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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Leos des Dreizehnter Anfänge.

Mittlerweile hat der Kardinal Borromeo die Stimmzettel, wie stets nach
vollzogener Abstimmung, verbrannt; da er aber nicht, wie sonst, etwas feuchtes
Stroh zugleich mit verbrannt hat, ist der Rauch kaum sichtbar, die Bevölkerung
kann nicht, der allgemeinen Erwartung und sonstigen Gewohnheit gemäß, aus
dem Rauche entnehmen, daß die Wahlhandlung vollendet ist.

Nachdem der Papst seine neue Kleidung angelegt hat, geht er in Beglei¬
tung der beiden Kardinaldicikone in die Sixtinische Kapelle zurück und setzt sich
auf dem Altar nieder, um sich von den Kardinälen "anbeten" zu lassen. Er
umarmt und küßt sie alle der Reihe nach. Darauf wird das Tedeum gesungen,
und er segnet das heilige Kollegium. Dem Kardinal Schwarzenberg überträgt
er das Amt eines Kardinalkämmcrers, welches er selbst inne gehabt hat, und
Schwarzenberg steckt ihm den Fischerring an den Finger.

Ebenfalls um ein Uhr hatte der Kardinal Simeoni von der Thür des
Konklaves aus einen Diener herbeirufen lassen und ihm befohlen, die große äußere
Loggia der Peterskirche von innen öffnen zu lassen. Sie war offenbar ver¬
schlossen gehalten worden, weil sich Pius IX. in den achtzehn letzten Jahren
seiner Regierung nicht mehr außerhalb des Vatikans hatte zeigen wollen. Die
Schlüssel zu der Thür waren in der Eile nicht zu finden, aber Priester und
Laien, so viele zugegen waren, halfen dem Schlosser das Schloß aufbrechen.
Als jedoch die Thür geöffnet war, fand sich hinter derselben ein starker Holz-
verschlag; es mußten einzelne Planken daraus losgebrochen werden, um einen
Durchgang zu ermögliche", der freilich immer noch sehr eng und unbe¬
quem war.

Um ein und ein viertel Uhr begab sich der älteste Kardinaldiakon, Caterini,
begleitet von mehreren Zcremonienmeistern und andern Geistlichen, unter Vor-
trnguug des Kreuzes auf die Loggia. Nur wenige Leute befanden sich auf
dem Platze und der Treppe der Peterskirche. Langsam sahen sie das Fenster
der Loggia sich öffnen, das Kreuz erscheinen und den Kardinal mit seinem Ge¬
folge heraustrete". Mit altersschwacher, zitternder Stimme verkündigte Caterini
in der vorgeschriebene" Weise die geschehene Wahl: Ich verkündige euch eine
große Freude: wir haben als Papst u. s. w. Seine Stimme war aber zu schwach,
als daß er von dieser Höhe von den unterstehenden hätte verstanden werden
können; es rief also jemand von der Treppe der Peterskirche hinauf: Wer
ist es? Mit lauter Stimme antwortete ein Konklavist des Kardinals, namens
Mariclli: Der Kardinal Pecei unter dem Namen Leo XIII.

Es war einer jener schönen Wintertage, wie man sie nnr in Rom erlebe"
zu können glaubt; in einem Nu zerstreuten sich diejenigen, welche die Verkün¬
digung mit angehört hatten, dnrch die Stadt und verbreiteten die Nachricht.
In aller Eile werden die Glöckner herbeigerufen, die nicht zugegen, sondern
wahrscheinlich zum Frühstück gegangen waren, eine Abhaltung von jedem andern
Thu", die dem echte" Römer über alles heilig ist; bei dem bloßen Gedanken,


Leos des Dreizehnter Anfänge.

Mittlerweile hat der Kardinal Borromeo die Stimmzettel, wie stets nach
vollzogener Abstimmung, verbrannt; da er aber nicht, wie sonst, etwas feuchtes
Stroh zugleich mit verbrannt hat, ist der Rauch kaum sichtbar, die Bevölkerung
kann nicht, der allgemeinen Erwartung und sonstigen Gewohnheit gemäß, aus
dem Rauche entnehmen, daß die Wahlhandlung vollendet ist.

Nachdem der Papst seine neue Kleidung angelegt hat, geht er in Beglei¬
tung der beiden Kardinaldicikone in die Sixtinische Kapelle zurück und setzt sich
auf dem Altar nieder, um sich von den Kardinälen „anbeten" zu lassen. Er
umarmt und küßt sie alle der Reihe nach. Darauf wird das Tedeum gesungen,
und er segnet das heilige Kollegium. Dem Kardinal Schwarzenberg überträgt
er das Amt eines Kardinalkämmcrers, welches er selbst inne gehabt hat, und
Schwarzenberg steckt ihm den Fischerring an den Finger.

Ebenfalls um ein Uhr hatte der Kardinal Simeoni von der Thür des
Konklaves aus einen Diener herbeirufen lassen und ihm befohlen, die große äußere
Loggia der Peterskirche von innen öffnen zu lassen. Sie war offenbar ver¬
schlossen gehalten worden, weil sich Pius IX. in den achtzehn letzten Jahren
seiner Regierung nicht mehr außerhalb des Vatikans hatte zeigen wollen. Die
Schlüssel zu der Thür waren in der Eile nicht zu finden, aber Priester und
Laien, so viele zugegen waren, halfen dem Schlosser das Schloß aufbrechen.
Als jedoch die Thür geöffnet war, fand sich hinter derselben ein starker Holz-
verschlag; es mußten einzelne Planken daraus losgebrochen werden, um einen
Durchgang zu ermögliche», der freilich immer noch sehr eng und unbe¬
quem war.

