Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Vichterfreundinnen. und ihre Liebe verloren hätten, sie schweigt von den innigen Beziehungen, in Nach der Rückkehr der Familie von Lcngefeld aus der Schweiz hatte sich Es war Wolzogen bei seinem letzten Besuche in Rudolstadt vielleicht doch nicht ent¬
gangen, welchen Hochgenuß Karoline und ihre Schwester im Umgange mit Schiller fanden. Vichterfreundinnen. und ihre Liebe verloren hätten, sie schweigt von den innigen Beziehungen, in Nach der Rückkehr der Familie von Lcngefeld aus der Schweiz hatte sich Es war Wolzogen bei seinem letzten Besuche in Rudolstadt vielleicht doch nicht ent¬
gangen, welchen Hochgenuß Karoline und ihre Schwester im Umgange mit Schiller fanden. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0543" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200648"/> <fw type="header" place="top"> Vichterfreundinnen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1703" prev="#ID_1702"> und ihre Liebe verloren hätten, sie schweigt von den innigen Beziehungen, in<lb/> welchen sie zur Zeit mit andern Männern steht, so z. B. von dem intimen Ver¬<lb/> hältnisse zu Schiller im Sommer 1788, sie spricht ohne Wärme, fast gleich-<lb/> giltig von ihrem Manne; als sie aber hört, daß Wolzogen zu einer Heirat<lb/> bewogen werden soll, schreibt sie hastig, unruhig: „Lieber Guter, wie sehn' ich<lb/> mich, einmal mit dir zu sprechen! — ich möchte, daß du die Heirat, wenn du<lb/> nicht überzeugt bist, sehr glücklich zu werden, in Zweifel ließest, bis wir uns<lb/> gesehen haben." Kein Wunder, daß der Freund die unvorsichtige Teilnahme der<lb/> jungen Frau mit schlcchtverhüllten Liebeserklärungen beantwortet. „Ich sehe dich<lb/> nicht wieder — schreibt er ihr im August 1788 aus Meiningen, als er nach dem<lb/> Tode seiner Mutter von Karoline aufgefordert worden war, sich in Rudolstadt,<lb/> im Umgange mit ihr, zu beruhigen —, ich darf es um meiner Ruhe willen nicht.<lb/> Jetzt bin ich verschlossen, gehärtet, ich besinne mich nicht recht, und so betäubt<lb/> reise ich weg und stürze mich in das Gewühl der Neuheit, wo ich hoffe, daß<lb/> es besser mit mir werden soll. Lebe Wohl, Karoline, Freundin, innigste Freundin<lb/> meines Herzens. Lebe wohl — mit unbegreiflicher Wehmut sage ich dir Lebe¬<lb/> wohl — du bist glücklich, denn dieses Lebewohl fühlst dn nicht.*) Ich bin ge¬<lb/> stört in der Laune, in die ich mich versetzt hatte und die auch du billigtest —<lb/> jede Erinnerung, jeder Gedanke von entbehrten, von Verlornen Glück ist mir<lb/> jetzt schrecklich, erschüttert mich, bringt mein Blut stärker in Wallung. Lebe<lb/> wohl — Karoline —, o daß dn mich hören könntest und aus dem Tone meiner<lb/> Stimme schließen könntest, was ich dir sagen will."</p><lb/> <p xml:id="ID_1704" next="#ID_1705"> Nach der Rückkehr der Familie von Lcngefeld aus der Schweiz hatte sich<lb/> der Freundeskreis der Schwestern mehr und mehr erweitert. Knebel, Goethes<lb/> Freund, kam oft nach Rudolstadt, umspann, wie er es Frauen gegenüber gern<lb/> that, die liebenswürdigen Damen mit einer gewissen selbstverständlichen, onkel¬<lb/> haften Zärtlichkeit und soll sogar daran gedacht haben, Charlotten seine Hand<lb/> anzubieten. Frau von Stein, welche vom nahen Kochberg aus freundschaftliche<lb/> Verbindungen mit Rudolstadt unterhielt und der Familie Lengefcld insbesondre<lb/> nahe stand, zog Lottchen an sich, und diese blieb ihr in unwandelbarer An¬<lb/> hänglichkeit verbunden bis zum Tode. Karoline dagegen schloß einen innigen<lb/> Herzensbund mit Karoline von Dachröden in Erfurt, der Braut Wilhelms von<lb/> Humboldt. Besser konnte niemand zu ihr passen. Dieselbe schrankenlose Idealität<lb/> der Gesinnung, dieselbe Gewandtheit des Ausdrucks, mir beides etwas freier,<lb/> zufahrender und selbstbewußter als bei der jungen Frau von Beulwitz. Karoline<lb/> von Dachröden wird als sehr liebenswürdig, edel und geistreich geschildert, und<lb/> in der That hat sie sich später als die Gattin Humboldts in jeder Beziehung<lb/> trefflich bewährt. Durch die staatsmännische Lanfbcchn ihres Gatten wurden</p><lb/> <note xml:id="FID_64" place="foot"> Es war Wolzogen bei seinem letzten Besuche in Rudolstadt vielleicht doch nicht ent¬<lb/> gangen, welchen Hochgenuß Karoline und ihre Schwester im Umgange mit Schiller fanden.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0543]
Vichterfreundinnen.
