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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Dichterfreundinnen.

doch die ersten weiblichen Wesen, die ihm, dem von der Welt abgeschlossenen, mit
einer allgemeineren Teilnahme als der mütterlichen und schwesterlichen entgegen¬
traten. Besonders Karoline that es ihm an, und ihr Hang zu Seelcnfreund-
schciften trug nicht wenig dazu bei, daß die Begeisterung des jungeu Mannes
für sie bald einen immer wärmeren Ausdruck annahm. In Zürich lernten sie
auch Lavater kennen, der mit alttestamentlicher Jovialität Mutter und Töchter
in seinen weiten Freundeskreis aufnahm und alle drei zu lebhaftester Bewun¬
derung hinriß. Als sie nach Hause zurückkehrten, war ihnen die Welt weiter
geworden, große Bilder ans Natur- und Menschenleben erfüllten ihre Seelen,
sie hatten die Gletscher berührt und mit bedeutende" Menschen Freundschaft ge¬
schlossen. Arm und eng und tot erschien ihnen nun das kleine Rudolstadt.
Aber die Wärme ihres geistigen Lebens steigerte in ihnen das Bedürfnis, in
Freundschaft und in Bewunderung des Großen einen Ersatz zu suchen.

1785 vermählte sich Karoline mit dem Nndvlstädter Legationsrate Herrn
von Beulwitz, einem Manne, für den sie dem Schicksale Hütte zu Dank ver¬
pflichtet sein können. Denn er war aus feinerem Stoffe als die Hofleute
älteren Schlages: ehrenhaft, rücksichtsvoll, bildsam, und er besaß außerdem die
Weichheit und Nachgiebigkeit im ehelichen Verkehr, welche viele Männer jener
Zeit charakteristrt und in den Stand setzte, auch die Seelenfreundschaften ihrer
Gattinnen zu respektiren. Diese Seeleufreuudschaften pflegte Karoline eifrig,
selbst -- in den Flitterwochen. Ihr Briefwechsel mit dem lieben Vetter, Wil¬
helm von Wolzogen, der nach seinem Austritte aus der Karlsakademie vom
Herzog von Württemberg im Baufache verwendet und nach Paris geschickt wurde,
nahm immer größere Wärme an. Man sieht sie durch die Zeilen hindurch an
ihrem Schreibtische sitzen, die zierliche, 22jährige Hausfrau mit dem bänder-
reicheu Mvrgenhäubchen auf dem vollen, dunkeln Haare, und in ehrbar mütter¬
lichem Tone den feurigen Liebhaber in seine Schranken zurückweisen. Man
sieht aber auch das von einem wehmütigen Lächeln maskirte Behagen an diesem
Spiele mit Gefühlen. "Möchten Sie, mein lieber Freund -- schreibt sie ihm im
Dezember 178S nach Stuttgart --, doch eine Seele finden, die Ihnen Ersatz für
unsre Trennung gäbe! Sie sehen, ich glaube an das, was Sie mir sagten.
An jemand, der mich nicht so ganz wie Sie verstünde, würde ich nicht so etwas,
welches mir den Anschein von viel Eitelkeit giebt, schreiben, aber die innige
Verbindung unsrer Seelen setzt uns über diese Armseligkeiten hinweg. Ich
fühle, wie viel ich in Ihrem Umgange verliere, warum sollte ich scheinen wollen,
als glaubte ich, Sie verlören garnichts? Auch ich fühle oft hier diese Leere
des Herzens, dies Sehnen nach Umgang mit Seelen, die mich ganz fassen,
sobald ich außer meinem Hause bin, und kann mir also denken, wie Ihnen zu
Mute sein muß." Im Oktober 1786: "O es schmerzt mich tief, daß Sie
meinen vorigen Brief so mißverstanden haben; sagen Sie, wie war es möglich,
daß Sie es konnten? Ich fürchtete schon einigemal nach Ihren Briefen, daß


