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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Die englische Ninisterkrisis.

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>MW"le Tories am Steuerruder des britischen Staatsschiffs haben sich
nicht lange ruhiger Fahrt erfreut. Aus ihrer eignen Mitte ent¬
wickelte sich Unheil, welches den obersten Führer zu dein Ver¬
suche nötigte, den Kreis seiner Amtsgenossen durch Elemente zu
ergänzen, welche den Charakter des Ministeriums wesentlich um¬
gestalten müssen. Lord Rcmdvlph Churchill, der Heißsporn, der Feuerbrand,
und bei alledem in verschiednen Beziehungen das bedeutendste toryistische Mit¬
glied des Kabinets nach Scilisburh, nahm plötzlich seinen Abschied, unbekümmert
darum, daß er damit die Vorherrschaft seiner Partei in der Regierung erschütterte,
ja die Möglichkeit herbeiführte, daß dieselbe ganz in die Hände von Liberalen
gelangte. Denn man durfte sich bei seinem Rücktritte an Lord Russell
erinnern, der 1855 wie Churchill ministerieller Führer des Unterhauses war
und ebenfalls plötzlich ein Koalitionsministerium verließ. Russell erfreute sich
nicht des Ansehens, welches Churchill bisher genoß, und er ließ in der Regierung
Männer wie Palmerston und Gladstone zurück, aber demungeachtet verursachte
seine Sezession den baldige" Fall des Kabinets Aberdeen. Und dabei befindet
sich Großbritannien jetzt in einer Lage, welche eine Spaltung in der Regierung
und eine Schwächung derselben besonders gefährlich erscheinen läßt. In Betreff
Irlands fragt es sich noch immer, ob man eins der drei Königreiche an die
halb irische, halb amerikanische Verschwörung ausliefern soll, welche sich der¬
malen in offnem Kriege mit der Regierung der Königin Viktoria befindet. Aus¬
wärts aber verdunkeln zwei große Schatten das europäische Festland, der schwer
zu berechnende Wille eines Selbstherrschers im Osten und die Revanchebcgicr
einer Republik im Westen, die, wenn sie zusammenwirkten, einen Krieg so groß
und furchtbar, wie er uoch nicht dagewesen ist, über die Welt bringen würden,


Grenzboten I. 1387. 7


Die englische Ninisterkrisis.

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>MW"le Tories am Steuerruder des britischen Staatsschiffs haben sich
nicht lange ruhiger Fahrt erfreut. Aus ihrer eignen Mitte ent¬
wickelte sich Unheil, welches den obersten Führer zu dein Ver¬
suche nötigte, den Kreis seiner Amtsgenossen durch Elemente zu
ergänzen, welche den Charakter des Ministeriums wesentlich um¬
gestalten müssen. Lord Rcmdvlph Churchill, der Heißsporn, der Feuerbrand,
und bei alledem in verschiednen Beziehungen das bedeutendste toryistische Mit¬
glied des Kabinets nach Scilisburh, nahm plötzlich seinen Abschied, unbekümmert
darum, daß er damit die Vorherrschaft seiner Partei in der Regierung erschütterte,
ja die Möglichkeit herbeiführte, daß dieselbe ganz in die Hände von Liberalen
gelangte. Denn man durfte sich bei seinem Rücktritte an Lord Russell
erinnern, der 1855 wie Churchill ministerieller Führer des Unterhauses war
und ebenfalls plötzlich ein Koalitionsministerium verließ. Russell erfreute sich
nicht des Ansehens, welches Churchill bisher genoß, und er ließ in der Regierung
Männer wie Palmerston und Gladstone zurück, aber demungeachtet verursachte
seine Sezession den baldige» Fall des Kabinets Aberdeen. Und dabei befindet
sich Großbritannien jetzt in einer Lage, welche eine Spaltung in der Regierung
und eine Schwächung derselben besonders gefährlich erscheinen läßt. In Betreff
Irlands fragt es sich noch immer, ob man eins der drei Königreiche an die
halb irische, halb amerikanische Verschwörung ausliefern soll, welche sich der¬
malen in offnem Kriege mit der Regierung der Königin Viktoria befindet. Aus¬
wärts aber verdunkeln zwei große Schatten das europäische Festland, der schwer
zu berechnende Wille eines Selbstherrschers im Osten und die Revanchebcgicr
einer Republik im Westen, die, wenn sie zusammenwirkten, einen Krieg so groß
und furchtbar, wie er uoch nicht dagewesen ist, über die Welt bringen würden,


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[0057] [Abbildung] Die englische Ninisterkrisis. >»M».>L--?.Z >MW"le Tories am Steuerruder des britischen Staatsschiffs haben sich nicht lange ruhiger Fahrt erfreut. Aus ihrer eignen Mitte ent¬ wickelte sich Unheil, welches den obersten Führer zu dein Ver¬ suche nötigte, den Kreis seiner Amtsgenossen durch Elemente zu ergänzen, welche den Charakter des Ministeriums wesentlich um¬ gestalten müssen. Lord Rcmdvlph Churchill, der Heißsporn, der Feuerbrand, und bei alledem in verschiednen Beziehungen das bedeutendste toryistische Mit¬ glied des Kabinets nach Scilisburh, nahm plötzlich seinen Abschied, unbekümmert darum, daß er damit die Vorherrschaft seiner Partei in der Regierung erschütterte, ja die Möglichkeit herbeiführte, daß dieselbe ganz in die Hände von Liberalen gelangte. Denn man durfte sich bei seinem Rücktritte an Lord Russell erinnern, der 1855 wie Churchill ministerieller Führer des Unterhauses war und ebenfalls plötzlich ein Koalitionsministerium verließ. Russell erfreute sich nicht des Ansehens, welches Churchill bisher genoß, und er ließ in der Regierung Männer wie Palmerston und Gladstone zurück, aber demungeachtet verursachte seine Sezession den baldige» Fall des Kabinets Aberdeen. Und dabei befindet sich Großbritannien jetzt in einer Lage, welche eine Spaltung in der Regierung und eine Schwächung derselben besonders gefährlich erscheinen läßt. In Betreff Irlands fragt es sich noch immer, ob man eins der drei Königreiche an die halb irische, halb amerikanische Verschwörung ausliefern soll, welche sich der¬ malen in offnem Kriege mit der Regierung der Königin Viktoria befindet. Aus¬ wärts aber verdunkeln zwei große Schatten das europäische Festland, der schwer zu berechnende Wille eines Selbstherrschers im Osten und die Revanchebcgicr einer Republik im Westen, die, wenn sie zusammenwirkten, einen Krieg so groß und furchtbar, wie er uoch nicht dagewesen ist, über die Welt bringen würden, Grenzboten I. 1387. 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/57>, abgerufen am 22.12.2024.