und ihre Liebe verloren hätten, sie schweigt von den innigen Beziehungen, in
welchen sie zur Zeit mit andern Männern steht, so z. B. von dem intimen Ver¬
hältnisse zu Schiller im Sommer 1788, sie spricht ohne Wärme, fast gleich-
giltig von ihrem Manne; als sie aber hört, daß Wolzogen zu einer Heirat
bewogen werden soll, schreibt sie hastig, unruhig: „Lieber Guter, wie sehn' ich
mich, einmal mit dir zu sprechen! — ich möchte, daß du die Heirat, wenn du
nicht überzeugt bist, sehr glücklich zu werden, in Zweifel ließest, bis wir uns
gesehen haben." Kein Wunder, daß der Freund die unvorsichtige Teilnahme der
jungen Frau mit schlcchtverhüllten Liebeserklärungen beantwortet. „Ich sehe dich
nicht wieder — schreibt er ihr im August 1788 aus Meiningen, als er nach dem
Tode seiner Mutter von Karoline aufgefordert worden war, sich in Rudolstadt,
im Umgange mit ihr, zu beruhigen —, ich darf es um meiner Ruhe willen nicht.
Jetzt bin ich verschlossen, gehärtet, ich besinne mich nicht recht, und so betäubt
reise ich weg und stürze mich in das Gewühl der Neuheit, wo ich hoffe, daß
es besser mit mir werden soll. Lebe Wohl, Karoline, Freundin, innigste Freundin
meines Herzens. Lebe wohl — mit unbegreiflicher Wehmut sage ich dir Lebe¬
wohl — du bist glücklich, denn dieses Lebewohl fühlst dn nicht.*) Ich bin ge¬
stört in der Laune, in die ich mich versetzt hatte und die auch du billigtest —
jede Erinnerung, jeder Gedanke von entbehrten, von Verlornen Glück ist mir
jetzt schrecklich, erschüttert mich, bringt mein Blut stärker in Wallung. Lebe
wohl — Karoline —, o daß dn mich hören könntest und aus dem Tone meiner
Stimme schließen könntest, was ich dir sagen will."
Nach der Rückkehr der Familie von Lcngefeld aus der Schweiz hatte sich
der Freundeskreis der Schwestern mehr und mehr erweitert. Knebel, Goethes
Freund, kam oft nach Rudolstadt, umspann, wie er es Frauen gegenüber gern
that, die liebenswürdigen Damen mit einer gewissen selbstverständlichen, onkel¬
haften Zärtlichkeit und soll sogar daran gedacht haben, Charlotten seine Hand
anzubieten. Frau von Stein, welche vom nahen Kochberg aus freundschaftliche
Verbindungen mit Rudolstadt unterhielt und der Familie Lengefcld insbesondre
nahe stand, zog Lottchen an sich, und diese blieb ihr in unwandelbarer An¬
hänglichkeit verbunden bis zum Tode. Karoline dagegen schloß einen innigen
Herzensbund mit Karoline von Dachröden in Erfurt, der Braut Wilhelms von
Humboldt. Besser konnte niemand zu ihr passen. Dieselbe schrankenlose Idealität
der Gesinnung, dieselbe Gewandtheit des Ausdrucks, mir beides etwas freier,
zufahrender und selbstbewußter als bei der jungen Frau von Beulwitz. Karoline
von Dachröden wird als sehr liebenswürdig, edel und geistreich geschildert, und
in der That hat sie sich später als die Gattin Humboldts in jeder Beziehung
trefflich bewährt. Durch die staatsmännische Lanfbcchn ihres Gatten wurden
Es war Wolzogen bei seinem letzten Besuche in Rudolstadt vielleicht doch nicht ent¬
gangen, welchen Hochgenuß Karoline und ihre Schwester im Umgange mit Schiller fanden.
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