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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Dichtorfreundinnen.

Mantel verbarg; der andre Reiter war uns unbekannt und erregte unsre
Neugier. Bald löste sich das Rätsel durch den Besuch des Vetters, der um
die Erlaubnis bat, seinen Reisegefährten Schiller am Abend bei uns einzuführen.
Schillers Zukunft knüpfte sich an diesen Abend."

Schiller war damals in Weimar, er hatte Frau von Wolzogen in Bauer-
bach und die in Meiningen verheiratete Schwester besucht. Sein Freund Wil¬
helm von Wolzogen nahm ihn rin sich nach Rudolstadt.

Ende Januar oder Anfang Februar 1788 ging Charlotte nach Weimar,
um sich unter der mütterlichen Leitung der Frau von Stein am Weimarer
Hofe umzusehen, denn nach dem Wunsche der ollörs urörs sollte sie ja Hofdame
werden. Sie wohnte bei Frau von Jmhoff, der Schwester der Frau von Stein,
und blieb bis zum 6. April. Schiller sah sie oft, besuchte sie auch und fand
Gefallen an ihrem Umgange. Bei ihrem Abschiede bereits wurde ausgemacht,
daß er den Sommer auf irgend einem Dorfe nahe bei Rudolstadt zubringen
solle. Die Schwestern besorgten für ihn eine Wohnung beim Kantor in Volk-
städt. Mitte Mai zog er ein und blieb bis in den Herbst, dann mietete er
sich eine Wohnung in der Stadt, weil die tägliche Wanderung von und nach
Volkstädt bei der rauheren Witterung seiner Gesundheit nachteilig war. Am
13. November kehrte er nach Weimar zurück.

In alter Zeit erfreute man sich an den Sagen, welche sich an die Helden
des nächst vergangenen Geschlechtes knüpften; wir erfrischen uns an den
idyllischen Einzelheiten in dem Leben unsrer größten Dichter und Gelehrte"
aus der klassischen Zeit. Eine der lieblichsten dieser Idyllen ist der Aufenthalt
Schillers in Volkstädt während des Sommers 1788. In dem Lengefeldschen
Familienkreise fand er die freundlichste Aufnahme. Am häufigste" verkehrte er
in dein Hause des Herrn von Beulwitz, der ihn ohne Zweifel mit der Zuvor¬
kommenheit eines gebildeten, mit den literarischen Ereignissen bekannten Mannes
aufnahm, aber bald in den Schatten trat gegen seine Gemahlin, die den jungen,
geistvollen Dichter immer mehr in Anspruch nahm und wiederum seine Auf¬
merksamkeit fesselte. Neben der jungen Frau fand Schiller in der Regel auch
Charlotten, und zwischen den Dreien entspann sich bald ein geschwisterlich trau¬
licher Verkehr. Der Dichter bedürfte teilnehmender ZuHörerinnen, und solche
waren die Schwester" in vollstem Maße. Sobald die Tage sonniger und wärmer
wurden, genügte als Schauplatz des beglückenden Gedankenaustausches Haus
und Garten nicht mehr. An den schönen Sommerabenden machte man Spazier¬
gänge im Saalthale, von Zeit zu Zeit wurden auch die Nachmittage zu Aus¬
flügen "ach den nahen Dörfchen Kumbach oder Schaale benutzt. Herr von
Beulwitz zog sich allmählich zurück und überließ die eng befreundeten ihrem
Glücke.

Bekannt ist Karolinens Schilderung der seligen Tage, und es läßt sich in
der That der ganze Gehalt dieses freundschaftlichen Verkehrs nicht besser als


Dichtorfreundinnen.

Mantel verbarg; der andre Reiter war uns unbekannt und erregte unsre
Neugier. Bald löste sich das Rätsel durch den Besuch des Vetters, der um
die Erlaubnis bat, seinen Reisegefährten Schiller am Abend bei uns einzuführen.
Schillers Zukunft knüpfte sich an diesen Abend."

Schiller war damals in Weimar, er hatte Frau von Wolzogen in Bauer-
bach und die in Meiningen verheiratete Schwester besucht. Sein Freund Wil¬
helm von Wolzogen nahm ihn rin sich nach Rudolstadt.

Ende Januar oder Anfang Februar 1788 ging Charlotte nach Weimar,
um sich unter der mütterlichen Leitung der Frau von Stein am Weimarer
Hofe umzusehen, denn nach dem Wunsche der ollörs urörs sollte sie ja Hofdame
werden. Sie wohnte bei Frau von Jmhoff, der Schwester der Frau von Stein,
und blieb bis zum 6. April. Schiller sah sie oft, besuchte sie auch und fand
Gefallen an ihrem Umgange. Bei ihrem Abschiede bereits wurde ausgemacht,
daß er den Sommer auf irgend einem Dorfe nahe bei Rudolstadt zubringen
solle. Die Schwestern besorgten für ihn eine Wohnung beim Kantor in Volk-
städt. Mitte Mai zog er ein und blieb bis in den Herbst, dann mietete er
sich eine Wohnung in der Stadt, weil die tägliche Wanderung von und nach
Volkstädt bei der rauheren Witterung seiner Gesundheit nachteilig war. Am
13. November kehrte er nach Weimar zurück.