Dichterfreundinnen.

doch die ersten weiblichen Wesen, die ihm, dem von der Welt abgeschlossenen, mit
einer allgemeineren Teilnahme als der mütterlichen und schwesterlichen entgegen¬
traten. Besonders Karoline that es ihm an, und ihr Hang zu Seelcnfreund-
schciften trug nicht wenig dazu bei, daß die Begeisterung des jungeu Mannes
für sie bald einen immer wärmeren Ausdruck annahm. In Zürich lernten sie
auch Lavater kennen, der mit alttestamentlicher Jovialität Mutter und Töchter
in seinen weiten Freundeskreis aufnahm und alle drei zu lebhaftester Bewun¬
derung hinriß. Als sie nach Hause zurückkehrten, war ihnen die Welt weiter
geworden, große Bilder ans Natur- und Menschenleben erfüllten ihre Seelen,
sie hatten die Gletscher berührt und mit bedeutende» Menschen Freundschaft ge¬
schlossen. Arm und eng und tot erschien ihnen nun das kleine Rudolstadt.
Aber die Wärme ihres geistigen Lebens steigerte in ihnen das Bedürfnis, in
Freundschaft und in Bewunderung des Großen einen Ersatz zu suchen.

1785 vermählte sich Karoline mit dem Nndvlstädter Legationsrate Herrn
von Beulwitz, einem Manne, für den sie dem Schicksale Hütte zu Dank ver¬
pflichtet sein können. Denn er war aus feinerem Stoffe als die Hofleute
älteren Schlages: ehrenhaft, rücksichtsvoll, bildsam, und er besaß außerdem die
Weichheit und Nachgiebigkeit im ehelichen Verkehr, welche viele Männer jener
Zeit charakteristrt und in den Stand setzte, auch die Seelenfreundschaften ihrer
Gattinnen zu respektiren. Diese Seeleufreuudschaften pflegte Karoline eifrig,
selbst — in den Flitterwochen. Ihr Briefwechsel mit dem lieben Vetter, Wil¬
helm von Wolzogen, der nach seinem Austritte aus der Karlsakademie vom
Herzog von Württemberg im Baufache verwendet und nach Paris geschickt wurde,
nahm immer größere Wärme an. Man sieht sie durch die Zeilen hindurch an
ihrem Schreibtische sitzen, die zierliche, 22jährige Hausfrau mit dem bänder-
reicheu Mvrgenhäubchen auf dem vollen, dunkeln Haare, und in ehrbar mütter¬
lichem Tone den feurigen Liebhaber in seine Schranken zurückweisen. Man
sieht aber auch das von einem wehmütigen Lächeln maskirte Behagen an diesem
Spiele mit Gefühlen. „Möchten Sie, mein lieber Freund — schreibt sie ihm im
Dezember 178S nach Stuttgart —, doch eine Seele finden, die Ihnen Ersatz für
unsre Trennung gäbe! Sie sehen, ich glaube an das, was Sie mir sagten.
An jemand, der mich nicht so ganz wie Sie verstünde, würde ich nicht so etwas,
welches mir den Anschein von viel Eitelkeit giebt, schreiben, aber die innige
Verbindung unsrer Seelen setzt uns über diese Armseligkeiten hinweg. Ich
fühle, wie viel ich in Ihrem Umgange verliere, warum sollte ich scheinen wollen,
als glaubte ich, Sie verlören garnichts? Auch ich fühle oft hier diese Leere
des Herzens, dies Sehnen nach Umgang mit Seelen, die mich ganz fassen,
sobald ich außer meinem Hause bin, und kann mir also denken, wie Ihnen zu
Mute sein muß." Im Oktober 1786: „O es schmerzt mich tief, daß Sie
meinen vorigen Brief so mißverstanden haben; sagen Sie, wie war es möglich,
daß Sie es konnten? Ich fürchtete schon einigemal nach Ihren Briefen, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/540>, abgerufen am 23.12.2024.