Um ein und ein viertel Uhr begab sich der älteste Kardinaldiakon, Caterini,
begleitet von mehreren Zcremonienmeistern und andern Geistlichen, unter Vor-
trnguug des Kreuzes auf die Loggia. Nur wenige Leute befanden sich auf
dem Platze und der Treppe der Peterskirche. Langsam sahen sie das Fenster
der Loggia sich öffnen, das Kreuz erscheinen und den Kardinal mit seinem Ge¬
folge heraustrete». Mit altersschwacher, zitternder Stimme verkündigte Caterini
in der vorgeschriebene» Weise die geschehene Wahl: Ich verkündige euch eine
große Freude: wir haben als Papst u. s. w. Seine Stimme war aber zu schwach,
als daß er von dieser Höhe von den unterstehenden hätte verstanden werden
können; es rief also jemand von der Treppe der Peterskirche hinauf: Wer
ist es? Mit lauter Stimme antwortete ein Konklavist des Kardinals, namens
Mariclli: Der Kardinal Pecei unter dem Namen Leo XIII.

Es war einer jener schönen Wintertage, wie man sie nnr in Rom erlebe»
zu können glaubt; in einem Nu zerstreuten sich diejenigen, welche die Verkün¬
digung mit angehört hatten, dnrch die Stadt und verbreiteten die Nachricht.
In aller Eile werden die Glöckner herbeigerufen, die nicht zugegen, sondern
wahrscheinlich zum Frühstück gegangen waren, eine Abhaltung von jedem andern
Thu», die dem echte» Römer über alles heilig ist; bei dem bloßen Gedanken,


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[0526] Leos des Dreizehnter Anfänge. Mittlerweile hat der Kardinal Borromeo die Stimmzettel, wie stets nach vollzogener Abstimmung, verbrannt; da er aber nicht, wie sonst, etwas feuchtes Stroh zugleich mit verbrannt hat, ist der Rauch kaum sichtbar, die Bevölkerung kann nicht, der allgemeinen Erwartung und sonstigen Gewohnheit gemäß, aus dem Rauche entnehmen, daß die Wahlhandlung vollendet ist. Nachdem der Papst seine neue Kleidung angelegt hat, geht er in Beglei¬ tung der beiden Kardinaldicikone in die Sixtinische Kapelle zurück und setzt sich auf dem Altar nieder, um sich von den Kardinälen „anbeten" zu lassen. Er umarmt und küßt sie alle der Reihe nach. Darauf wird das Tedeum gesungen, und er segnet das heilige Kollegium. Dem Kardinal Schwarzenberg überträgt er das Amt eines Kardinalkämmcrers, welches er selbst inne gehabt hat, und Schwarzenberg steckt ihm den Fischerring an den Finger. Ebenfalls um ein Uhr hatte der Kardinal Simeoni von der Thür des Konklaves aus einen Diener herbeirufen lassen und ihm befohlen, die große äußere Loggia der Peterskirche von innen öffnen zu lassen. Sie war offenbar ver¬ schlossen gehalten worden, weil sich Pius IX. in den achtzehn letzten Jahren seiner Regierung nicht mehr außerhalb des Vatikans hatte zeigen wollen. Die Schlüssel zu der Thür waren in der Eile nicht zu finden, aber Priester und Laien, so viele zugegen waren, halfen dem Schlosser das Schloß aufbrechen. Als jedoch die Thür geöffnet war, fand sich hinter derselben ein starker Holz- verschlag; es mußten einzelne Planken daraus losgebrochen werden, um einen Durchgang zu ermögliche», der freilich immer noch sehr eng und unbe¬ quem war. Um ein und ein viertel Uhr begab sich der älteste Kardinaldiakon, Caterini, begleitet von mehreren Zcremonienmeistern und andern Geistlichen, unter Vor- trnguug des Kreuzes auf die Loggia. Nur wenige Leute befanden sich auf dem Platze und der Treppe der Peterskirche. Langsam sahen sie das Fenster der Loggia sich öffnen, das Kreuz erscheinen und den Kardinal mit seinem Ge¬ folge heraustrete». Mit altersschwacher, zitternder Stimme verkündigte Caterini in der vorgeschriebene» Weise die geschehene Wahl: Ich verkündige euch eine große Freude: wir haben als Papst u. s. w. Seine Stimme war aber zu schwach, als daß er von dieser Höhe von den unterstehenden hätte verstanden werden können; es rief also jemand von der Treppe der Peterskirche hinauf: Wer ist es? Mit lauter Stimme antwortete ein Konklavist des Kardinals, namens Mariclli: Der Kardinal Pecei unter dem Namen Leo XIII. Es war einer jener schönen Wintertage, wie man sie nnr in Rom erlebe» zu können glaubt; in einem Nu zerstreuten sich diejenigen, welche die Verkün¬ digung mit angehört hatten, dnrch die Stadt und verbreiteten die Nachricht. In aller Eile werden die Glöckner herbeigerufen, die nicht zugegen, sondern wahrscheinlich zum Frühstück gegangen waren, eine Abhaltung von jedem andern Thu», die dem echte» Römer über alles heilig ist; bei dem bloßen Gedanken,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/526>, abgerufen am 23.07.2024.