In alter Zeit erfreute man sich an den Sagen, welche sich an die Helden
des nächst vergangenen Geschlechtes knüpften; wir erfrischen uns an den
idyllischen Einzelheiten in dem Leben unsrer größten Dichter und Gelehrte»
aus der klassischen Zeit. Eine der lieblichsten dieser Idyllen ist der Aufenthalt
Schillers in Volkstädt während des Sommers 1788. In dem Lengefeldschen
Familienkreise fand er die freundlichste Aufnahme. Am häufigste» verkehrte er
in dein Hause des Herrn von Beulwitz, der ihn ohne Zweifel mit der Zuvor¬
kommenheit eines gebildeten, mit den literarischen Ereignissen bekannten Mannes
aufnahm, aber bald in den Schatten trat gegen seine Gemahlin, die den jungen,
geistvollen Dichter immer mehr in Anspruch nahm und wiederum seine Auf¬
merksamkeit fesselte. Neben der jungen Frau fand Schiller in der Regel auch
Charlotten, und zwischen den Dreien entspann sich bald ein geschwisterlich trau¬
licher Verkehr. Der Dichter bedürfte teilnehmender ZuHörerinnen, und solche
waren die Schwester» in vollstem Maße. Sobald die Tage sonniger und wärmer
wurden, genügte als Schauplatz des beglückenden Gedankenaustausches Haus
und Garten nicht mehr. An den schönen Sommerabenden machte man Spazier¬
gänge im Saalthale, von Zeit zu Zeit wurden auch die Nachmittage zu Aus¬
flügen »ach den nahen Dörfchen Kumbach oder Schaale benutzt. Herr von
Beulwitz zog sich allmählich zurück und überließ die eng befreundeten ihrem
Glücke.

Bekannt ist Karolinens Schilderung der seligen Tage, und es läßt sich in
der That der ganze Gehalt dieses freundschaftlichen Verkehrs nicht besser als


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[0547] Dichtorfreundinnen. Mantel verbarg; der andre Reiter war uns unbekannt und erregte unsre Neugier. Bald löste sich das Rätsel durch den Besuch des Vetters, der um die Erlaubnis bat, seinen Reisegefährten Schiller am Abend bei uns einzuführen. Schillers Zukunft knüpfte sich an diesen Abend." Schiller war damals in Weimar, er hatte Frau von Wolzogen in Bauer- bach und die in Meiningen verheiratete Schwester besucht. Sein Freund Wil¬ helm von Wolzogen nahm ihn rin sich nach Rudolstadt. Ende Januar oder Anfang Februar 1788 ging Charlotte nach Weimar, um sich unter der mütterlichen Leitung der Frau von Stein am Weimarer Hofe umzusehen, denn nach dem Wunsche der ollörs urörs sollte sie ja Hofdame werden. Sie wohnte bei Frau von Jmhoff, der Schwester der Frau von Stein, und blieb bis zum 6. April. Schiller sah sie oft, besuchte sie auch und fand Gefallen an ihrem Umgange. Bei ihrem Abschiede bereits wurde ausgemacht, daß er den Sommer auf irgend einem Dorfe nahe bei Rudolstadt zubringen solle. Die Schwestern besorgten für ihn eine Wohnung beim Kantor in Volk- städt. Mitte Mai zog er ein und blieb bis in den Herbst, dann mietete er sich eine Wohnung in der Stadt, weil die tägliche Wanderung von und nach Volkstädt bei der rauheren Witterung seiner Gesundheit nachteilig war. Am 13. November kehrte er nach Weimar zurück. In alter Zeit erfreute man sich an den Sagen, welche sich an die Helden des nächst vergangenen Geschlechtes knüpften; wir erfrischen uns an den idyllischen Einzelheiten in dem Leben unsrer größten Dichter und Gelehrte» aus der klassischen Zeit. Eine der lieblichsten dieser Idyllen ist der Aufenthalt Schillers in Volkstädt während des Sommers 1788. In dem Lengefeldschen Familienkreise fand er die freundlichste Aufnahme. Am häufigste» verkehrte er in dein Hause des Herrn von Beulwitz, der ihn ohne Zweifel mit der Zuvor¬ kommenheit eines gebildeten, mit den literarischen Ereignissen bekannten Mannes aufnahm, aber bald in den Schatten trat gegen seine Gemahlin, die den jungen, geistvollen Dichter immer mehr in Anspruch nahm und wiederum seine Auf¬ merksamkeit fesselte. Neben der jungen Frau fand Schiller in der Regel auch Charlotten, und zwischen den Dreien entspann sich bald ein geschwisterlich trau¬ licher Verkehr. Der Dichter bedürfte teilnehmender ZuHörerinnen, und solche waren die Schwester» in vollstem Maße. Sobald die Tage sonniger und wärmer wurden, genügte als Schauplatz des beglückenden Gedankenaustausches Haus und Garten nicht mehr. An den schönen Sommerabenden machte man Spazier¬ gänge im Saalthale, von Zeit zu Zeit wurden auch die Nachmittage zu Aus¬ flügen »ach den nahen Dörfchen Kumbach oder Schaale benutzt. Herr von Beulwitz zog sich allmählich zurück und überließ die eng befreundeten ihrem Glücke. Bekannt ist Karolinens Schilderung der seligen Tage, und es läßt sich in der That der ganze Gehalt dieses freundschaftlichen Verkehrs nicht besser als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/547>, abgerufen am 23.12.2024.