin Luise<lb/>
Aufnahme. Wie die meisten Familien Weimars, so erlitt auch die Wolzogensche<lb/>
in dieser Zeit der Not schwere Verluste an Hab und Gut. Im nächsten Jahre<lb/>
wurde Wolzogen nach Paris gesandt, um die weimarischen Angelegenheiten zu<lb/>
fördern. Karoline begleitete ihn, und es war notwendig, denn die Krankheit des<lb/>
armen &#x201E;Alten" nahm immer mehr zu. Die geistige Elastizität der merkwürdigen<lb/>
Frau zeigte sich bei diesem zweiten Aufenthalte in Paris in vollem Glänze.<lb/>
Trotz der Not der Zeit und der Sorge um den Gemahl genoß sie die Kunst-<lb/>
schätze und die Geselligkeit der großen Stadt, so gut sie konnte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0599] Dichterfreundinnen. Volles Gemüt befriedigen konnte. Eine große, hochinteressante Reise bot außerdem ihrem Kunstsinne und ihrem Streben in das Weite eine Fülle von Anschauungen. Im Jahre 1802 begleitete ihr Mann den Erbprinzen nach Paris, Karoline folgte ihm, obgleich dies am Weimarer Hofe nicht gern gesehen wurde, und ver¬ lebte dort den Sommer. Wie sie in der großen Stadt, im Mittelpunkte der europäischen Kultur, sich durch das Studium der antiken Kunstwerke und den Umgang mit Gelehrten geistig anregen ließ, davon geben ihre Briefe ein be¬ redtes Zeugnis. Freilich ihren Mann sah sie wenig, er war an die Person des Prinzen gebunden und konnte die Gattin nicht in den Bekanntenkreis des¬ selben einführen. Auf der Rückreise, im Herbste, verweilte sie noch einige Mo¬ nate in Würtemberg, besuchte die Angehörigen des Schillerschen und Wolzogenschen Familienkreises und kam, mit großen Anschauungen erfüllt, wieder in Weimar an. Ihr gastliches Hans wurde ein Sammelplatz alles geistig Bedeutenden, was sich in der kleinen Musenstadt zusammenfand oder vorübergehend dort verweilte. Trotzdem wurde sie nie ganz heimisch in Weimar. Wenn Schillers ver¬ reisten, wie im April 1804 nach Berlin, war es ihr, „als sei sie in einer fremden Stadt." Mancherlei mochte dazu beitragen. Mit dem Hofe ging es ihr wie mit dem Rudolstädter, sie hatte keine rechte Fühlung mit ihm, und dann ward auch ihr Mann durch Geschäfte oft lange vom Hanse ferngehalten. Wolzogen war überdies leidend. Schon aus der Karlsschule mochte er den Keim eines Lungenleidens mit fortgenommen haben, während des Winteraufenthaltes in Petersburg hatte die Krankheit eine bestimmtere Gestalt angenommen, und in Paris war er wiederholt von schweren Anfällen heimgesucht worden. Der „Alte" — so wurde er im nächsten Freundeskreise genannt — hatte alle Abende geschwollene Füße und nicht selten so heftige Brustbeklemmungen, daß es seiner Frau ernstliche Sorge machte. Trotzdem mußte er im Herbste 1803 abermals eine Reise nach Petersburg unternehmen, um die Vermählung des Erbprinzen mit der Großfürstin zum Abschlüsse zu bringen. Diese erfolgte 1804, aber Wolzogen kam anch damit nicht zur Ruhe, es war ihm nicht vergönnt, sich auch nur die nötigste Schonung nngedeihen zu lassen. Schiller starb, dann brach (im Oktober 1806) der Kriegssturm über Weimar herein. Wolzogen eilte aus Bad Liebenstein herbei, um in Abwesenheit des Herzogs die Interessen des Landes zu wahren. Karoline fand im Schlosse bei der Herzogin Luise Aufnahme. Wie die meisten Familien Weimars, so erlitt auch die Wolzogensche in dieser Zeit der Not schwere Verluste an Hab und Gut. Im nächsten Jahre wurde Wolzogen nach Paris gesandt, um die weimarischen Angelegenheiten zu fördern. Karoline begleitete ihn, und es war notwendig, denn die Krankheit des armen „Alten" nahm immer mehr zu. Die geistige Elastizität der merkwürdigen Frau zeigte sich bei diesem zweiten Aufenthalte in Paris in vollem Glänze. Trotz der Not der Zeit und der Sorge um den Gemahl genoß sie die Kunst- schätze und die Geselligkeit der großen Stadt, so gut sie konnte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/599
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/599>, abgerufen am 28.08.2024.