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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Teos des Dreizehnter Anfänge.

Fraktion aus und bildeten die berühmte "liberale Vereinigung," über deren Be¬
stimmung, vom Fortschritt verschlungen zu werden, niemand anch nur einen
Tag lang in Zweifel sein konnte. Zu diesen zwanzig gehörte mit Laster, Bam-
berger, Stcmffenberg, Fvrckenbeck auch Rickert, Die Frage des Septenuats hat
die Partei gestürzt, dieselbe Frage hat sie wieder emporgebracht!

Das Vorstehende wird geinigen, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß
die Biographie Stephcmiö gerade in diesem Augenblicke ein sehr nützliches Lese¬
buch nicht allein für Abgeordnete, sondern für Politiker im allgemeinen ist,
welche sähig und willens sind, aus der Vergangenheit Nutzen für die Gegen¬
wart zu ziehen.




Leos des Dreizehnter Anfänge.

co XIII. ist ein Mann, welcher von einem großen Teile der katho¬
lischen Welt mit dem tiefsten Mißtrauen betrachtet wird. Die
Ultramontanen hatten ihn für liberal gesinnt, klagen ihn des
Mangels an Frömmigkeit, der Feindschaft gegen die Jesuiten und
der Hinneigung zu politischen Zugeständnisse" an, deren sich
Pius IX., wenigstens nach seiner Bekehrung, niemals schuldig gemacht hat. Vor
Leos Wahl zum Papste gingen diese Beschuldigungen so weit, daß die ihm feind¬
lichen Kardinäle, besonders Oreglia, Randi und Sacconi, sogar behaupteten,
sein Lebenswandel als Erzbischof von Perugia sei unsittlich gewesen -- eine
schändliche Lüge, da der Kardinal Pecei stets ein Mann von musterhafter Sitten¬
reinheit gewesen ist.

Während diese Stimmung auf der einen Seite die bekannten Vorgänge
in Deutschland erklärt, welche in einem offnen Ungehorsam- des Zentrums, der
eigentlich päpstlichen Partei, gegen den römischen Stuhl gipfeln, ist die Feind¬
schaft in Frankreich zeitweise so arg geworden, daß, einem nicht unverbürgten
Gerüchte zufolge, die Beschimpfungen, welche die ultramontane Presse gegen
den Papst ausstieß und welche der Regierung unbequem wurden, durch gelegent¬
liche pekuniäre Belehrung und Bekehrung der Hauptschreier gemildert oder auf¬
gehoben wurden.

Uuter diese" Verhältnissen sind verbürgte Nachrichten über das Konklave,
aus welchem der Kardinal Pecei als Papst hervorging, umso wichtiger, weil
aus ihnen erhellt, daß Leo XIII. nnr durch eine Verkettung teils unglücklicher,
teils geschickt angeordneter Umstände dazu gekommen ist, nicht seinen Frieden
mit der Regierung des Königs von Italien zu machen -- ein Fall, dessen Ein-


Teos des Dreizehnter Anfänge.

Fraktion aus und bildeten die berühmte „liberale Vereinigung," über deren Be¬
stimmung, vom Fortschritt verschlungen zu werden, niemand anch nur einen
Tag lang in Zweifel sein konnte. Zu diesen zwanzig gehörte mit Laster, Bam-
berger, Stcmffenberg, Fvrckenbeck auch Rickert, Die Frage des Septenuats hat
die Partei gestürzt, dieselbe Frage hat sie wieder emporgebracht!

Das Vorstehende wird geinigen, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß
die Biographie Stephcmiö gerade in diesem Augenblicke ein sehr nützliches Lese¬
buch nicht allein für Abgeordnete, sondern für Politiker im allgemeinen ist,
welche sähig und willens sind, aus der Vergangenheit Nutzen für die Gegen¬
wart zu ziehen.




Leos des Dreizehnter Anfänge.

co XIII. ist ein Mann, welcher von einem großen Teile der katho¬
lischen Welt mit dem tiefsten Mißtrauen betrachtet wird. Die
Ultramontanen hatten ihn für liberal gesinnt, klagen ihn des
Mangels an Frömmigkeit, der Feindschaft gegen die Jesuiten und
der Hinneigung zu politischen Zugeständnisse» an, deren sich
Pius IX., wenigstens nach seiner Bekehrung, niemals schuldig gemacht hat. Vor
Leos Wahl zum Papste gingen diese Beschuldigungen so weit, daß die ihm feind¬
lichen Kardinäle, besonders Oreglia, Randi und Sacconi, sogar behaupteten,
sein Lebenswandel als Erzbischof von Perugia sei unsittlich gewesen — eine
schändliche Lüge, da der Kardinal Pecei stets ein Mann von musterhafter Sitten¬
reinheit gewesen ist.

Während diese Stimmung auf der einen Seite die bekannten Vorgänge
in Deutschland erklärt, welche in einem offnen Ungehorsam- des Zentrums, der
eigentlich päpstlichen Partei, gegen den römischen Stuhl gipfeln, ist die Feind¬
schaft in Frankreich zeitweise so arg geworden, daß, einem nicht unverbürgten
Gerüchte zufolge, die Beschimpfungen, welche die ultramontane Presse gegen
den Papst ausstieß und welche der Regierung unbequem wurden, durch gelegent¬
liche pekuniäre Belehrung und Bekehrung der Hauptschreier gemildert oder auf¬
gehoben wurden.

Uuter diese» Verhältnissen sind verbürgte Nachrichten über das Konklave,
aus welchem der Kardinal Pecei als Papst hervorging, umso wichtiger, weil
aus ihnen erhellt, daß Leo XIII. nnr durch eine Verkettung teils unglücklicher,
teils geschickt angeordneter Umstände dazu gekommen ist, nicht seinen Frieden
mit der Regierung des Königs von Italien zu machen — ein Fall, dessen Ein-


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[0522] Teos des Dreizehnter Anfänge. Fraktion aus und bildeten die berühmte „liberale Vereinigung," über deren Be¬ stimmung, vom Fortschritt verschlungen zu werden, niemand anch nur einen Tag lang in Zweifel sein konnte. Zu diesen zwanzig gehörte mit Laster, Bam- berger, Stcmffenberg, Fvrckenbeck auch Rickert, Die Frage des Septenuats hat die Partei gestürzt, dieselbe Frage hat sie wieder emporgebracht! Das Vorstehende wird geinigen, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß die Biographie Stephcmiö gerade in diesem Augenblicke ein sehr nützliches Lese¬ buch nicht allein für Abgeordnete, sondern für Politiker im allgemeinen ist, welche sähig und willens sind, aus der Vergangenheit Nutzen für die Gegen¬ wart zu ziehen. Leos des Dreizehnter Anfänge. co XIII. ist ein Mann, welcher von einem großen Teile der katho¬ lischen Welt mit dem tiefsten Mißtrauen betrachtet wird. Die Ultramontanen hatten ihn für liberal gesinnt, klagen ihn des Mangels an Frömmigkeit, der Feindschaft gegen die Jesuiten und der Hinneigung zu politischen Zugeständnisse» an, deren sich Pius IX., wenigstens nach seiner Bekehrung, niemals schuldig gemacht hat. Vor Leos Wahl zum Papste gingen diese Beschuldigungen so weit, daß die ihm feind¬ lichen Kardinäle, besonders Oreglia, Randi und Sacconi, sogar behaupteten, sein Lebenswandel als Erzbischof von Perugia sei unsittlich gewesen — eine schändliche Lüge, da der Kardinal Pecei stets ein Mann von musterhafter Sitten¬ reinheit gewesen ist. Während diese Stimmung auf der einen Seite die bekannten Vorgänge in Deutschland erklärt, welche in einem offnen Ungehorsam- des Zentrums, der eigentlich päpstlichen Partei, gegen den römischen Stuhl gipfeln, ist die Feind¬ schaft in Frankreich zeitweise so arg geworden, daß, einem nicht unverbürgten Gerüchte zufolge, die Beschimpfungen, welche die ultramontane Presse gegen den Papst ausstieß und welche der Regierung unbequem wurden, durch gelegent¬ liche pekuniäre Belehrung und Bekehrung der Hauptschreier gemildert oder auf¬ gehoben wurden. Uuter diese» Verhältnissen sind verbürgte Nachrichten über das Konklave, aus welchem der Kardinal Pecei als Papst hervorging, umso wichtiger, weil aus ihnen erhellt, daß Leo XIII. nnr durch eine Verkettung teils unglücklicher, teils geschickt angeordneter Umstände dazu gekommen ist, nicht seinen Frieden mit der Regierung des Königs von Italien zu machen — ein Fall, dessen Ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/522>, abgerufen am 23.07.2024.